2.139.1 (cun1p): 1) Erleichterungen für abgeschlossene Verträge zwischen Firmen des besetzten Gebiets und Firmen der am Ruhreinbruch nicht beteiligten Staaten.

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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1) Erleichterungen für abgeschlossene Verträge zwischen Firmen des besetzten Gebiets und Firmen der am Ruhreinbruch nicht beteiligten Staaten1.

1

Dieser Punkt war vom Kabinett bereits am 18. 4. erörtert worden (vgl. Dok. Nr. 127).

Nachdem der Staatssekretär des Auswärtigen Amts mitgeteilt hatte, daß zwischen dem Herrn Reichskanzler, dem Auswärtigen Amt und dem Herrn Reichsschatzminister2 Einverständnis über die Form der Verordnung erzielt worden sei, so daß die früher geäußerten Bedenken als erledigt betrachtet werden könnten und der Annahme der Verordnung in der vorgelegten Form keine Bedenken mehr entgegenständen3, machte der Herr Reichsverkehrsminister auf folgendes aufmerksam: Zunächst halte er es nicht für richtig, daß über die schon in früheren Kabinettssitzungen hervorgehobenen Bedenken des Reichsverkehrsministeriums offenbar jetzt zur Tagesordnung übergegangen[427] werden solle. Das Auswärtige Amt hätte dem Reichsverkehrsministerium bereits in den Vorbesprechungen Gelegenheit zur Stellungnahme geben sollen, dann wäre der jetzige Zustand vielleicht vermieden worden4. Er sei heute nicht in der Lage, der Verordnung zuzustimmen. Zunächst halte er den Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung für denkbar ungünstig. Nach seinem Dafürhalten müsse man alles vermeiden, was die Haltung der Arbeiter und insbesondere der Eisenbahner im jetzigen Moment gefährden könne. In weiten Kreisen werde der Erlaß dieser Verordnung zur Folge haben, daß die Auffassung aufkomme, die Regierung Cuno verlasse die Arbeiter und zeige gegenüber Industrie- und Handelswelt ein durch nichts berechtigtes Entgegenkommen. Die Eisenbahner würden die Verordnung nicht befolgen, und er sähe auch keine Möglichkeit, sie dazu zu bringen. Er erachte es für seine Pflicht, die Beamten und Arbeiter der Eisenbahn unbedingt an die Anordnung des Ministeriums zu binden. Hier aber wisse er im voraus, daß eine Anordnung, wie sie das Auswärtige Amt vorschlage, nicht befolgt werden würde. Die Eisenbahner würden hier ein Nachgeben der Regierung sehen, und es bestehe die große Gefahr, daß die Einheitsfront abbröckeln und der ganze Abwehrkampf gefährdet würde. Er bäte daher das Kabinett, von dem Erlaß dieser Verordnung abzusehen5.

2

Muß heißen: „Reichsminister für Wiederaufbau“. Das RSchMin. war am 29.3.23 aufgelöst worden.

3

Mit Schreiben vom 19. 4. hatte der RAM mitgeteilt: „Die Prüfung der beteiligten Ressorts hat ergeben, daß die Einführung der beabsichtigten Erleichterungen im Verwaltungswege daran scheitert, daß die zuständigen Justizressorts Anweisungen an die Staatsanwaltschaften, bei vor dem 20. Februar abgeschlossenen Verträgen keine Anklagen zu erheben, nicht erteilen können.“ Daher schlage das AA vor, den Weg der VO zu wählen (R 43 I /212 , Bl. 293 f.). Der beigefügte Entwurf der VO entspricht weitgehend dem endgültigen Text der VO.

4

An den Vorbesprechungen waren neben der Rkei und dem AA das RWiMin., das RFMin., das RMinWiederaufbau, das RArbMin. und das RJMin. beteiligt worden.

5

Mit Rundschreiben vom 24. 4. hatte der RVM bereits erklärt: „Vom Standpunkt meines Ressorts muß ich dem Antrag des AA unter allen Umständen widersprechen. Mit der Annahme der neuen Notverordnung würde die RReg. den Weg der starren Abwehr verlassen. Darin sehe ich eine große Gefahr für die weitere Dauer des Abwehrkampfes, namentlich soweit dieser durch die Eisenbahner geführt wird. Gegen die VO spricht: a) Sie enthält eine Anerkennung der feindlichen Maßnahmen hinsichtlich der Aus- und Einfuhrkontrolle, der Abgabenerhebung und vielleicht auch der Beförderungsregelung. b) Die Eisenbahner würden es nicht verstehen, daß, während sie mit Gut und Blut für die Beendigung des jetzigen Zustandes kämpfen, die VO sich teilweise mit dem bestehenden Zustande abfindet. Sie würden dies umso weniger begreifen, als sie z. B. im Falle der Ausweisung nicht einmal ihre eigene Wohnungseinrichtung aus dem Einbruchsgebiet herausbringen, weil sie die Ausfuhrgenehmigung nicht beantragen wollen. c) Erreicht wird durch die VO nur wenig, da die Eisenbahner mit Recht jedes Zusammenarbeiten mit den Einbruchsmächten ablehnen werden. Auf dem Eisenbahnwege würde sonach eine Beförderung der Güter aus dem Einbruchsgebiet nicht möglich sein. Aus allen diesen Gründen glaube ich, einer Abänderung der VO nicht zustimmen zu können.“ (R 43 I /212 , Bl. 348).

Der Staatssekretär im Auswärtigen Amte betonte demgegenüber die außenpolitischen Momente. Das Auswärtige Amt sei von den an dem Ruhreinbruch nicht beteiligten Mächten wiederholt auf die Notwendigkeit einer solchen Verordnung hingewiesen worden, und das Auswärtige Amt glaube umsomehr, diese Vorlage empfehlen zu können, als sich der Inhalt ja nicht auf die an dem Ruhreinbruch beteiligten Mächte erstrecke. Falls das Kabinett der Verordnung zustimme, sei den außenpolitischen Momenten genügt. Wenn dann die Arbeiter im besetzten und Einbruchsgebiet ihr nicht Folge leisteten, so wäre das angesichts der Machtlosigkeit der deutschen Regierung in diesem Gebiet nicht zu ändern. Nach längerer Debatte wurde die Vorlage des Auswärtigen Amts angenommen6.

6

Am 26. 4. wird die VO aufgrund des Notgesetzes erlassen, unterzeichnet vom RWiM, RFM und RMWiederaufbau (abgedruckt in RT-Drucks. Nr. 5876, Bd. 378, S. 95  f.); doch fehlt diese VO im RGBl. 1923.

[428] Der Herr Reichsverkehrsminister stellte ausdrücklich fest, daß er sich seine Maßnahmen vorbehalten müsse.

Das Kabinett stimmte dem zu.

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