2.164 (cun1p): Nr. 164 Der Reichskanzler an die Reichsminister des Auswärtigen, des Innern und der Justiz. 23. Mai 1923

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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Nr. 164
Der Reichskanzler an die Reichsminister des Auswärtigen, des Innern und der Justiz. 23. Mai 1923

R 43 I /2669 , Bl. 279-282 Entwurf1

1

Der von StS Hamm unterzeichnete und vom RK abgezeichnete Entwurf war zunächst auf den 13. 5. datiert, von Kempner und v. Stockhausen am 15. 5. abgezeichnet worden. Er ist von Hamm und Kempner mit zahlreichen handschriftlichen Verbesserungen versehen worden, von denen die wichtigeren angemerkt wurden. Lt. Randvermerk ergingen am 24. 5. Abschriften an die übrigen RM. Eine Durchschrift dieses Schreibens ebenfalls in R 43 I /2669 , Bl. 283-289.

Betrifft: Kommunistische Bewegung.

Die kommunistische Partei entfaltet in der letzten Zeit eine verstärkte Werbetätigkeit, der wachsender Einfluß nicht abzusprechen ist2. Der Zusammenhang der kommunistischen Partei mit der Dritten Internationale tritt hierbei immer wieder aufs Stärkste in den Vordergrund. Gemäß diesem Zusammenhang wird überall die Vorbereitung der Revolution mit gewaltsamen Mitteln gepredigt. Wenn der Sturz der „Regierung Cuno“ verlangt wird, so handelt es sich dabei nicht bloß um den Sturz dieser gegenwärtigen Regierung, der dann eine andere verfassungsmäßige Regierung folgen würde, sondern es handelt sich dabei um einen Angriff auf die verfassungsmäßige Regierung schlechthin. Denn auch eine Arbeiterregierung, die nach der da und dort auftretenden Forderung der Kommunisten an die Stelle der gegenwärtigen Regierung treten und, aus Sozialisten und Kommunisten bestehend, vom Reichstag in parlamentarischen Formen gebildet werden sollte, ist nur als eine kurzlebige Übergangsform zur revolutionären Diktatur des Proletariats gedacht. Der Vorbereitung hierzu soll die Bewaffnung der Arbeiterschaft dienen, die Bildung bewaffneter Hundertschaften, die Bildung „kommunistischer Keimzellen“ in den Betrieben usw. Wenn die Bewaffnung vielfach zur Abwehr des Faschismus verlangt[497] wird, so ist dieses Vorgeben der Verteidigung des Bestehenden nur eine Verhüllung des wirklichen Zweckes des Angriffs auf das Bestehende. Aufrufe und Aufsätze der „Roten Fahne“ und die Vorgänge im Westen zeigen dies deutlich3. In diesem Zusammenhange sind besonders wichtig die Belehrungen, die die kommunistische Presse ständig aus russischen Erfahrungen gibt, insbesondere auch über die Gestaltung der Roten Armee; sie zeigen, daß es sich dabei um einen wohlerwogenen Gesamtplan handelt. Was in erzählenden Aufsätzen und Berichten dort steht, ist nicht minder gefährlich als das, was in immer wiederholten Aufrufen den Lesern eingehämmert wird. Als ein Beispiel nenne ich den Aufsatz „Bereitschaft im Osten“ von Eisenberger in Moskau Nr. 89 vom 22.4.19234. Niemals also haben die Kommunisten sich weniger von der Gewalt abgewendet, niemals deutlicher zu ihr bekannt als jetzt. Daß sie bisher klug auf aussichtslose Einzelunternehmungen verzichteten, aber mit aller Kraft und im Vertrauen auf die Wirkung schwerer seelischer und wirtschaftlicher Erschütterungen unseres Volkes ein großes Gesamtunternehmen vorbereiten, mindert ihre Gefährlichkeit nicht, sondern verstärkt sie.

2

Eine wieder gestrichene Korrektur Hamms sah vor: „Die Staatsgefährlichkeit der Kommunistischen Partei ist durch die Vorgänge dieser Tage in Dortmund, Gelsenkirchen u. a. Orten in ein neues scharfes Licht getreten.“

3

Vom 19. – 25. Mai kam es insbesondere in Dortmund, Gelsenkirchen und Bochum zu schweren Auseinandersetzungen zwischen kommunistischen Trupps, der blauen Kommunalpolizei und Einheiten des bürgerlichen Selbstschutzes und der Feuerwehr. Sie forderten Todesopfer und zahlreiche Verletzte.

4

Der Aufsatz aus der ‚Roten Fahne‘, im Ausschnitt in R 43 I /2669 , Bl. 278, schließt wie folgt: „Es ist jetzt die Stunde, in der den deutschen Arbeitern in aller Offenheit gesagt werden muß, daß sie in dem Kampf, der ihnen bevorsteht, den Rücken frei haben. Wie einen Halm niedertreten wird die russische Armee den polnischen Wall, der sie in der Schicksalsstunde des deutschen Proletariats von ihm trennen sollte. Dieses Bewußtsein mag dem deutschen Proletariat die sichere Hand verleihen, deren es bedarf, um den Schlag gegen seine Klassenfeinde unfehlbar und mit ungeteilter Kraft zu führen.“

Die Agitation ist in der letzten Zeit außerordentlich verstärkt. Mit der letzten russischen Getreidesendung für das Ruhrgebiet sind, wie ich höre, acht führende russische Kommunisten in Deutschland eingetroffen – mit Sichtvermerken der deutschen Vertretung in Moskau versehen –, die schon bei der Landung in Bremen, dann in Berlin, im Ruhrgebiet und sonst die Ideen des russischen Kommunismus verbreiten5.

5

Am 7. 5. hatte Kuenzer über die Einreise von acht Russen berichtet, denen als Begleitpersonen der drei Anfang April eingelaufenen Getreidesendungen Einreisevisa erteilt worden waren. Dazu Kuenzer: „Es mehren sich die Mitteilungen, daß die mit den russischen Getreidetransporten nach Deutschland entsandten Personen sich nicht darauf beschränkt haben, wie ursprünglich angegeben, diese Transporte zu begleiten und an ihrem Bestimmungsorte abzuliefern, sondern daß diese von den russischen Gewerkschaften ausgehende Aktion zu einer beispiellosen und umfangreichen Propaganda in Deutschland für den Bolschewismus ausgenutzt worden ist und weiter ausgenutzt wird.“ (R 43 I /2669 , Bl. 307 f.). Über die Propagandatätigkeit der russ. Kommunisten berichtete Kuenzer dann im einzelnen, wie auch bereits in seinen Berichten vom 20. 4. und 2. 5. (R 43 I /2669 , Bl. 254, 290). Die russischen Sympathiekundgebungen und Hilfsaktionen anläßlich der Ruhrbesetzung sind aus kommunistischer Sicht dargestellt bei Wolfgang Ruge: Die Stellungnahme der Sowjetunion gegen die Besetzung des Ruhrgebietes, Berlin, 1962, S. 59 ff.

Aufreizende Flugblätter häufen sich, insbesondere werden solche auch in der Schutzpolizei und bei der Reichsbahn verteilt. Der Zusammenhang mit der Zentrale der Betriebsräte verstärkt Wirkung und Gefahr dieser Wühlarbeit. Auch Kinder werden in immer stärkerer Weise in die Bewegung hineingezogen; die „Rote Fahne“ gibt dafür Beispiele. Dazu kommen unmittelbare Vorbereitungen, die in Sachsen und Thüringen besonders in den Bildungen von[498] proletarischen Hundertschaften sichtbar sind. Ich erinnere weiter an zahlreiche Versammlungsstörungen und -sprengungen, die dauernd dort vorkommen6.

6

Über die verschiedenen kommunistischen Aktivitäten hatte Kuenzer auf Anforderung Hamms ausführlich am 30. 4. in einem 17seitigen Schreiben berichtet (R 43 I /2669 , Bl. 269-277).

Diesen Gefahren gegenüber betrachte ich stärkste Gegenwehr als unbedingtes großes Erfordernis der Reichspolitik. Das auch deswegen, um im deutschen Volke gegenüber mannigfachen behördlichen Unterdrückungen rechtsradikaler Vereinigungen den Glauben an eine gleichmäßige Gerechtigkeit der Staatsgewalt nicht ersterben zu lassen.

Die der Reichsgewalt zustehenden Handhaben sind gering; die Ausübung der Polizei steht den Ländern zu. Nicht alle Landesregierungen scheinen mir von sich aus die notwendige Tätigkeit zu entfalten. So ist mir zweifelhaft, ob in Sachsen die Polizei, die zum größten Teile aus Reichsmitteln unterhalten wird, die notwendige Stärke dieser Wühl- und Sprengarbeit gegenüber stets bewiesen hat und beweisen wird7. Desto mehr müssen m. E. die wenigen dem Reiche zustehenden Befugnisse angespannt werden.

7

Am 24. 4. hatte v. Schleicher der Rkei Meldungen des Wehrkreiskommandos IV über die Zustände in der sächs. Polizei übersandt, in denen es u. a. hieß: „Durch die Macht und die verhetzende Tätigkeit der Regierungskommissare und Beamtenausschüsse haben die Polizei-Offiziere ihren Einfluß verloren. Disziplin ist nicht mehr vorhanden, ein wirkungsvoller Einsatz von Polizeikräften gegen Putschversuche von links, auch von kommunistischer Seite, kommt so gut wie nicht mehr in Frage; Verwendung gegen Putschversuche von rechts ist möglich.“ (R 43 I /2307 , Bl. 292-295). Hamm gab den Bericht am 27. 4. an Kuenzer weiter mit dem Bemerken: „Insbesondere wäre ich für eine Äußerung darüber dankbar, ob nicht dem Reich mit Rücksicht auf die Kostentragungspflicht eine Einflußnahme auf die Erhaltung einer zuverlässigen Polizei möglich ist.“ (R 43 I /2307 , Bl. 296). Kuenzer stellte eine Äußerung des RIMin. dazu in Aussicht und übersandte der Rkei außerdem am 9. 5. den Bericht eines Vertrauensmannes, in dem die Mitteilungen des RWeMin. über die sächs. Polizei weitgehend bestätigt wurden (R 43 I /2307 , Bl. 300). Die Frage wird weiterverfolgt in einem Schreiben Oesers an Zeigner vom 9. 6. (Dok. Nr. 186).

1. Nach ihrem oben kurz berührten Wesen zielt die kommunistische Partei offenkundig darauf ab, die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reichs zu untergraben. Es könnte darum § 7 Abs. 1 Ziffer 4 und § 14 des Reichsgesetzes zum Schutze der Republik8 wohl gegen sie angewendet werden. Insbesondere wird es möglich sein, Sonderbildungen innerhalb der kommunistischen Partei von besonderer Gefährlichkeit, wie z. B. kommunistische Hundertschaften aufgrund des § 14 zu verbieten und aufzulösen9, mit der Folge, daß, wer sich an ihnen oder Ersatzvereinigungen weiter beteiligt oder sie unterstützt, nach § 19 strafbar ist. <Die Preußische Staatsregierung ist hierin in dankenswerter Weise mit einer m. E. durchaus zutreffenden Begründung vorangegangen10. Gleiches Vorgehen halte ich überall für[499] geboten11.> Versagt sich eine Landesregierung dem Verlangen der Reichsregierung nach solchem Vorgehen gemäß § 14 des Schutzgesetzes, so ist der Weg zur Entscheidung des Staatsgerichtshofes offen.

8

RGBl. 1922, I, S. 585  ff.

9

In dieser Form aufgrund einer handschriftlichen Korrektur Kempners; ursprünglich: „Wennschon die Auflösung der ganzen Partei aus politischen Gründen unzweckmäßig ist – ein Grundsatz, der m. E. allgemein gilt –, so können doch Sonderbildungen innerhalb der kommunistischen Partei von besonderer Gefährlichkeit, also kommunistische Hundertschaften. aufgrund des § 14 verboten und aufgelöst werden mit der Folge …“

10

Aufgrund des § 14 Abs. 2 des Republikschutzgesetzes hatte Severing am 12. 5. die Auflösung und das Verbot der proletarischen Hundertschaften ausgesprochen. Die Verfügung wurde mit entspr. Ausführungsanordnungen an die Polizeibehörden veröffentlicht im MinBlatt des PrIMin. 1923, S. 520, außerdem im Deutschen Reichs- und Pr. Staatsanzeiger Nr. 110 vom 14. 5.; die Begründung ebd. in Nr. 111 vom 15. 5. Einen Abdruck der Verfügung mit Begründung sandte Severing am 12. 5. dem RK zu (R 43 I /2730 , Bl. 144 f.).

11

Von Hamm handschriftlich eingefügt.

2. In der Tätigkeit der kommunistischen Partei und ihrer Mitglieder wird nicht selten eine ein hochverräterisches Unternehmen vorbereitende Handlung zu erblicken sein, die nach § 86 des Strafgesetzbuchs strafbar ist; bei manchen Mitgliedern könnte wohl auch, wenn schon naheliegende außenpolitische Gründe dagegen bestehen, an die Anwendbarkeit des § 84 gedacht werden12. Da der Oberreichsanwalt zur Strafverfolgung zuständig ist, steht der Reichsregierung unmittelbarer Einfluß zu.

12

§ 84 StGB bedroht denjenigen mit Strafe, „welcher zur Vorbereitung eines Hochverrats entweder sich mit einer auswärtigen Regierung einläßt oder die ihm von dem Reich oder einem Bundesstaate anvertraute Macht mißbraucht oder Mannschaften anwirbt oder in den Waffen einübt.“

3. Artikel 15 der Reichsverfassung gibt der Reichsregierung erhebliche Rechte der Reichsaufsicht mit der Folge, daß bei Meinungsverschiedenheiten der Staatsgerichtshof entscheidet.

Ich halte für geboten, daß von diesen Handhaben gerade gegenüber der kommunistischen Gefahr ein kräftiger Gebrauch gemacht wird. Was an rechtlichen Befugnissen allenfalls fehlen sollte, wird durch stärkere politische Beeinflussung nach Möglichkeit zu ersetzen sein. Zunächst wird es darauf ankommen, sinnfällig den festen Entschluß zu zeigen, gegen die kommunistische Gefahr vorzugehen. Dazu bedarf es sowohl für die Tätigkeit des Oberreichsanwalts, wie für die Handhabung der der Reichsregierung nach dem Schutzgesetz zustehenden Befugnisse auf dem Gebiete der Vereinsauflösung und des Druckschriftenverbots einer ausgedehnten Unterrichtung, der unleugbar große Schwierigkeiten entgegenstehen, zumal die Unterhaltung eines Geheimagentendienstes ohne Vorwissen der Landesregierung mit der grundsätzlichen Einstellung des Kabinetts über das Verhältnis zu den Ländern nicht übereinstimmt. Es wird daher weiterhin getrachtet werden müssen, die notwendige Unterrichtung des Oberreichsanwalts und der Reichsregierung von Vorgehen solcher Art bei den Landesregierungen zu erreichen und ergänzend im Reichsministerium des Innern selbst die gesamte kommunistische Presse zu beobachten und auch im Benehmen mit den Landesregierungen eine entsprechende Beobachtung anderer Vorgänge einzurichten. Zur Einleitung weiterer Schritte möchte ich in Aussicht nehmen, an die sämtlichen Landesregierungen ein Rundschreiben zu erlassen, das die staatsgefährlichen Bestrebungen der kommunistischen Partei kurz schildert, den festen Willen der Reichsregierung zu deren geeigneter Bekämpfung zum Ausdruck bringt und die Mitwirkung der Landesregierungen in bestimmter Weise in Anspruch nimmt13.

13

Vgl. das Rundschreiben des RK an die Landesregierungen vom 18. 6. (Dok. Nr. 196). Am 11. 5. hatte der RIm die Landesregierungen bereits in einem Rundschreiben darauf hingewiesen, „daß überhaupt Versammlungen verboten werden können, zu denen die Teilnehmer bewaffnet oder unfriedlich erscheinen (Art. 123 der RV), oder wenn bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis rechtfertigen, daß in den Versammlungen Erörterungen stattfinden, die den Tatbestand einer der in §§ 1 bis 8 des Gesetzes zum Schutze der Republik bezeichneten strafbaren Handlung bilden (§ 14 Abs. 1, a.a.O.). Ferner können selbstverständlich Versammlungen verboten werden, die den Strafgesetzen zuwiderlaufen, also z. B. solche, in denen hochverräterische Pläne (Änderung der bestehenden Verfassung durch Gewalt – §§ 81 Ziff. 2, 85, 86 StGB) erörtert werden sollen.“ (R 43 I /2669 , Bl. 314).

[500] Dabei wäre meines Erachtens besonders noch darauf hinzuweisen, daß die internationalen Meetings der Kommunisten, die in letzter Zeit immer mehr nach Deutschland gelegt wurden – siehe Frankfurter Tagung –14 zu verhindern sind, wie es Bayern und Württemberg in richtiger Würdigung der aus solchen internationalen Tagungen entstehenden Gefahren schon getan haben.

14

Die internationale Konferenz des europäischen Proletariats, die auf Einladung des 23er Ausschusses der rheinisch-westfälischen Betriebsräte vom 17. – 20. 3. in Frankfurt tagte, hatte in einem Manifest u. a. den Sturz der Regierung Cuno und die Bildung einer revolutionären Arbeiterregierung gefordert (vgl. die ‚Rote Fahne‘ vom 23. 3.). Kuenzer berichtete ausführlich über die Beschlüsse dieser Konferenz in seinem Bericht über die kommunistische Bewegung vom 30. 4. (R 43 I /2669 , Bl. 269-277).

Nicht zuletzt halte ich strengste Handhabung der Einreisebestimmungen gegenüber kommunistischen Agitatoren für dringend notwendig, wobei den vom Reichsministerium des Innern zu vertretenden Gesichtspunkten der öffentlichen Ordnung in weitestem Umfang zu entsprechen ist15.

15

Der RIM hatte dem AA mit Schreiben vom 11. 5. erneut seine schweren Bedenken gegen die Einreise russ. Kommunisten vorgetragen. „Die KPD beabsichtigt gegenwärtig eine erhöhte Propaganda- und Agitationstätigkeit und die Veranstaltung sog. Meetings unter Beteiligung ausländischer Redner. Ich darf erneut darum bitten, russischen Kommunisten nur in den Fällen Einreisegenehmigungen zu erteilen, wo dies mit Rücksicht auf unsere politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Rußland unbedingt notwendig erscheint, alle Ein- oder Durchreiseanträge anderer ausländischer Kommunisten aber grundsätzlich abzulehnen. Ich halte derartige Maßnahmen für unbedingt geboten, um die Gefahren, die dem deutschen Staatswesen aus dem Vorgehen der Kommunisten drohen, abzuwenden.“ (R 43 I /2669 , Bl. 313 f.). Am 28. 5. weist der RK den RAM auf die Meldungen hin, nach denen russ. Agenten die Unruhen im Ruhrgebiet geschürt, z. T. sogar geleitet haben sollen, und fährt fort: „Es sind bereits Maßnahmen getroffen, um jeden Gefahr bringenden oder auch nur unerwünschten Zuzug aus dem unbesetzten ins besetzte Gebiet zu verhindern. Die Lage erheischt aber gebieterisch, solchen Zuzug vom Osten schon nach dem unbesetzten Gebiet mit allen Mitteln hintanzuhalten. Es wird meines Erachtens unumgänglich sein, die Konsulate und sonstigen in Frage kommenden auswärtigen Dienststellen nachdrücklichst telegrafisch anzuweisen, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln solchen Zuzug unmöglich zu machen. Durch rigoroses Handhaben der Paßvorschriften, scharfe Beobachtung und rechtzeitige Meldung an die hiesigen Dienststellen wird hier viel erreicht werden können.“ (R 43 I /2669 , Bl. 334). Daraufhin weist der RAM die dt. Botschafter in Moskau, Warschau, Riga und Prag an, die „Einreise verdächtiger Persönlichkeiten zu verhindern und soweit dies im Einzelfall nicht möglich, rechtzeitig Meldung zu erstatten.“ In einem Begleitschreiben an den RK vom 29. 5. betont v. Rosenberg: „Die Russische Regierung hat dem Botschafter wiederholt zugesichert, daß sie den kommunistischen Unruhen im Ruhrgebiet nicht nur fernstehe, sondern sie durchaus mißbillige.“ (R 43 I /2670 , Bl. 21 f.). Der Bitte des AA, konkretes Material über die aktive Beteiligung russ. Kommunisten an den Unruhen im Ruhrgebiet beizubringen, vermag das RIMin. jedoch nicht zu entsprechen, da die diesbezüglichen Meldungen sich als falsch erweisen. Litwinow und Tschitscherin hatten dem dt. Botschafter in Moskau gegenüber die dt. Behauptungen als haltlos zurückgewiesen, so daß das AA mit besonderem Nachdruck um authentisches Material ersuchte (R 43 I /2670 , Bl. 43 f.).

Ich halte für geboten, über diese Dinge zunächst im Kabinett volle Übereinstimmung zu sichern und ersuche daher um eine gefällige kurze Aussprache der Herren Reichsminister des Auswärtigen, der Justiz und des Innern mit mir über diese Fragen16.

16

Am 2. 6. kommt es zu einer Besprechung Hamms mit Oeser, Kuenzer und Heinze, über die Hamm dem RK berichtet (s. Dok. Nr. 179).

<Der kommunistische Aufruhr im Westen des Reichs verstärkt die im vorstehenden dargelegte Notwendigkeit sofortigen Eingreifens, so daß ich bitte, die erforderlichen Maßnahmen umgehend vorzubereiten>17.

17

Handschriftlich von Hamm angefügt.

C[uno]

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