2.141.1 (feh1p): 1. Außerhalb der Tagesordnung: Presseangriffe gegen den Reichsfinanzminister

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1. Außerhalb der Tagesordnung: Presseangriffe gegen den Reichsfinanzminister

Reichsminister Wirth teilt mit, daß in mehreren Presseorganen, so insbesondere in der Täglichen Rundschau und in der Kölnischen Zeitung, heftige Angriffe gegen ihn geführt würden, die auf eine einheitliche Stelle in Berlin zurückzuführen seien2. Es würde ihm insbesondere vorgeworfen, daß er sich als Diktator geriere und in der Frage der Beamtenzulagen keine Rücksicht auf die Psychologie der Beamten nähme3. Diese Angriffe seien für die Zentrumspartei auf die Dauer nicht erträglich. Er bitte die Minister, die der Deutschen Volkspartei angehörten, mit den in Betracht kommenden Stellen Fühlung zu nehmen, damit die gekennzeichneten Angriffe eingestellt würden. Für seine Person sehe er sich genötigt, in der Öffentlichkeit eine Erklärung abzugeben, daß die in einem Teil der Presse enthaltenen Darstellungen über das Zustandekommen der Beschlüsse über die Beamtenzulagen unrichtig seien sowie daß maßgebende Herren der Deutschen Volkspartei ursprünglich nicht einmal die Kinderzulagen hätten gewähren wollen. Es würde ferner in der Presse ausgeführt, daß ein Fachmann, nicht ein Parteimann das Amt des Finanzministers führen müsse4. Er sehe sich genötigt, bereits jetzt mitzuteilen, daß er nach Weihnachten den Kampf gegen dieses Vorgehen der Presse aufnehmen werde.

2

Sowohl die „Tägliche Rundschau“ als auch die „Kölnische Zeitung“ waren Blätter, die der DVP nahestanden.

3

Es handelte sich dabei um die Gewährung von Teuerungszuschlägen an die Beamten.

Der RFM hatte statt einer allgemeinen Erhöhung der Teuerungszuschläge der Beamten lediglich eine Erhöhung der Teuerungszuschläge zu den Kinderzuschlägen in den höheren Ortsklassen zugestanden. Das Kabinett hatte den Vorschlägen des RFM in zwei Kabinettssitzungen zugestimmt.

Vgl. Dok. Nr. 116, P. 6 und Dok. Nr. 130, P. 11.

4

Die Ablösung von RFM Wirth und die Besetzung des RFMin. mit einem sogenannten „Fachmann“ war eine alte Forderung der DVP. Sie war schon bei den Verhandlungen über die Kabinettsbildung erhoben worden. Vgl. dazu Dok. Nr. 2.

Reichsminister Heinze bittet den Minister Wirth, derartige Presseangriffe nicht zu tragisch zu nehmen.

Reichsminister Scholz bittet den Minister Wirth, von Maßnahmen abzusehen, durch die Äußerungen einzelner Kabinettsmitglieder, die im Kabinett[362] gefallen seien, außen bekannt würden. Er empfehle, daß, bevor eine Erklärung in der Öffentlichkeit erfolge, versucht würde, eine Auseinandersetzung zwischen den Fraktionsführern des Zentrums und der Deutschen Volkspartei herbeizuführen.

Reichsminister Wirth: Die Erregung in der Zentrumspartei über die Presseangriffe sei groß, es müsse dem sofort ein Ende gemacht werden. Er habe dem Abgeordneten Stresemann mitgeteilt, daß er dem Reichskanzler bereits im Juni d. Js. geschrieben habe, daß er gern bereit sei zurückzutreten, wenn seine Person dem Kabinett Schwierigkeiten bereite5. Trotz dieser Mitteilung an den Abgeordneten Stresemann seien die Angriffe fortgesetzt worden.

5

Zu dem Rücktrittsangebot Wirths bei den Verhandlungen zur Kabinettsbildung im Juni 1920 s. Dok. Nr. 2, Anm. 7.

Der Herr Reichskanzler: Es könne zweifelhaft sein, ob die beabsichtigte Erklärung des Reichsministers der Finanzen zweckmäßig sei. Anderseits sei die durch die ständigen Presseangriffe hervorgerufene Erregung begreiflich. Die Angriffe richteten sich nicht nur gegen die Person des Ministers, sondern auch gegen seine Partei. Da die Regierung eine Koalitionsregierung sei, müsse auch die Parteipresse hierauf die nötige Rücksicht nehmen.

Reichsminister Heinze: Er wolle offen aussprechen, daß die Mißstimmung innerhalb der Deutschen Volkspartei sich nicht gegen das Zentrum, sondern gegen die Person des Reichsministers der Finanzen richte. Dies sei in der Pressekampagne zum Austrag gekommen, brauche aber nicht tragisch genommen zu werden.

Reichsminister Giesberts hält es für zweckmäßig, wenn eine gemeinsame Erklärung der drei Koalitionsparteien abgegeben würde.

Der Herr Reichskanzler hält diese Anregung für gut, aber solche Erklärung sei zur Zeit noch nicht unbedingt erforderlich.

Der Herr Reichskanzler stellt die Auffassung des Kabinetts dahin fest, daß die Minister Heinze und Scholz innerhalb ihrer Partei und Parteipresse die notwendigen Schritte tun sollen, um solchen Angriffen in Zukunft vorzubeugen.

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