1.119.1 (lut2p): [Eintritt in den Völkerbund, Frage des dt. Ratssitzes]

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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[Eintritt in den Völkerbund, Frage des dt. Ratssitzes]

Der Reichskanzler berichtet über die Entwicklung der Völkerbundsratsfrage. Mehrere Mächte schienen jetzt die Erlangung eines Ratssitzes ernsthaft zu betreiben. Am wichtigsten seien für uns in diesem Zusammenhang zunächst Polen und Spanien.

Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß wir unter keinen Umständen in den Völkerbund eintreten, wenn wir nicht gleichzeitig einen Ratssitz erhielten. Zur Erörterung stehe, wie wir uns zu verhalten hätten, wenn etwa andere Mächte, womöglich gleichzeitig mit uns, einen Ratssitz erhalten sollten. Der Außenminister und er, der Kanzler, seien der Ansicht, daß, wenn Polen etwa einen Ratssitz bekommen sollte, für uns eine völlig andere Lage geschaffen sei2. Ein polnischer Ratssitz sei für Deutschland unerträglich. Die Gründe dafür könne man natürlich im Völkerbund nicht aussprechen. Daher seien der Außenminister[1116] und er der Ansicht, man müsse den formalen Gesichtspunkt des Verfahrens in den Vordergrund schieben. Wir müßten daher auf jeden Fall verlangen, daß zunächst wir allein einen Ratssitz erhielten. Wenn dann nach uns, vielleicht auf der gleichen Tagung, auch Spanien einen Ratssitz haben wolle, so könne Deutschland wohl dafür stimmen, nicht aber bei Polen.

2

Vortr. LegR v. Dirksen hierzu in einer Aufzeichnung vom 9. 2.: Dem AA zugegangene vertrauliche Mitteilungen hätten ergeben, „daß nicht nur Chamberlain sich durch Briand in Paris zur Unterstützung der polnischen Ansprüche hat überreden lassen, sondern daß auch das Foreign Office diese Ansprüche unterstützt“. Diese „Eingliederung Englands in die propolnische Front“ bedeute einen „schweren Schlag für die deutsche Politik“: Durch Polens Einzug in den Völkerbundsrat werde „ein fast unüberwindliches Hindernis für unsere Grenzwünsche“ entstehen; denn „indem Polen in dieser Weise als Großmacht anerkannt wird, liegt darin auch eine gewisse Verpflichtung, es in seinen jetzigen Grenzen aufrechtzuerhalten“ (ADAP, Serie B, Bd. I, 1, Dok. Nr. 90).

Es sei beabsichtigt, eine Instruktion in diesem Sinne an die Botschafter v. Hoesch und Sthamer zu schicken.

Nach weiterer Erörterung erklärte sich der Ministerrat mit dem vom Reichskanzler dargelegten Verfahren einstimmig einverstanden3.

3

An die Botschafter ergeht entsprechende Weisung Stresemanns in Telegrammen vom 12. 2. (ebd. Dok. Nr. 95, dort auch Anm. 6). Über das Ergebnis dieser Demarchen s. die Berichte Hoeschs und Sthamers vom 13. und 15. 2. (ebd. Dok. Nr. 99 und 101).

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