1.130.1 (lut2p): 1. Vertrag mit Rußland.

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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1. Vertrag mit Rußland.

Der Reichsminister des Auswärtigen berichtete, daß bereits im vorigen Jahre Verhandlungen mit Rußland wegen Festlegung der freundschaftlichen Beziehungen beider Länder gepflogen worden seien1. Die Russen drängten jetzt auf Abschluß eines entsprechenden Vertrages. Für diesen Vertrag sollen folgende Gesichtspunkte maßgebend sein:

1

Über Entwicklung, Stand und Inhalt der dt.-sowj. Vertragsverhandlungen, deren Anfänge bis in den Dezember 1924 zurückreichen, s. die zahlreichen einschlägigen Dokumente in: ADAP, Serie B, Bd. II, 1. Einige Aufzeichnungen des RAM über Besprechungen mit Tschitscherin, Litwinow und Krestinski in: Stresemann, Vermächtnis, Bd. II, S. 511 ff. Eine ausführliche, aus den Akten des AA gearbeitete Darstellung gibt Walsdorff, Westorientierung und Ostpolitik, S. 157 ff.

1.

beide Länder verpflichten sich für den Fall des Angriffs auf ihr Gebiet durch einen Dritten zur gegenseitigen Neutralität,

2.

beide Länder erklären, niemals an einer Koalition teilnehmen zu wollen, die einen wirtschaftlichen oder finanziellen Boykott eines der beiden Länder zum Zweck hat oder zum Zweck haben kann.

Dieser Vertrag solle eingeleitet werden durch allgemeinere Erklärungen über freundschaftliches Zusammenarbeiten und Verständigungsbereitschaft in allen die beiden Länder berührenden Fragen. Begleitet werden solle der Vertrag von einem Schlußprotokoll, in dem Deutschland Stellung nehmen werde zu der Situation, die sich durch den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund ergeben wird.

Der Reichsminister des Auswärtigen verlas den Wortlaut dieses Schlußprotokolls2.

2

Die hier behandelten dt. Entwürfe des Vertragstexts und des Schlußprotokolls sind abgedr. in: ADAP, Serie B, Bd. II, 1, Dok. Nr. 66.

Gegen den Inhalt sei nichts einzuwenden. Die Bedeutung des Vertrages könne besonders auch innenpolitisch eine sehr große sein. Die Rechte werde der Regierung nicht mehr vorwerfen können, die Außenpolitik einseitig orientiert zu haben3. Es sei beabsichtigt, den Vertrag nach Zustandekommen zu veröffentlichen.[1154] Der endgültige Abschluß werde noch längere Zeit auf sich warten lassen. Er bitte um die Ermächtigung, auf der Grundlage des vorliegenden Entwurfs in die Verhandlungen mit Rußland eintreten zu dürfen. Über den Verlauf der Verhandlungen werde er das Kabinett informieren4.

3

Den Vorwurf einseitiger Westorientierung hatte Graf Westarp in der Locarno-Debatte des RT am 24.11.25 erhoben. Er hatte hinzugefügt: „Nach Osten weist uns – und das ist ja alte, ich darf sagen: konservativ-preußische Politik, das ist die Politik Bismarcks – nach Osten weist uns unser politisches Interesse, nach Osten weist uns bei der gegenwärtigen Lage des Weltmarktes auch das wirtschaftliche Interesse.“ (RT-Bd. 388, S. 4496 ).

4

S. die Ausführungen des StS v. Schubert in der Kabinettssitzung am 12. 4. (Dok. Nr. 330, P. 2).

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß dieses Stadium bereits die dritte Stufe der Verhandlungen mit Rußland darstelle. Zunächst habe Deutschland versucht, die Angelegenheit durch Abgabe einer kurzen Erklärung zu erledigen. Diese Erklärung habe Rußland nicht gebilligt. Dann sei es zu einem größeren Protokoll gekommen, aber auch das genügte Rußland nicht, Rußland wünsche einen Vertrag.

Der Reichsminister des Auswärtigen ergänzte noch, daß die Verhandlungen zunächst zwischen Gaus und Krestinski geführt werden sollen.

Der Reichswirtschaftsminister fragte, ob andere Mächte von der Tatsache dieser Verhandlungen informiert werden sollen.

Der Reichsminister des Auswärtigen verneinte die Frage.

Der Reichswehrminister war der gleichen Auffassung. Die Verhandlungen sollten rein geschäftsmäßig weitergeführt werden. Die praktische Bedeutung eines derartigen Vertrages sei ja auch im Augenblick gering, da militärisch hinter Rußland auf Jahre hinaus nichts stehe.

Der Reichsminister des Auswärtigen bestätigte diese Auffassung. Der Wert des Vertrages sei mehr negativ, da er verhindere, daß sich Rußland Deutschland gegenüber feindselig einstelle.

Es wurde daraufhin die von dem Reichsminister des Auswärtigen erbetene Ermächtigung erteilt.

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