2.193.3 (ma11p): 3. Russischer Zwischenfall.

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3. Russischer Zwischenfall.

Der Reichsminister des Auswärtigen weist darauf hin, daß der Zwischenfall in der russischen Handelsvertretung4 bedauerlicherweise eine starke politische Wirkung ausgeübt habe. Tschitscherin habe dem Grafen Rantzau gegenüber die Vermutung geäußert, Deutschland habe sich als Gegengabe für die Annahme der Reparationsgutachten seitens der alliierten Mächte zum Bruch mit Rußland verpflichtet. Er, der Außenminister, beabsichtige, Rußland ein Schiedsgericht anzubieten. Im übrigen werde er von dem vorgefundenen Propagandamaterial den Russen gegenüber entsprechenden Gebrauch machen, die ganze Angelegenheit aber so zu behandeln suchen, daß unsere Beziehungen zu Rußland nicht ernsthaft gefährdet würden5. Unerhört sei, daß ihm heute noch kein Bericht der preußischen Polizeiorgane über den tatsächlichen Vorgang zugegangen sei6.

4

Vgl. Dok. Nr. 191, P. 3.

5

In einer Note an den sowj. Geschäftsträger Bratman-Brodowski vom 12. 5. stellt der RAM fest, daß der bisherige Notenwechsel zwischen dem AA und der sowj. Botschaft zu einer Beilegung des Zwischenfalls nicht geführt habe. Der RAM schlägt vor, die Klärung der Angelegenheit einem aus Vertretern beider Seiten zusammengesetzten Schiedsgericht zu übertragen. Der RAM weist die Auffassung zurück, daß nur die dt. Seite ein Verschulden treffe. Es dürfe nicht vergessen werden, daß der Ausgangspunkt der Ereignisse am 3. 5. die Flucht eines wegen Hochverrats verfolgten dt. Untersuchungsgefangenen gewesen sei. Andererseits gebe die Dt. Reg. zu, „daß bei der auf die Flucht des dt. Gefangenen folgenden Durchsuchung des Gebäudes von den beteiligten dt. Beamten gegenüber einzelnen exterritorialen russ. Beamten Handlungen vorgenommen worden sind, die objektiv die Vorrechte dieser russ. Beamten verletzten, wenn sich die dt. Beamten auch subjektiv dieser Tatsache nicht bewußt waren. Die Dt. Reg. steht nicht an, wegen dieser Handlungen hiermit ihr Bedauern auszusprechen. Sie zweifelt auch nicht, daß die Pr. Reg. gegenüber den beteiligten Beamten das Erforderliche veranlassen wird.“ Bei der Beurteilung des Zwischenfalles sei aber auch zu berücksichtigen, „daß maßgebende Persönlichkeiten in Rußland offen versucht haben, auf die Entwicklung der innerdeutschen Verhältnisse Einfluß zu nehmen. Diese Tatsache läßt die vielfach in Deutschland bestehende Vermutung verständlich erscheinen, daß sich bei dem großen Personalbestande der Handelsvertretung auch einzelne ihrer Angehörigen in derartige Bestrebungen haben hineinziehen lassen.“ Es sei daher begreiflich, daß die Polizeibehörden der Meldung von der Flucht Bozenhardts in der Handelsvertretung „eine ganz besondere Tragweite beigemessen haben“ (R 43 I /134 , Bl. 62-66). Zu dieser Note vermerkt MinR Kiep am 13. 5.: Das in der Handelsvertretung vorgefundene Material, „das nach Auffassung des AA (GR Hauschild) erheblich dürftiger ist, als vom Polizeipräsidium angenommen, wird absichtlich nicht erwähnt, da es ein schwaches Argument zur Sache bilde. AA rechnet mit Beilegung des Zwischenfalles ohne Schiedsgericht.“ (R 43 I /134 , Bl. 70).

6

Vgl. das Schreiben des RAM an den PrIM vom 6. 5. (Dok. Nr. 194) und dessen Antwort vom 8. 5. (Dok. Nr. 195).

Der Reichsminister des Innern Er habe bestimmte Nachrichten, daß die russische Handelsvertretung der Sitz der hiesigen Tscheka, also einer organisierten Mordzentrale sei.

Nach weiterer Erörterung erklärte sich das Kabinett mit der vom Reichsaußenminister eingenommenen Haltung einverstanden.

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