2.22 (ma11p): Nr. 22 Der Vertreter der Reichsregierung in München an die Reichskanzlei. München, 13. Dezember 1923

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Nr. 22
Der Vertreter der Reichsregierung in München an die Reichskanzlei. München, 13. Dezember 1923

R 43 I /2264 , Bl. 344 f.

Inhalt: Bayern und Reich1.

1

Ein Durchschlag dieses Berichts wurde dem RPräs. übersandt.

In einer heutigen Unterredung besprach ich mit dem Ministerpräsidenten und dem Staatsrat Schmelzle die Beziehungen zwischen Bayern und Reich.

Herr von Knilling war enttäuscht zu hören, daß in der Personalfrage Lossows der Herr Reichswehrminister nach wie vor auf einem unbeugsamen Standpunkt stehe. Er meinte, es sei nach wie vor für die Bayerische Regierung untragbar,[104] Herrn von Lossow, dessentwegen der Konflikt entstanden und vor den sich die Bayerische Regierung gestellt habe, jetzt etwa fallen zu lassen2. Verschärft sei dieser Konflikt dadurch, daß das Reichswehrministerium die bayerischen Offiziere bei der Beförderung übergehe3. Es sei ihm geraten worden, diese Offiziere von bayerischer Seite aus zu befördern, jedoch habe er von einem derartigen Schritt bisher abgesehen, um die Lage nicht weiter zuzuspitzen. Er sehe aber beim besten Willen nicht ein, wie man zu einer Verständigung kommen könne, solange die Personalfrage Lossow in Berlin in den Vordergrund gestellt und in unversöhnlichem Sinne behandelt würde.

2

Am 19.10.23 war der Befehlshaber der 7. (bayer.) Division, Genlt. v. Lossow, durch den RWeM vom Dienst enthoben worden. Daraufhin hatte die bayer. Regierung v. Lossow als bayer. Landeskommandanten bestätigt, ihn mit der Weiterführung der bayer. Division beauftragt und am 22. 10. die Reichswehr in Bayern bis zur Wiederherstellung des Einvernehmens zwischen Bayern und Reich in Pflicht nehmen lassen. Bayer. Aktenstücke zum „Fall Lossow“ in: Ernst Deuerlein, Der Hitlerputsch; ferner: Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur dt. Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 305 ff.

3

Das RWeMin. hatte die Beförderung der bayer. Offiziere seit ihrer Inpflichtnahme durch die bayer. Regierung gesperrt.

Im übrigen war er mit dem Gedanken, sich mit dem Herrn Reichskanzler zu treffen und den ganzen Fragenkomplex durchzusprechen, durchaus einverstanden. Im Laufe der kommenden Woche würde voraussichtlich die hier in der Ausarbeitung befindliche Denkschrift über die bayerischen Wünsche fertiggestellt sein4. Er hielte es für zweckmäßig, daß der Inhalt dieser Denkschrift zunächst in Berlin erwogen und bearbeitet würde, um für die Zusammenkunft von vornherein eine gemeinsame Basis zu schaffen. Die Zusammenkunft könne dann nach Weihnachten, etwa im Anfang Januar stattfinden. Als Ort der Zusammenkunft schlug er Oberhof in Thüringen vor. In Bamberg seien die Unterkunftsverhältnisse recht ungünstig.

4

S. hierzu Dok. Nr. 63, P. 1.

Im Verlauf der Unterredung wurde betont, daß eine der dringendsten Fragen die der Finanzen sei. Nachdem das Reich die Zuschüsse an die Länder eingestellt habe, müßten unbedingt sofort den Ländern Geldquellen erschlossen werden.

Es wurde ferner hervorgehoben, daß es zur Erzielung einer Verständigung wesentlich darauf ankomme, daß von vornherein die richtige Atmosphäre geschaffen würde. Die Wünsche Bayerns würden keineswegs übertrieben erscheinen, wenn man sie im Lichte der Bismarckschen Reichsverfassung betrachte. Wenn Bayern und Reich sich bezüglich dieser Wünsche einig seien, so würden auch die übrigen Länder keine Schwierigkeiten machen können.

Mein Eindruck aus dieser Unterredung wie aus sonstigen Äußerungen und Anzeichen ist der, daß man hier in maßgebenden Kreisen eine Einigung mit der Reichsregierung dringend wünscht, daß man indessen aus Prestige-Gründen nicht in der Lage ist, in gewissen Punkten, wie z. B. in der Personalfrage Lossow, nachzugeben. Wenn es indessen gelingt, durch Verhandlungen und durch die Zusammenkunft zwischen dem Herrn Reichskanzler und dem Ministerpräsidenten eine materielle Einigung in den wesentlichen Punkten zu erzielen, so wird meiner Ansicht nach die Personalfrage in den Hintergrund treten und leichter zu lösen sein, etwa dadurch, daß Herr von Lossow von anderer[105] Seite bewogen wird, aus dem Dienste auszuscheiden. Allerdings würde es sich darum handeln, daß auch hierin mit Rücksicht auf die hiesige öffentliche Meinung goldene Brücken gebaut und nicht etwa Herrn von Lossow ein ehrenvoller Abschied verweigert wird.

Haniel

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