1.100.1 (ma12p): [Regierungsumbildung.]

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Die Kabinette Marx I und II, Band 2 Wilhelm Marx Bild 146-1973-011-02Reichskanzler Marx vor seinem Wahllokal Bild 102-00392Hochverratsprozeß gegen die Teilnehmer am PutschDawes und Young Bild 102-00258

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[Regierungsumbildung.]

Der Reichskanzler referiert über die bisher gepflogenen Besprechungen1 und teilt seine Absicht mit, eine Regierungserweiterung nach beiden Seiten zu versuchen. Die Erweiterung des Kabinetts dürfe nicht den Eindruck machen, als sei eine Änderung des außenpolitischen Kurses beabsichtigt. Seine Frage an die Deutschnationale Partei gehe dahin, ob sie bereit sei, in ein Kabinett einzutreten, das in dieser Form erweitert würde und die daraus sich ergebende Politik machen werde.

1

Vgl. Dok. Nr. 310 und Nr. 311.

Hergt: Seine Partei habe auf der kürzlichen Vertreterversammlung mit einem Stimmenverhältnis von 10 : 1 beschlossen, sich einem Eintritt in die Regierung nicht zu versagen2. Aber auch die Abgeordneten, die dagegen gewesen seien, hätten keinen Zweifel gelassen, daß sie sich der Majorität fügten, daß also die Partei voll geschlossen hinter der Politik der 9/10-Mehrheit stehen würde. Die erschienenen Unterhändler hätten weitgehende Vollmacht bekommen. Der Versuch des Kanzlers aber, eine Erweiterung des Kabinetts nach rechts und links vorzunehmen, stelle sie vor eine neue Lage, zu der sie sich nicht äußern könnten. Die Sozialdemokratische Partei habe gewisse Fragen gestellt; das würde auch bei seiner Partei zu weiteren Fragen führen, insbesondere über die christliche Kultur und das Schulgesetz.

2

Vgl. Dok. Nr. 310, Anm. 3.

Daß kein Regierungsmitglied die Durchführung der beschlossenen Gesetze hemmen würde, sei selbstverständlich und könne in der Regierungserklärung zum Ausdruck kommen. Auch die Politik mit Frankreich könne so geführt werden, daß drüben zu Anständen keine Veranlassung sein werde; die Franzosen würden aus der geführten Politik den Ernst der Durchführung erkennen. Er bäte aber dringend, in den Verhandlungen der Regierung mit den Parteien sich nicht auf Formeln zu versteifen, die die Lage nur erschweren würden.

Reichskanzler Sein Versuch nach beiden Seiten sei durchaus ernst, wie er auch von der Zentrumspartei gewollt wäre.

Zum Schulgesetz mache er darauf aufmerksam, daß es seinerzeit nicht an den Sozialdemokraten, sondern an den Demokraten gescheitert sei. Im übrigen halte er es für äußerst bedenklich, ein Schulgesetz gegen die Sozialdemokraten zu machen.

[1080] Schiele: Die Absicht des Kanzlers schaffe eine neue Lage. Die heute früh abgegebenen Erklärungen der Sozialdemokratie würfen Fragen auf, die aus dem Praktischen herausführten. Durch diese Fragen könne keine praktische Grundlage geschaffen werden. Zum Washington-Abkommen nehme wohl auch das Kabinett eine andere Stellung ein als die Sozialdemokratie. Generell müsse er sagen, solche Fragen zwängen die Deutschnationalen ihrerseits zu anderen Fragen, wie z. B. zur christlichen Grundlage der Schule, zur Zollgesetzgebung, zum Völkerbund, zur Schuldlüge usw. Mit einem Wort: wenn derartige Fragen ernsthaft an sie gerichtet würden, müßten sie Gegenfragen stellen.

Reichskanzler Es werde wohl im ganzen auf die Formulierung einer Regierungserklärung oder von Richtlinien eines Programms hinauskommen.

Hergt: Wenn man die Sache wolle, so müsse man über Schwierigkeiten hinwegkommen, Theorien aber schafften nur zwecklose Schwierigkeiten. Zur Frage eines Zusammengehens mit den Sozialdemokraten könnten die Unterhändler, wie schon erklärt, keine Stellung nehmen, er bäte aber nochmals, keine theoretischen Fragen aufzuwerfen.

Reichskanzler Ganz ohne theoretische Fragestellung würde es nicht gehen, denn solche Fragen würden auch in der Presse eingehend behandelt.

Graf Westarp: Bei den Mai- und Augustverhandlungen habe es sich nur um eine Erweiterung nach rechts gehandelt, jetzt solle die Basis völlig verändert werden. Auch er warne dringend vor theoretischen Fragen und Formeln und bitte, die Verhandlungen nur auf praktische Einzelfragen abzustellen.

Reichskanzler Er erwähne im Augenblick nur die Außenpolitik. Hierzu müsse eine Erklärung erfolgen.

Hergt und Graf Westarp: Diese Erklärung könne positiv auf die Sachverständigen-Gesetze abgestellt werden.

Schiele: Hier würden wir zur Klarheit kommen. Er bitte, die Frage über ein Zusammenarbeiten mit den Sozialdemokraten gar nicht zu stellen, denn sie müßten voraussichtlich konditionell antworten. Seine Partei sei zu allem bereit, was die Verhandlungen nicht erschwere.

Reichskanzler Er erwarte heute keine entscheidende Antwort. Er werde eine Regierungserklärung aufstellen und die Fraktionen fragen, ob sie bereit seien, zur Führung einer entsprechenden Politik in das Kabinett einzutreten.

Schiele hält die Aufstellung einer formulierten Regierungserklärung für bedenklich; denn wenn dann der Versuch des Kanzlers beispielsweise an der Haltung der Sozialdemokraten scheitere, dann müßte die abzugebende Regierungserklärung anders aussehen.

Hierauf wurde die Besprechung geschlossen.

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