2.226.9 (ma31p): 9. Kapitalertragssteuer und Börsenproblem.

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9. Kapitalertragssteuer und Börsenproblem.

Der Reichsbankpräsident führte aus4, daß in den letzten Wochen bei der Reichsbank vielfach angeregt worden sei, bei der Placierung inländischer Anleihen behilflich zu sein. Z. B. habe u. a. das Land Sachsen sich mit dieser Anregung an die Reichsbank gewandt. Zur Zeit sehe die Reichsbank keine Möglichkeit, im Inlande Anleihen unterzubringen. Im Inlande werde das Geld für das Aktiengeschäft gebraucht. Die Liquidität der Banken sei besonders im Vergleich zur Vorkriegszeit stark zurückgegangen, vornehmlich auch die effektive Kassenhaltung.

4

Zum folgenden vgl. die Berichterstattung des RbkPräs. Schacht über währungs- und finanzpolitische Fragen am 7.3.27: Dok. Nr. 195.

Die Devisenlage der Reichsbank sei gut, hauptsächlich infolge der Auslandsanleihen. Am 31. Dezember 1926 habe der Devisenbestand der Reichsbank 3 Milliarden Mark betragen. Vom 1. Januar 1927 bis jetzt seien ungefähr 700 Millionen Mark an Devisen wieder abgeflossen, hauptsächlich infolge der Senkung des Reichsbankdiskonts5. Der Devisenbestand könne sich vielleicht noch weiter vermindern, so daß man sehr wohl daran denken müsse, daß die Grundlage unserer Währung nur labil sei. Die Grundlage der Währung sei im wesentlichen das Vertrauen des Auslandes. Er (der Reichsbankpräsident) sei der Auffassung, daß der Generalagent6 auf diese Dinge hingewiesen werden müsse. Er müsse für die ganze finanzielle Entwicklung in Deutschland mitverantwortlich gemacht werden. Daher wolle er (der Reichsbankpräsident) Parker Gilbert möglichst bald auf diese Zusammenhänge hinweisen, und zwar bei sich bietender Gelegenheit in zwanglosem Gespräch. Er wolle das jedoch nicht tun, wenn die Reichsregierung hiergegen Bedenken haben sollte.

5

Der Diskontsatz der Rbk war am 11.1.27 von 6 auf 5% gesenkt worden; siehe Dok. Nr. 195, Anm. 22.

6

Generalagent für Reparationszahlungen Parker Gilbert.

Eventuell tauche auch die Frage auf, ob man nicht die Geldbeschaffung im Auslande freigeben und die Kapitalertragsteuer ganz oder jedenfalls für ausländische Gelder beseitigen solle7.

7

Am 4.12.26 war die Kapitalertragssteuerbefreiung für Auslandsanleihen aufgehoben worden; siehe Dok. Nr. 195, Anm. 21.

Es müsse ferner die Frage geprüft werden, ob nicht im Hinblick auf die Mißstände auf dem Aktienmarkt zugegriffen werden müsse8. Vielleicht sei die Frage zu prüfen, ob die Reichsregierung ein Depositengesetz schaffen wolle.

8

Siehe hierzu Dok. Nr. 195, Anm. 40.

Der Reichsminister der Finanzen betonte, daß alle diese Fragen von besonderer Bedeutung seien. Er schlage die umgehende Abhaltung von Ressortbesprechungen[712] vor. Gegen das beabsichtigte Gespräch des Reichsbankpräsidenten mit Parker Gilbert habe er keine Bedenken.

Der Reichswirtschaftsminister wies darauf hin, daß zunächst die Besprechung des Reichsbankpräsidenten mit dem Generalagenten nötig sei, ehe Ressortbesprechungen erfolgen könnten. Diese Besprechung dürfe jedoch lediglich als Besprechung des Reichsbankpräsidenten erfolgen; die Reichsregierung dürfe nicht erwähnt werden.

Auch der Reichsminister des Auswärtigen betonte, daß er gegen die beabsichtigte Besprechung des Reichsbankpräsidenten mit Parker Gilbert keine Bedenken habe.

Der Reichskanzler und der Reichsarbeitsminister vertraten dieselbe Auffassung.

Der Reichskanzler stellte fest, daß der Reichsbankpräsident nunmehr die Stimmung des Reichskabinetts bezüglich des von ihm (dem Reichsbankpräsidenten) beabsichtigten Gesprächs mit Parker Gilbert kenne. Einen formellen Beschluß wolle das Reichskabinett hierüber nicht fassen. Nachdem das Reichskabinett von dem Verlauf der Unterhaltung mit Parker Gilbert9 Kenntnis erhalten habe, sollten möglichst umgehend die Ressortbesprechungen beginnen. Eine möglichst vertrauliche Behandlung der ganzen Angelegenheit sei dringend erwünscht.

9

Siehe die Mitteilungen Schachts an StS v. Schubert über eine Besprechung mit Parker Gilbert in: ADAP, Serie B, Bd. VI, Dok. Nr. 76, S. 158.

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