2.135.1 (mu21p): 1. Stellungnahme zu der Frage des Aufenthalts russischer Politiker in Deutschland.

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1. Stellungnahme zu der Frage des Aufenthalts russischer Politiker in Deutschland.

Staatssekretär Dr. von Schubert trug zunächst den Sachverhalt vor und führte aus, daß das Auswärtige Amt nach wie vor der Ablehnung des Einreisegesuchs zuneige. Da das Gesuch diesmal nicht mehr von der russischen Regierung, sondern von Trotzki persönlich komme1, sei wohl auch keine Verstimmung bei der russischen Regierung der Ablehnung wegen zu erwarten2.

1

Auf Grund einer Äußerung Löbes im RT (RT-Bd. 424, S. 1053 ) hatte Trotzki an ihn ein Einreisegesuch gerichtet, das vom RT-Präs. befürwortend an die RReg. weitergereicht worden war (18.2.29; R 43 I /138 , Bl. 52 f.).

2

Botschafter v. Dirksen hatte inzwischen von der Einreisegenehmigung für Trotzki abgeraten, da die Annahme seiner Bitte im Gegensatz zu der der russischen Regierung als parteiisch betrachtet werde (Telegramm Nr. 162 aus Moskau vom 25. 2.; Ankunft in Berlin am 26. 2.; R 43 I /138 , Bl. 69 f.).

Staatssekretär Dr. von Schubert erklärte sodann, daß er nur für sich persönlich, allerdings mit ausdrücklicher Genehmigung seines Ministers, noch folgendes anführen möchte. Das Einreisegesuch sei angesichts der Krankheit und der schweren persönlichen Bedrohung Trotzkis in der Türkei doch wohl als eine Art von Bitte um Asylrecht anzusehen. Man müsse dabei berücksichtigen, daß auch einer Anzahl von Russen anderer politischer Richtung, z. B. dem ehemaligen Hetman der Ukraine3, dem Großfürsten Kyrill u. a., hier Asyl gewährt werde. Die Hauptschwierigkeit sei wohl darin zu erblicken, daß man[449] Trotzki kaum mehr entfernen können werde, auch wenn er uns Schwierigkeiten mit der Sowjet-Regierung machen sollte.

3

Pawel Skoropadskyj.

Der Reichskanzler teilte mit, daß außer einem Brief des Grafen Westarp namens der deutschnationalen Reichstagsfraktion4 auch eine Mitteilung der bayerischen Staatsregierung durch den Gesandten von Preger an ihn gelangt sei mit der Bitte, das Einreisegesuch abzuschlagen. Angesichts der völlig geteilten Ansicht in den Parteien und in der Presse über diese Frage sprach der Reichskanzler sich für Vertagung der Entscheidung aus.

4

Westarp hatte den Einspruch der DNVP mit den Erfahrungen begründet, die bisher mit russischen Kommunisten gemacht worden seien. Durch Trotzkis Einreise würden Ordnung und Sicherheit in Deutschland gefährdet (21. 2.; R 43 I /138 , Bl. 66).

Nach eingehender Aussprache erklärte das Reichskabinett sich damit einverstanden, daß vor der Entscheidung über das Einreisegesuch Trotzkis genauere Erhebungen in Konstantinopel über seinen Gesundheitszustand und seine weiteren Absichten angestellt werden sollten, und daß ferner eine Mitteilung der preußischen Staatsregierung herbeigeführt werden solle, welche Bedingungen sie gegebenenfalls Trotzki auferlegen wolle, wenn er sich in preußischem Staatsgebiet niederzulassen beabsichtige.

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