2.70.2 (mu21p): 2. Im Reichstag gestellte Anträge betr. Änderung des Ehescheidungsrechts und die Rechtsstellung des außerehelichen Kindes. (Reichstagsdrucksachen Nr. 82, 83, 84, 94 und 113.)

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2. Im Reichstag gestellte Anträge betr. Änderung des Ehescheidungsrechts und die Rechtsstellung des außerehelichen Kindes. (Reichstagsdrucksachen Nr. 82, 83, 84, 94 und 113.)8

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Anträge auf Änderung des Ehescheidungsgesetzes und zur Rechtsstellung des unehelichen Kindes waren seit 1921 wiederholt gestellt worden. Der Rechtsausschuß des RT hatte während der II. Wahlperiode eine Vorlage eingebracht, der zufolge im BGB durch § 1568 a die Zerrüttung der Ehe als Scheidungsgrund aufgenommen werden sollte (RT-Drucks. Nr. 4106 vom 14.3.28, Bd. 422 ). Das Plenum hatte diese Vorlage nicht mehr behandelt. Im neuen RT hatte die SPD Anträge zur Erleichterung der Ehescheidung (RT-Drucks. Nr. 82, Bd. 430 ), zur Rechtsstellung der Frau (RT-Drucks. Nr. 83 , a.a.O.) und zur Rechtsstellung des unehelichen Kindes nach Art. 121 RV (RT-Drucks. Nr. 84 , ebd.) gestellt; in der Drucks. Nr. 94 (a.a.O.) hatte die KPD einen Antrag auf Vereinfachung der Ehescheidung in freiwilliger Gerichtsbarkeit gefordert. Die DDP hatte ein Ehescheidungsgesetz (RT-Drucks. Nr. 113 , a.a.O.) und ein Gesetz über die Rechtsstellung der unehelichen Mutter und des unehelichen Kindes von der RReg. verlangt (RT-Drucks. Nr. 114 , a.a.O.). Am Tag nach dieser Ministerbesprechung stellte die KPD den Antrag, die Bestimmungen des BGB über die Benachteiligung des unehelichen Kindes aufzuheben (RT-Drucks. Nr. 513, Bd. 432 ).

Der Reichsminister der Justiz trug den Sachverhalt vor9. Er wies u. a. darauf hin, daß die im Reichstag gestellten Anträge wegen Schutzes der unehelichen Kinder usw. für die Reichsregierung insofern leicht erledigt werden könnten, als seit dem Jahre 1925 in dem Reichsrat ein Gesetzentwurf über diese Materie mit dem Ziel einer grundsätzlichen Gleichstellung der unehelichen mit den ehelichen Kindern hinsichtlich ihrer Entwicklungsbedingungen gemäß Artikel 121 der Reichsverfassung vorliege. Auf diesen Entwurf könne die Reichsregierung im Plenum des Reichstags verweisen, wenn die Anträge am Mittwoch, dem 28. November, auf die Tagesordnung der Plenarsitzung des Reichstags kämen10.

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Eine Kabinettsvorlage des RJM zu diesen Fragenkreisen wurde in R 43 I nicht ermittelt; jedoch war die Stellung der mit der RReg. verbundenen Parteien zu diesen Problemen am 26. 11. von Wienstein in einem Votum behandelt worden: „a) Da die Demokratische Partei im RT und besonders der RJM Koch-Weser ebenso wie die Sozialdemokratische Partei und ein Teil der Abgeordneten der Deutschen Volkspartei sich schon seit langem lebhaft für eine Abänderung der geltenden Vorschriften über Ehescheidung mit dem Ziel einer Erleichterung der Scheidung einsetzen, wird eine Erörterung dieses Problems im jetzigen RT und insbesondere im Rechtsausschuß sich nicht vermeiden lassen. Das Zentrum dürfte den Bestrebungen der drei genannten Parteien ablehnend gegenüberstehen. Vielleicht ist es jedoch nicht unmöglich, daß das Zentrum gewissen Abänderungen zustimmt. Die RReg. als solche wird zweckmäßigerweise mit einer sachlichen Stellungnahme möglichst lange zurückhalten. – b) [Die RReg. soll auf den GesEntw. zur Stellung des unehelichen Kindes hinweisen, der seit 1925 dem RR vorliegt.]“ Der Referentenvortrag trägt die Paraphe des RK (R 43 I /1219 , Bl. 349).

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In der Debatte, die am 30. 11. und 1. 12. im RT stattfand, gab der RJM seine Erklärung am ersten Tag ab und wies darauf hin, daß der RR am Vortag den GesEntw. über die Stellung des unehelichen Kindes verabschiedet habe (RT-Bd. 423, S. 570 ).

Schwieriger sei die Situation wegen der Anträge bezüglich Neuregelung des Ehescheidungsrechts. Er, der Reichsminister der Justiz, habe über diese Materie eine Vorlage in seinem Ministerium ausarbeiten lassen, sie jedoch nach[239] Rücksprache mit dem Herrn Reichskanzler und dem Herrn Reichsverkehrsminister dem Reichskabinett noch nicht zugeleitet11. Da er persönlich als Abgeordneter sich früher immer lebhaft für eine Neuregelung des Ehescheidungsrechts eingesetzt habe, würde es ihm am allerliebsten sein, wenn er die Vorlage nunmehr dem Kabinett zur Beschlußfassung unterbreiten könne. Vielleicht könne er als Reichsminister der Justiz am 28. November im Reichstag erklären, daß er grundsätzlich die Reformbedürftigkeit der Materie anerkenne und die Vorlage des Reichsjustizministeriums als Material dem Rechtsausschuß zuleiten wolle12.

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Allerdings hatte Koch-Weser noch am 10.9.28 vermerkt: „Nun kommt als neue Schwierigkeit noch die Frage der Ehescheidungsreform. Ich kann von dieser Reform nicht lassen. Das Zentrum will sie unter keinen Umständen. Das ist sehr unklug, weil es sich nicht dauernd widersetzen kann und viel besser daran täte, die Sache schon vor dem offiziellen Eintritt des Zentrums in die Regierung und erst recht vor der Übernahme des Justizministeriums durch einen Zentrumsmann über die Bühne laufen zu lassen. Jedenfalls kann ich mit der Vorlage nicht warten und bringe sie demnächst ins Kabinett und will mein Verbleiben davon abhängig machen, daß man mir keinen Aufschub zumutet. Schließlich ist es unter Umständen auch besser, hinauszugehen als sich hinausnötigen zu lassen“ (BA: Nachlaß Koch-Weser  37).

12

Vgl. Dok. Nr. 172, P. 6.

Der Reichskanzler erklärte sich mit diesem Vorschlage einverstanden.

Der Reichsverkehrsminister erklärte, er würde es am liebsten sehen, wenn die Anträge bezüglich Neuregelung des Ehescheidungsrechts am 28. November ohne Debatte dem Rechtsausschuß überwiesen würden.

Eine Erklärung des Reichsministers der Justiz möge nur dann erfolgen, wenn ihre Abgabe nötig sei.

In der Erklärung werde wohl besser davon gesprochen, daß Vorarbeiten des Reichsjustizministeriums sich dem Abschluß genähert hätten. Diese Vorarbeiten sollten als Material dem Rechtsausschuß überwiesen werden.

Im übrigen habe er keine Bedenken dagegen, daß der Reichsminister der Justiz erkläre, er erkenne als Ressortminister grundsätzlich die Reformbedürftigkeit des Ehescheidungsrechts an.

Der Reichsminister der Justiz erklärte sich mit diesen Vorschlägen einverstanden.

Auch der Reichskanzler und die übrigen Reichsminister stimmten ihnen zu.

Gegen den Vorschlag des Reichsministers der Justiz bezüglich der im Reichstag gestellten Anträge wegen der Rechtsstellung des außerehelichen Kindes auf dem Reichsrat seit 1925 vorliegenden Gesetzentwurf zu verweisen, dessen Grundgedanken die Reichsregierung zustimmen könne, erhob sich kein Widerspruch13.

13

Für die RReg. brachte Koch-Weser einen entsprechenden GesEntw. ein (RT-Drucks. Nr. 733, Bd. 433 ), der am 4.2.29 an den Rechtsausschuß überwiesen wurde (RT-Bd. 423, S. 1024 ).

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