2.64.3 (wir1p): 3. Hilfsaktion für Rußland.

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3. Hilfsaktion für Rußland.11

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Unter der Überschrift „Rußland im Hungeraufruhr“ berichtet der „Vorwärts“ am 2. 8. in mehreren WTB-Meldungen von einer während einer Hungersnot in Rußland aufgetretenen Cholera-Epidemie und amerikanischen Hilfsmaßnahmen und am 3.8.21 über eine deutsche Hilfsaktion (Vorwärts Nr. 360 und 362). – Schon Mitte Juli 1921 hatte der russische Dichter Maxim Gorki in einem telegraphischen Notruf an Gerhart Hauptmann auf die Hungerkatastrophe in Rußland aufmerksam gemacht: „Note an alle ehrlichen Menschen. Die weiten Steppen in Ostrußland haben infolge einer noch nie dagewesenen Trockenheit eine Mißernte erlitten. Durch dieses Unglück droht Millionen der russischen Bevölkerung der Hungertod. Ich erinnere daran, daß das russische Volk infolge des Krieges und der Revolution sehr erschöpft ist und daß seine physische Widerstandskraft geschwächt ist. Dem Lande Leo Tolstois, Dostojewskis, Menschedeljews, Pawlows, Mussorgskis, Glinkas und anderer der ganzen Welt teuren Menschen nahen drohende Tage. Ich wage nun zu glauben, daß die Kulturmenschen Europas und Amerikas, welche die tragische Lage des russischen Volkes verstehen, ihm ehestens mit Brot und Medikamenten helfen werden. – Wenn der Glaube an die Humanität und das Gefühl, der durch den verfluchten Krieg und durch das grausame Verhalten der Sieger gegenüber den Besiegten so tief erschüttert worden ist, wenn, sage ich, der Glaube an die schöpferische Kraft dieser Ideen und an das Gefühl der Sieger in Frage gestellt werden muß und kann, so gibt das Unglück Rußlands den Vertretern der Humanität eine glänzende Gelegenheit, die Lebensfähigkeit ihrer Ideen zu zeigen. – Ich glaube, daß besonders warmen Anteil an der Hilfsaktion für das russische Volk jene Leute zu nehmen hätten, die nach schmachvollen, so leidenschaftlichen Kriegsjahren die Menschen aufeinander hetzen und mit diesem Hetzen die schöpferische Bedeutung der Schönheit der Ideen vernichten, die, von der Menschheit mit größter Arbeit ausgebildet, so leicht von Dummheit und Grausamkeit erschlagen wurden. Leute, welche die qualvollen Zuckungen der leidenden Welt empfinden, werden die notgedrungene Bitterkeit meiner Worte verzeihen. Ich bitte alle Europäer und Amerikaner, dem russischen Volk raschestens zu helfen. Gebt Brot und Medikamente.“ (Vorwärts Nr. 334 vom 18.7.1921). Über diesen Notruf schreibt Rathenau am 21.7.1921 an Hauptmann: „Lieber Gerhart! In dem Augenblick, als die Nachricht über Gorkis Brief an Dich durch die Presse ging, habe ich mich, wie ich Dir vertraulich mitteilen möchte, sofort mit dem Reichskanzler in Verbindung gesetzt und ihn auf die Bedeutung dieses Schrittes hingewiesen. Ich habe empfohlen, unverzüglich festzustellen, ob die Sowjetregierung mit dem Schritt einverstanden ist und ihn billigt. Nachdem dies durch das Auswärtige Amt geschehen ist, habe ich heute nochmals den Kanzler angesprochen, der daraufhin den Gegenstand in der Kabinettssitzung behandelt hat [Protokoll nicht ermittelt]. Dabei fand ich Gelegenheit, die entscheidenden Stellen Deines Briefes zu verlesen und Deine Auffassung, mit der ich vollkommen einiggehe, zu vertreten. Es wurde folgendes vereinbart: Das Auswärtige Amt wird Dir einen Vorschlag zur Beantwortung des Telegramms machen und Deine Antwort an Gorki befördern. Sodann wird in Verbindung mit dem Roten Kreuz ein Komitee gebildet werden, bei dem in erster Linie Deine Mitwirkung erbeten werden wird. Es soll vor allem auf rasche ärztliche Hilfe und Heilmittelsendungen abgestellt werden. Dr. Rosen, der Außenminister, ist mit den weiteren Schritten betraut. – In der Beurteilung der Tragweite des russischen Schrittes stimmen wir vollkommen überein. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, von unserer Seite mit Eile und Nachdruck zu arbeiten. Gorki scheint auf der Reise hierher zu sein.“ (Rathenau in Briefen, S. 398 f). Am 3.8.1921 berichtet der Vorwärts über eine deutsche Hilfsaktion (Vorwärts Nr. 362).

Auf Anfrage des Reichswirtschaftsministers, ob Bedenken bestünden, für die nach Rußland zu entsendenden chemischen Hilfsmittel und Arzneien Vergünstigungen[180] hinsichtlich der Befreiung von der Außenhandelsabgabe zuzusagen, erwiderte der Reichskanzler, daß die ganze Frage bereits kürzlich in Gegenwart von Vertretern des Deutschen Roten Kreuzes und Vertretern der Parteien (Breitscheid Riesser, Hoetzsch) im Auswärtigen Amt besprochen und eine Aktion in die Wege geleitet sei. Ein Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums soll zur weiteren Behandlung der Angelegenheit hinzugezogen werden.

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