2.89.1 (wir1p): 1. Verwendung der ehemaligen militärischen Bildungsanstalten.

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1. Verwendung der ehemaligen militärischen Bildungsanstalten.

Staatssekretär Schulz1 vom Reichsministerium des Innern befürwortet, daß[250] das Kabinett dem Reichstagsbeschluß vom 30. Juli 19212 zustimmt, Staatssekretär Schroeder macht vom Standpunkt der Reichsfinanzverwaltung ernste Bedenken geltend. Das Reich übernehme, wenn es die bisherigen Kadettenanstalten in anderer Form als Reichsanstalten weiter bestehen lasse, eine Aufgabe, die an sich von den Ländern zu erfüllen sei. Die Reichsfinanzverwaltung könne bei der jetzigen Lage nicht ihre Zustimmung dazu geben, daß das Reich freiwillig neue Aufgaben übernehme, die bereits von den Ländern genügend erfüllt würden. Reichsarbeitsminister Dr. Brauns äußert das Bedenken, daß die Anstalten lediglich dem protestantischen Teil der Bevölkerung zu Gute kommen würden, da die katholischen Eltern davon Abstand nehmen würden, ihre Kinder in Simultanschulen zu schicken. Vizekanzler Bauer bittet, dem Beschluß des Reichstags zuzustimmen. Bei den Verhandlungen im Reichstagsausschuß seien von den Mitgliedern des Zentrums keine Bedenken geäußert worden. Der Reichskanzler betont, daß die Frage nicht allein vom finanziellen Standpunkt aus betrachtet werden könne, sondern für die Koalitionsparteien eine eminent politische Bedeutung habe3. Es müsse daher noch einmal eine Besprechung der 3 Regierungsparteien stattfinden. Er selbst wolle sich mit Prof. Schreiber4 in Verbindung setzen. Bis zum 1. Oktober müsse die Angelegenheit erledigt sein.

1

StS Schulz hatte versucht, durch seine Schreiben vom 26.8.21 an den RPräs. (Anrede: Lieber Fritz) und vom 3.9.21 an den RK die Angelegenheit beschleunigt auf die Tagesordnung zu bringen (R 43 I /777 , Bl. 245, 250).

2

Gemeint ist die RT-Sitzung vom 30. Juni 1921, in der der „Bericht des Ausschusses für das Bildungswesen über die Verwendung der ehemaligen militärischen Bildungsanstalten“ (RT-Drucks. Nr. 2309, Bd. 368 ) beraten worden war (RT Bd. 350, S. 4222  ff.). Der RT hatte in dieser Sitzung den folgenden Antrag des genannten Auschusses angenommen: „Der Reichstag wolle beschließen: die Reichsregierung zu ersuchen, geeignete ehemalige militärische Bildungsanstalten, Lichterfelde eingeschlossen, soweit bestehende Anstalten und örtliche Interessen dadurch nicht beeinträchtigt werden, als Erziehungsanstalten unter Reichsverwaltung zu erhalten und zu diesem Zwecke gemäß auszugestalten. Diese Reichsanstalten sollen dazu dienen, geeigneten Kindern, besonders auch solchen von unbemittelten und minderbemittelten Eltern, vorzugsweise von Kriegsgefallenen und Kriegsbeschädigten, sowie Kindern von Deutschen aus den besetzten und abgetretenen Gebieten und von Auslandsdeutschen eine höhere Bildung und eine Erziehung zu vermitteln, die in vorbildlicher Weise nach zeitgemäßen pädagogischen Grundsätzen durchgeführt wird. Den bisherigen Zöglingen der militärischen Bildungsanstalten ist die Möglichkeit zu geben, soweit als möglich unter Anlehnung an die bisherige Schulart zur Abschlußprüfung zu gelangen. – Eine der bestehenden Anstalten ist als Anstalt für Mädchen einzurichten. – Wenn die Eltern den Wunsch aussprechen, ihre Kinder bestimmten einzelnen Anstalten zuzuführen, so ist diesen Wünschen nach Möglichkeit Rechnung zu tragen.“ (RT-Drucks. Nr. 2309, Bd. 368 ).

3

DDP und SPD hatten einen Abänderungsantrag zum Bericht des 30. Ausschusses eingebracht (RT-Drucks. Nr. 2365, Bd. 368 ), nach dem der Absatz: „Wenn die Eltern den Wunsch aussprechen, ihre Kinder bestimmten einzelnen Anstalten zuzuführen, so ist diesen Wünschen nach Möglichkeit Rechnung zu tragen“ geändert werden sollte in „…, so ist diesen Wünschen im Rahmen des Art. 146 Abs. 1 der RV nach Möglichkeit Rechnung zu tragen.“

Art. 146 Abs. 1 der RV lautet: „Das öffentliche Schulwesen ist organisch auszugestalten. Auf einer für alle gemeinsamen Grundschule baut sich das mittlere und höhere Schulwesen auf. Für diesen Aufbau ist die Mannigfaltigkeit der Lebensberufe, für die Aufnahme eines Kindes in eine bestimmte Schule sind seine Anlage und Neigung, nicht die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung oder das Religionsbekenntnis seiner Eltern maßgebend.“ SPD und DDP wollten einer Konfessionalisierung der Anstalten vorbeugen (siehe dazu RT-Debatte vom 30.6.1921, Bd. 350).

4

Schreiber war als Zentrumsabgeordneter Berichterstatter des 30. Ausschusses bei der Beratung dieser Frage gewesen.

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