1.61.2 (wir2p): 2. Entwurf eines Gesetzes über eine vorläufige Arbeitslosenversicherung.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 2). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Wirth I und II (1921/22). Band 2Bild 146III-105Bild 183-L40010Plak 002-009-026Plak 002-006-067

Extras:

 

Text

RTF

2. Entwurf eines Gesetzes über eine vorläufige Arbeitslosenversicherung.

Reichsminister Dr. Brauns trägt den Inhalt des Entwurfs vor und beschäftigt sich eingehend mit den vom Reichsfinanzminister und Reichsminister des Innern erhobenen Einwendungen1.

1

Artikel 163 Absatz 2 der RV sah für jeden Deutschen, dem eine angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden konnte, eine noch durch Reichsgesetz zu regelnde besondere Versorgung vor. Durch Demobilmachungsverordnung war eine Erwerbslosenfürsorge eingeführt worden, die nun durch eine Arbeitslosenversicherung ersetzt werden sollte. In den Erläuterungen zum Gesetzentwurf heißt es zum Inhalt: „Durch finanzielle Beteiligung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Träger des Wirtschaftslebens entlastet er [der Entwurf] die öffentlich-rechtlichen Verbände, die bisher die Kosten der Fürsorge allein bestritten haben. In Anlehnung an bewährte Grundgedanken der Sozialversicherung umreißt er den Kreis der Leistungsempfänger schärfer, als das die Erwerbslosenfürsorge vermag, und bietet dadurch höhere Gewähr dafür, daß die Unterstützungen nur denen zugute kommen, denen sie nach der erwähnten Verfassungsbestimmung zugedacht ist. […] Neue Zweige der Sozialversicherung dürfen unter den heutigen Verhältnissen nur eingeführt werden, wenn es gelingt, die Verwaltungskosten, die dadurch entstehen, auf das äußerste Mindestmaß zu beschränken. Der Entwurf sieht daher davon ab, neue Versicherungsträger zu schaffen. Er bedient sich für die Erhebung der Beiträge der Krankenkassen und für die Auszahlung der Leistungen der Arbeitsnachweise, deren Organisation durch das Arbeitsnachweisgesetz demnächst abgeschlossen werden wird.“ (R 43 I /2027 , Bl. 193-241, hier: Bl. 210f). Bedenken grundsätzlicher Art hatte der RIM in seinem Schreiben vom 12.6.22 an den RK an den Entwurf geknüpft: „Zahlreiche Gesetze und Gesetzentwürfe bringen – und zwar in letzter Zeit immer häufiger – die Vorschrift, daß der Erlaß von Ausführungsverordnungen der Reichsregierung mit Zustimmung von Ausschüssen des Reichstages (zum Teil auch anderer Körperschaften, wie des Reichskohlenrates, des Reichswirtschaftsrates usw.) zu erfolgen habe. Meine schwerwiegenden verfassungsrechtlichen und politischen Bedenken gegen dieses Verfahren habe ich in verschiedenen Rundschreiben (4. Juni 1921, 24. September 1921 und 28. Februar 1922) sowie in mannigfachen Einzelschreiben an die beteiligten Reichsressorts eingehend dargelegt. Sie gipfeln in der Hauptsache darin, daß durch die Zustimmung von Ausschüssen des Reichstags zu Verordnungen der Reichsregierung entweder ein in der Reichsverfassung nicht zugelassener Weg einer vereinfachten Gesetzgebung beschritten wird oder daß der Reichstag abweichend von den Grundsätzen der Reichsverfassung zur Mitwirkung beim Gesetzesvollzuge berufen wird, was eine starke Einschränkung der parlamentarischen Ministerverantwortlichkeit und eine Verwischung der verfassungsmäßigen Grenzen zwischen Gesetzgebung und vollziehender Gewalt bedeutet.“ Er schlägt dem Kabinett daher folgende Entschließung vor: „Es ist aus verfassungsrechtlichen und politischen Gründen unerwünscht, wenn in Gesetzen bestimmt wird, daß die von der Reichsregierung zur Ausführung von Gesetzen zu erlassende Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften an die Zustimmung eines Ausschusses des Reichstages oder einer anderen Körperschaft (mit Ausnahme des Reichsrats Artikel 77, 67, 60 der Reichsverfassung) gebunden werden. Die Reichsministerien sollen dahingehende Vorschläge in Gesetzentwürfen unterlassen und dahingehenden Anträgen im Reichsrat oder Reichstag entgegentreten. Die „Anhörung“ derartiger Ausschüsse gesetzlich vorzuschreiben und diese Anhörung auch in der Verkündungsformel von Verordnungen zum Ausdruck zu bringen, ist unbedenklich.“ (R 43 I /2027 , Bl. 260 f.). Der RFM hatte in seinem Schreiben an den RK vom 11.5.22 Bedenken finanzieller Art geäußert, z. B. erschien es ihm unvereinbar mit der gegenwärtigen Wirtschaftslage, daß der § 12 Abs. 2 Ziffer 3 dem Arbeitslosen die Ablehnung einer durch Ausstand oder Aussperrung freigewordenen Arbeitsstelle zugestand (dies und weitere ministerielle Stellungnahmen zum Entwurf in R 43 I /2027 , Bl. 246 f.).

[889] Reichsminister Dr. Köster trägt die in seinem Schreiben vom 12. Juni 1922 erhobenen Bedenken vor. Er ist bereit, seine Bedenken in dem vorliegenden Falle jedoch zurückzustellen, wenn das Kabinett sich allgemein auf den von ihm vertretenen Standpunkt stellt.

Der Herr Reichskanzler stellt dann durch Abstimmung fest, daß das Kabinett den vom Herrn Reichsminister des Innern eingenommenen Standpunkt, der in dem genannten Schreiben des Herrn Reichsministers des Innern zum Ausdruck kommt, für erwünscht hält.

Das Kabinett stimmt dann dem Entwurf des Herrn Reichsarbeitsministers zu2.

2

Der Entwurf geht am 29.1.1923 dem RT zu (RT-Drucks. Nr. 5531, Bd. 376 ), wird am 5.6.23 dem Ausschuß für soziale Angelegenheiten zugewiesen (RT Bd. 360, S. 11  175 ) und bleibt in dieser Legislaturperiode unerledigt.

Extras (Fußzeile):