1.6 (feh1p): Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik

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   Das Kabinett Fehrenbach  Konstantin Fehrenbach Bild 183-R18733Paul Tirard und General Guillaumat Bild 102-01626AOppeln 1921 Bild 146-1985-010-10Bild 119-2303-0019

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Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik

Die Finanzpolitik des Reiches während der Jahre 1920 und 1921 gehört in den größeren Rahmen der deutschen Finanzentwicklung von 1918–1923. Bestimmt wurden diese Jahre durch eine zunehmende Verschlechterung der deutschen Finanzen und eine steigende Geldentwertung, die dann in der Inflation des Jahres 1923 ihren Kulminationspunkt fand. Die Gründe für diese Entwicklung lagen dabei zum Teil in der Ausdehnung des Geldumlaufs während der Kriegszeit, zum Teil aber auch in den finanziellen Belastungen der Nachkriegszeit.

Schon früh erkannte man die Notwendigkeit, die Methoden der Kriegsfinanzierung aufzugeben und wieder zu den Grundsätzen einer geordneten Finanzwirtschaft zurückzukehren220. Dabei war man sich bewußt, daß die Verpflichtungen aus dem Kriege, dem Waffenstillstand und dem Friedensvertrag alle zukünftigen Haushalte Deutschlands mit ungeheuren Summen belasten würden. Es galt daher, sich möglichst bald Klarheit über die tatsächliche finanzielle Lage zu verschaffen und einen Haushalt aufzustellen, der den Erfordernissen dieser Lage entsprach.

220

Grundlegende Ausführungen über die finanzielle Lage des Reiches während der Jahre 1913–1920 finden sich in der RT-Drucks. Nr. 254, Bd. 363 .

Die Arbeiten am Reichshaushalt 1920 gestalteten sich von Anfang an außerordentlich schwierig. Vor allem bestanden über die Höhe der zukünftigen Einnahmen und Ausgaben nur höchst unsichere Schätzungen. Bei den unruhigen[L] außen- und innenpolitischen Verhältnissen konnte es zu Störungen und Unterbrechungen in der Wirtschaftsentwicklung kommen, so daß Steuerminderung oder gar Steuerausfall die Folge gewesen wären. Hinzu kam, daß wesentliche Teile der Steuerverwaltung erst nach dem Kriege von den Ländern auf das Reich übergegangen waren, so daß zu erwarten war, daß die Umstellung der Reichsfinanzverwaltung auf diese neue Aufgabe einige Zeit in Anspruch nehmen würde221. Schließlich war es durch die fortlaufende Geldentwertung zu weitgehenden Preissteigerungen gekommen, so daß alle Haushaltsansätze bereits nach kurzer Zeit überholt zu werden drohten.

221

Dok. Nr. 123.

Alle diese Gründe führten dazu, daß sich die Aufstellung des Reichshaushalts für das Rechnungsjahr 1920 stark verzögerte. Die Kabinettsberatungen der Einzelhaushalte erstreckten sich bis in den Spätsommer des Jahres, und erst im Oktober 1920 wurde der Entwurf des Gesamthaushalts im Kabinett beraten und verabschiedet222. Die Beratungen der gesetzgebenden Körperschaften zogen sich noch bis in das Frühjahr 1921 hin, und erst im April 1921 wurde das Feststellungsgesetz für den Haushaltsplan des Rechnungsjahres 1920 veröffentlicht223. Um in der Zwischenzeit die Haushaltsführung des Reiches sicherzustellen, wurden befristete Nothaushalte verabschiedet, die jeweils die Einnahmen und Ausgaben für bestimmte Monate enthielten224. Trotz größter Ausgabenbeschränkung endete der Gesamthaushalt des Rechnungsjahres 1920 jedoch mit einem Fehlbetrag von 67 Milliarden Mark, der durch Anleihen gedeckt werden sollte. Damit war die Umstellung der Haushaltsführung des Reiches auf Friedensgrundsätze zwar erreicht, doch nahm die Verschuldung des Reiches weiter zu.

222

Dok. Nr. 85, P. 2.

223

RGBl. 1921, S. 375 .

224

So etwa Dok. Nr. 5, P. 1; 89, P. 4; 133, P. 3.

Die oben geschilderten schwierigen Etatverhältnisse erforderten es, daß die Ressorts in ihrer Finanzgebarung strikte Disziplin übten. Das Kabinett mußte in allen Haushaltsangelegenheiten als Einheit handeln und durfte es nicht dulden, daß einzelne Ministerien von den einmal vereinbarten Leitlinien des Etats abwichen. Ein solcher Fall trat jedoch ein, als das Reichspostministerium sich nicht an die vereinbarte Neuregelung der Besoldungsordnung hielt und öffentlich die Höherstufung einer ganzen Reihe von Beamtengruppen forderte225. Der Reichsfinanzminister, der die damit verbundene Ausgabenerhöhung nicht vertreten zu können glaubte, sah dadurch den Gesamthaushalt gefährdet und reichte am 17. September seinen Rücktritt ein226. Es gelang in den folgenden Tagen jedoch offenbar, die Gegensätze auszugleichen, so daß Wirth sein Rücktrittsgesuch zurückzog. Er nahm die Gelegenheit jedoch zum Anlaß, um grundlegende Beschlüsse über Einzelheiten der Haushaltsführung und über die Stellung des Reichsfinanzministers innerhalb des Kabinetts durchzusetzen. So verlangte Wirth eine Beschränkung der Aufgaben des Reiches im Rahmen der Verfassung, eine Verwaltungsvereinfachung und zugleich[LI] Verwaltungsabbau sowie Sparsamkeit in allen Zweigen der öffentlichen Verwaltung. Zur Durchsetzung dieser Pläne suchte Wirth, die Stellung des Reichsfinanzministers im Kabinett zu stärken und die Ressorts in Haushaltsfragen an bestimmte Verfahrensregeln zu binden. Danach sollten in finanziellen Fragen die Entscheidungsbefugnisse des Ministers ausgeweitet und der Abstimmungsmodus im Kabinett zu seinen Gunsten geändert werden. Für die Haushaltsführung verlangte Wirth, daß das Aufstellungs- und Genehmigungsverfahren für den Reichshaushalt genau festgelegt und die Ressorts zur Einhaltung des einmal beschlossenen Haushalts verpflichtet werden sollten. Das Kabinett schloß sich der Argumentation des Reichsfinanzministers an und stimmte den von ihm eingereichten Vorschlägen in seiner Sitzung vom 9. Oktober zu227.

225

Dok. Nr. 71, Anm. 4.

226

Dok. Nr. 71.

227

Dok. Nr. 73, P. 2; 85, P. 1.

Hatte Wirth sich in den institutionellen Fragen mit Erfolg durchsetzen können, so stieß er bei der Erschließung neuer Steuerquellen auf Schwierigkeiten. Hier handelte es sich vor allem um den Steuerlohnabzug und um das Reichsnotopfer. Der Steuerlohnabzug war eine besondere Form der Einkommensteuer, bei der Teile des Lohnes im voraus abgezogen wurden und die dadurch die Lohnabhängigen schwer belastete228. Bei der Durchführung des Lohnabzuges kam es in verschiedenen Gebieten zu Unruhen unter der Arbeiterschaft229 und in Württemberg sogar zu einem Generalstreik230, doch gelang es der Reichsregierung, die Erhebung dieser Steuer überall durchzusetzen.

228

Dok. Nr. 50, P. 2.

229

Dok. Nr. 59, P. 8.

230

Dok. Nr. 67, bes. Anm. 11.

Das Reichsnotopfer war demgegenüber eine Vermögensteuer, die zwar schon 1919 beschlossen, bisher aber nur zum Teil durchgeführt worden war231, Hier kam der Widerstand aus der Koalition selbst, da DVP und Teile der DDP die Einziehung des Reichsnotopfers in der von Wirth geplanten Form ablehnten. Erst nachdem der Reichsfinanzminister erneut mit dem Rücktritt gedroht hatte, stimmten auch DVP und DDP dem Gesetzentwurf über die Einziehung des Reichsnotopfers zu, verstanden es aber gleichzeitig, gewisse Erleichterungen beim Einziehungsverfahren durchzusetzen232. Damit war Wirths Versuch, die Steuergerechtigkeit zu erhöhen und auch die vorwiegend im Kriege erworbenen und bisher geschonten Vermögen voll zu belasten, nur teilweise gelungen.

231

Dok. Nr. 103, bes. Anm. 1.

232

Dok. Nr. 125, P. 5; 130, P. 9.

Die Geldentwertung und die steigende Preisentwicklung waren jedoch nicht nur für die öffentlichen, sondern auch für die privaten Haushalte von zentraler Bedeutung. Die Geldentwertung führte zu steigenden Preisen, die, da Löhne und Gehälter nicht in gleichem Maße stiegen, von den Betroffenen nicht aufgefangen werden konnten. Hinzu kam, daß eine ganze Reihe von Gütern, die zwangsbewirtschaftet waren und für die behördliche Festpreise bestanden, zeitweilig nur im Schleichhandel zu haben waren, der nun die Preise erneut in die Höhe trieb. Zwar bestanden gesetzliche Bestimmungen gegen Schleichhandel und Preistreiberei, doch hatte sich diese Regelung bald als unzureichend[LII] erwiesen. Da das Reich eine Neufassung der Gesetzesbestimmungen immer wieder hinausschob, prellte Bayern im Oktober 1920 mit einer eigenen Wucherverordnung vor, die mit Hilfe des Art. 48 Abs. 4 der Reichsverfassung durchgesetzt wurde233.

233

Dok. Nr. 101, P. 2.

Die Reichsregierung lehnte diese Verordnung ab. Sowohl Höhe und Art der darin ausgesprochenen Strafen als auch die Begründung durch Art. 48 Abs. 4 wurden als rechtlich unzulässig betrachtet. Da das Reich aus innenpolitischen Gründen jedoch eine offene Konfrontation mit Bayern vermeiden wollte, entschied man sich, die bayerische Verordnung durch ein schärfer gefaßtes Reichsgesetz überflüssig zu machen. Das entsprechende Gesetz wurde am 24. Dezember veröffentlicht und trat am 1. Januar 1921 in Kraft. Bayern hob daraufhin am 28. Dezember seine Wucherverordnung auf und stellte damit die Rechtseinheit wieder her234. Ein nachfolgender Briefwechsel zwischen Bayern und dem Reich über die grundsätzliche Frage der Anwendung des Art. 48 Abs. 4 führte jedoch zu keiner Einigung; der Versuch der Reichsregierung, das Notverordnungsrecht der Länder verfassungsmäßig einzugrenzen, wurde von Bayern entschieden zurückgewiesen235.

234

Dok. Nr. 106, P. 7.

235

Dok. Nr. 110; 150.

Im Rahmen der gesamten Preisentwicklung nahmen die Kohlenpreise eine Schlüsselstellung ein. Die Kohle war als Grundstoff und Energieträger von überragender Bedeutung und eine Änderung der Kohlenpreise mußte Auswirkungen auf das gesamte Preisgefüge haben. Die Preisbildung bei der Kohle war so geregelt, daß der Reichskohlenverband als Selbstverwaltungsorgan der Kohlewirtschaft die Preise festsetzte, der Reichswirtschaftsminister gegen sie jedoch ein Einspruchsrecht hatte. Schwierig wurde die Entscheidung für den Reichswirtschaftsminister, wenn die Erhöhung der Kohlenpreise mit Lohnforderungen der Bergarbeiter begründet wurden und dem Minister damit nach außen hin auch die Entscheidung im Lohnkampf zugeschoben wurde. Trotz der Gefahr, die mit einer solchen Entscheidung verbunden war, lehnte der Reichswirtschaftsminister auf Beschluß der Reichsregierung im Jahre 1920 mehrfach eine Erhöhung der Kohlenpreise ab236 und gestattete nur im März 1921 eine geringe Preisanhebung237.

236

Dok. Nr. 37; 97, P. 2; 98; 161, P. 6.

237

Dok. Nr. 214, P. 3.

Eine Lockerung der staatlichen Preisfestsetzungspolitik erfolgte dagegen in der Ernährungswirtschaft. Hier galt zunächst noch aus der Kriegszeit her die Zwangsbewirtschaftung, die für alle Grundnahrungsmittel feste Anbaumengen und Höchstpreise vorsah. Die Kostensteigerungen in der Landwirtschaft hatten jedoch dazu geführt, daß diese Höchstpreise mehrfach heraufgesetzt werden mußten. Erschwerend für die Ernährungslage kam hinzu, daß die Verarmung der Böden weit fortgeschritten war und daß die vorgesehenen Anbaumengen nicht mehr erreicht werden konnten. Aufgabe der Reichsregierung war es daher, die landwirtschaftliche Produktion zu steigern und eine weitere Verteuerung der Nahrungsmittel aufzuhalten.

[LIII] Schon im Mai 1920 hatte Reichsernährungsminister Hermes im Kabinett die Ansicht geäußert, daß die Zwangsbewirtschaftung ein ungeeignetes Mittel sei, um die Ernährung der Bevölkerung zu angemessenen Preisen sicherzustellen238. Sein Bestreben ging vielmehr dahin, dieses Ziel durch eine Liberalisierung der Ernährungswirtschaft zu erreichen. Dabei unterschied Hermes zwischen Nahrungsmitteln, für die die Bewirtschaftung sofort aufgehoben, und solchen, für die sie noch länger fortgeführt werden sollte239. Auf seinen Antrag hin wurde im Sommer 1920 die Bewirtschaftung für Kartoffeln, Fleisch und Fett aufgehoben240, blieb jedoch für Milch und Getreide bestehen241. Die Regelung der Getreidewirtschaft wurde dann im Frühjahr 1921 geändert, als das Umlageverfahren eingeführt wurde, das Elemente der Bewirtschaftung und des freien Verkehrs miteinander kombinierte242. Insgesamt gesehen erwies sich die stufenweise Aufhebung der Zwangswirtschaft als der richtige Weg; die Produktion und das Angebot an landwirtschaftlichen Gütern stiegen, und die Ernährungslage entspannte sich. Gleichzeitig kam es jedoch für die freigegebenen Nahrungsmittel teilweise zu erheblichen Preissteigerungen, die zu Unruhen unter der Arbeiterschaft und zu Protesten der Gewerkschaften führten. Der Reichsernährungsminister griff hier vermittelnd ein, doch hielt er gegen alle Kritik an der Aufhebung der Zwangswirtschaft fest243.

238

Siehe dazu den Band „Das Kabinett Müller I“ dieser Edition, Dok. Nr. 97, P. 7.

239

Siehe Dok. Nr. 53.

240

Siehe Dok. Nr. 22, Anlage; 45, P. 1; 64, P. 3.

241

Dok. Nr. 53.

242

Dok. Nr. 231.

243

Dok. Nr. 75; 177.

In der Sozialpolitik hatte sich das Kabinett zunächst mit der Sozialisierung des Kohlenbergbaues zu befassen, die die Gewerkschaften u. a. als Preis für die Beendigung des Generalstreiks beim Kapp-Putsch gefordert hatten. Das Kabinett Müller I hatte hier bereits Vorarbeit geleistet und hatte eine Kommission berufen, die Vorschläge für eine solche Sozialisierung ausarbeiten sollte244. Beim Amtsantritt des Kabinetts Fehrenbach waren die Beratungen der Kommission zwar abgeschlossen, doch war ein Bericht noch nicht erstattet worden.

244

Siehe dazu den Band „Das Kabinett Müller I“ dieser Edition, Dok. Nr. 56, P. 6; 73; 75, P. 3.

Durch das Kohleabkommen von Spa gewann die Sozialisierungsfrage erneut höchste Aktualität. Unter Hinweis auf die großen Belastungen, die ihnen durch das Abkommen von Spa auferlegt wurden, verlangten die Bergarbeiter Gegenleistungen und drängten auf eine schnelle Durchführung der Sozialisierung245. Auch der Reichswirtschaftsrat empfahl, die Bergarbeiter für die durch das Abkommen von Spa notwendig gewordene Mehrförderung zu entschädigen und sie im Rahmen einer gemeinwirtschaftlichen Organisation am Kohlenbergbau zu beteiligen246. Das Kabinett verhielt sich demgegenüber abwartend; man beschloß, die Sozialisierungsfrage formell zu behandeln und zunächst den Bericht der Sozialisierungskommission abzuwarten247.

245

Dok. Nr. 32.

246

Dok. Nr. 42, Anm. 9.

247

Dok. Nr. 42, P. 7; 43, P. 1.

[LIV] Der Bericht der Kommission wurde am 3. September veröffentlicht. Er enthielt zwei Vorschläge zur Sozialisierung, deren erster von Prof. Lederer und deren zweiter von Walther Rathenau ausgearbeitet worden war. Lederer empfahl die sofortige Vollsozialisierung des Kohlenbergbaues, während Rathenau eine allmähliche Sozialisierung unter vorläufiger Beibehaltung des privaten Betriebskapitals, aber unter Ausschaltung kapitalistischer Gewinne vorschlug248. Schon bald wurden diese Vorschläge zum Gegenstand scharfer politischer Auseinandersetzungen, die nun auch eine Stellungnahme des Kabinetts erforderten.

248

Dok. Nr. 43, Anm. 3; 73, Anm. 15; 79, Anm. 3.

Das Kabinett war in sich jedoch uneins. Während Zentrum und DDP sich an die Zusage gegenüber den Gewerkschaften gebunden fühlten, lehnte die DVP jede Sozialisierung strikt ab249. Taktisch suchte man die Differenzen im Kabinett dadurch zu verdecken, daß man vorgab, die Entscheidung des Reichswirtschaftsrates abwarten zu wollen, der sich seit Anfang Oktober mit den beiden Sozialisierungsvorschlägen befaßte250. Als diese Beratungen jedoch nach monatelanger Dauer zu keiner Einigung führten, beschlossen Reichswirtschaftsrat und Reichsregierung im Februar 1921, juristische Gutachten einzuholen, in denen die aus dem Friedensvertrag resultierenden Rechte der Alliierten gegenüber einem sozialisierten Kohlenbergbau geklärt werden sollten251. Das Ergebnis dieser Gutachten war für die Sozialisierung negativ; die Gutachter legten dar, daß die Sozialisierung durch den Friedensvertrag zwar formell nicht verboten sei, daß die Alliierten aber auf Grund der bestehenden Machtverhältnisse nicht zögern würden, den sozialisierten Kohlenbergbau für die Reparationen heranzuziehen252. Damit war die Sozialisierung gescheitert; sie spielte im weiteren Verlauf des Kabinetts Fehrenbach keine Rolle mehr.

249

Dok. Nr. 82; 130, P. 9.

250

Dok. Nr. 112, Anm. 5.

251

Dok. Nr. 168, P. 1.

252

Dok. Nr. 168, Anm. 4 und 5.

Sehr viel dringlicher und unmittelbarer als die Sozialisierung stellte sich dem Kabinett jedoch das Problem der Arbeitslosigkeit. Durch den Übergang von der Kriegswirtschaft zur Friedenswirtschaft waren viele Arbeitskräfte freigesetzt worden, die nun bei der schwierigen Wirtschaftslage keine neue Beschäftigung fanden. Hinzu kamen die vielen entlassenen Heeresangehörigen, für die in der neuen Reichswehr kein Platz war und für die entsprechende Arbeitsplätze im Zivilleben fehlten. Die Versorgung dieser Arbeitslosen erfolgte anteilig durch Reich, Länder und Gemeinden, doch waren die im Rahmen der Erwerbslosenunterstützung gezahlten Beträge viel zu gering, um ihnen eine ausreichende Lebensführung zu ermöglichen253.

253

Dok. Nr. 80.

Die Reichsregierung suchte die Notlage dieser Schichten durch breit angelegte Arbeitsbeschaffungsprogramme zu erleichtern. So wurden Geldmittel für Kultivierungs- und Landverbesserungsmaßnahmen bereitgestellt und umfangreiche Staatsaufträge an die Wirtschaft erteilt. Ein weiteres Mittel war die sogenannte „produktive Erwerbslosenfürsorge“, in deren Rahmen Zuschüsse oder Darlehen aus Geldern der Erwerbslosenfürsorge zur Arbeitsbeschaffung[LV] vergeben wurden254. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Reiches und der Länder war die Höhe aller dieser Beträge jedoch nur begrenzt und genügte nicht, um eine nachhaltige Entspannung der Lage herbeizuführen255.

254

Dok. Nr. 80; 84; 164.

255

Dok. Nr. 184; 215.

Ergänzt wurden diese vorläufigen und auf schnelle Wirkung bedachten Maßnahmen des Kabinetts durch Bemühungen um eine langfristige Sozialgesetzgebung, durch die das Arbeitswesen nun grundsätzlich geregelt werden sollte. So befaßte sich das Kabinett mit Entwürfen zu einer Schlichtungsordnung und einem Arbeitsnachweisgesetz sowie einer Denkschrift über die Arbeitslosenversicherung, doch kamen diese Entwürfe über das Stadium der Beratung nicht hinaus256. Ähnlich wie in der Finanzpolitik zeigte sich auch in der Sozialpolitik der Übergangscharakter des Kabinetts Fehrenbach, das zwar die Grundlagen der weiteren sozialpolitischen Entwicklung schuf, die Ausführung aber späteren Kabinetten überlassen mußte.

256

Dok. Nr. 187; 209; 236; 173.

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