1.58.2 (vpa2p): 2. Finanz- und Kassenlage des Reichs und der Gemeinden. Finanzierung der Erwerbslosenfürsorge.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 18). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Das Kabinett von Papen Band 2Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

Extras:

 

Text

RTF

2. Finanz- und Kassenlage des Reichs und der Gemeinden. Finanzierung der Erwerbslosenfürsorge.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß die Vorarbeiten zur Änderung der Verteilung der Reichszuschüsse an die Gemeinden und Gemeindeverbände[845] für die Zwecke der Erwerbslosenfürsorge abgeschlossen seien. Es sei gelungen, in dieser Frage eine Einigung mit den Ländern und den maßgebenden Organisationen der Gemeinden zu erzielen. Er erläuterte sodann die Einzelheiten dieser Einigung. Sie bestehe im wesentlichen darin, daß der Reichszuschuß von insgesamt 672 Millionen5 vom 1. November ab für den Rest des Rechnungsjahres nach neuen Grundsätzen zu verteilen sei. In den Sommermonaten seien den Gemeinden verhältnismäßig geringe Beträge zugeflossen, so daß jetzt für die Wintermonate ein wesentlich höherer Fonds verfügbar sei. Während in den Sommermonaten die monatlichen Ausschüttungen durchschnittlich etwa 35 Millionen betragen hätten, könne die Summe vom 1. November ab auf 65 Millionen erhöht werden. Zur Änderung der Verteilung bedürfe es einer besonderen Verordnung. Es erübrige sich wohl, Einzelheiten des Textes der Verordnung, die im Entwurf fertiggestellt sei, vorzutragen. Er bitte nur um grundsätzliche Zustimmung des Reichskabinetts zum Erlaß dieser Verordnung. Die Verordnung werde alsdann am 3. November veröffentlicht werden6.

5

Vgl. Anm 10 zu Dok. Nr. 150.

6

VO des RFM vom 3.11.32 (RGBl. I, S. 524 ).

Anschließend machte der Reichsminister der Finanzen Ausführungen zur Finanz- und Kassenlage des Reichs. Hierzu bemerkte er, daß die Entwicklung der Einnahmen aus Steuern und Zöllen in den abgelaufenen 7 Monaten des Rechnungsjahrs eine einigermaßen zuverlässige Schätzung des voraussichtlichen Gesamtergebnisses des Rechnungsjahrs zulasse. Er rechne mit einer Mindereinnahme gegenüber den Haushaltsvoranschlägen in Höhe von 883 Millionen RM. Von dieser Summe gingen 366 Millionen zu Lasten der Länder und 417 Millionen zu Lasten des Reichs. Er habe schon bei früheren Beratungen zur Sache erklärt, daß die Dinge für das Reich solange nicht gefährlich aussähen, solange der Minderertrag 420 Millionen RM nicht übersteige. So hoch sei nämlich der im Haushaltsplan für die Schuldentilgung vorgesehene Betrag7. Diese Summe sei von vornherein als Ausgleichspuffer gedacht gewesen. Bedenklich bliebe allerdings, daß über diese 417 Millionen hinaus eine Reihe von außerplanmäßigen Ausgaben entstanden seien, für die eine Deckung fehle. Durch diese außerplanmäßigen Mehrausgaben erhöhe sich das Defizit des Reichs auf 840 Millionen RM. Bei diesen Posten handele es sich im wesentlichen um folgende Einzelposten:

7

Vgl. Anm 7 zu Dok. Nr. 9.

65 Millionen Mehrbelastung, die dadurch entstünden, daß es nicht gelinge, Reichsbahnvorzugsaktien in dem Umfang abzusetzen, wie dies im Etat vorgesehen sei8; 36 Millionen Mehrausgaben beim Reichsarbeitsministerium für Zwecke der Instandsetzung und Teilung von Wohnungen; 35 Millionen Mindereinnahmen und Mehrausgaben im Einzelplan des Reichsernährungsministeriums; 12 Millionen Mindereinnahmen aus Gebühren beim Reichsverkehrsministerium; 65 Millionen Mehrausgaben für die Einlösung langfristiger Schatzanweisungen,[846] deren Prolongierung nicht gelungen sei; 25 Millionen Schatzanweisungen für die Rheinische Landesbank; 25 Millionen für die vorstädtische Kleinsiedlung; 10 Millionen Schatzanweisungen für die Dresdner Bank9; 10 Millionen Schatzanweisungen für den Pless-Konzern10; 20 Millionen RM zur Abwicklung der Sachlieferungsverträge aus dem Youngplan; 21,5 Millionen für die belgischen Markforderungen11; 70 Millionen Darlehen an Länder und Gemeinden und verschiedene andere Posten.

8

Vgl. Anm 11 zu Dok. Nr. 42. Tatsächlich konnte im Rechnungsjahre 1932 an Stelle des im Haushaltsplan vorgesehenen Erlöses von 100 Mio RM aus dem Verkauf von Reichsbahnvorzugsaktien ein Erlös von 54 Mio RM erzielt werden. Die daraus resultierende Mindereinnahme (bezw. „Mehrbelastung“) betrug also lediglich 46 Mio RM (Ausarbeitung des RFMin. „Finanzieller Überblick über den Haushalt 1933“, fertiggestellt im Herbst 1933, in R 2 /21902 ).

9

In einer vom RFM am 16.12.32 an den StSRkei übersandten „Übersicht über die in der Zeit vom 1. April 1932 bis Ende September 1932 im Reichshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1932 zugewiesenen über- und außerplanmäßigen Ausgabemittel“ heißt es hierzu: „Auf Grund des Vertrages vom 27. August 1931 hat das Reich von der Dresdner Bank 300 Millionen RM Vorzugsaktien gegen Einbringung von 300 Millionen RM 6(7)%igen Schatzanweisungen des Reichs übernommen. Von den Schatzanweisungen sind am 1. August 1932, 1933 und 1934 je 100 Millionen RM zu 101, 102½ und 104 v. H. einzulösen. Von den am 1. August 1932 fällig gewesenen 100 Millionen RM (Nennbetrag) sind 90 Millionen RM bereits im Rechnungsjahre 1931 vorzeitig eingelöst. Der Rest von 10 Millionen RM mit einem Einlösungsbetrage von 10 100 000 RM ist fristgemäß am 1. August 1932 eingelöst worden. Da Mittel für die Einlösung im Reichshaushaltsplan für 1932 nicht vorgesehen waren, mußte der Betrag außerplanmäßig gebucht werden.“ (R 43 I /882 , Bl. 422, 428).

10

Vgl. die Mitteilungen des RFM im Kabinett am 21. 7. (Dok. Nr. 75, P. 3).

11

Vgl. Anm 10 zu Dok. Nr. 9.

Aus alledem ergebe sich, daß die Höchstgrenze dessen, was den Reichsfinanzen zugemutet werden könne, erreicht sei. Irgendwelche nennenswerten Neubelastungen werde er nicht mehr verantworten können.

Kassenmäßig sei er bisher verhältnismäßig glatt fertig geworden, weil es gelungen sei, größere Ausgabenposten während des Sommers hinauszuschieben. Ferner sei es gelungen, bei der verhältnismäßig flüssigen Geldmarktlage Schatzanweisungen des Reichs auf dem Markt unterzubringen. Dadurch, daß die im Etat vorgesehene Schuldentilgung von 420 Millionen RM unterbleiben müsse, könne er sich in Höhe dieses Betrages kassenmäßig ohne weiteres helfen. Immerhin bleibe aus dem in Vorstehendem errechneten Gesamtdefizit von 840 Millionen RM für das letzte Vierteljahr des Rechnungsjahrs ein ungedeckter Kassenbedarf von rund 400 Millionen RM übrig. Wie dieser Betrag zu decken sei, könne er zur Zeit noch nicht sagen. Leicht werde es jedenfalls nicht gehen, er hoffe aber, mit der Lage fertig zu werden.

Die Etatslage der Länder sei zwar knapp, aber nicht allzu gefährlich. Wirklich ernste Gefahren bestünden dagegen hinsichtlich der Finanz- und Kassenlage der Gemeinden. Er verwies auf die den Reichsministern zugegangenen Schreiben des Preußischen Ministers des Innern über die Finanzlage der Gemeinden und Gemeindeverbände vom 18. und 23. Oktober12. In diesen Schreiben[847] sei die Lage der Gemeinden zutreffend geschildert. Aus ihnen ergebe sich, daß bei den preußischen Gemeinden etwa 7 Millionen13 ungedeckte Fehlbeträge vorhanden seien, auf das ganze Reich umgerechnet müsse mit einem Gesamtfehlbetrage von 1,1–1,2 Milliarden gerechnet werden. Da die Gemeinden wegen ihrer finanziellen Schwierigkeiten bereits in starkem Maße dazu übergegangen seien, den Ländern die Staatssteuern vorzuenthalten, entstehe für den Ausgleich der an sich gesunden Länderetats eine ernste Gefahr und darüber hinaus drohe die Finanznot der Gemeinden auch bis zu den Reichsfinanzen durchzuschlagen, da die notleidenden Gemeinden letzten Endes auf das Reich zurückfielen. Die Mehrausschüttung an die Gemeinden aus dem eingangs erwähnten Fonds von 672 Millionen werde nicht ausreichen, um den Gemeinden wirksam zu helfen. Infolgedessen müsse man nach weiteren Zuwendungen für die Gemeinden suchen. Eine Möglichkeit hierzu ergebe sich aus der Tatsache, daß bei der Alu und Kru14 wegen der verhältnismäßig erträglichen Entwicklung der Erwerbslosenziffern mit Ersparnissen von mindestens 50 Millionen RM gerechnet werden könne. Im Einvernehmen mit dem Reichsarbeitsministerium könne er vorschlagen, für den Rest des Rechnungsjahres diese 50 Millionen ab 1. November in Teilbeträgen von 10 Millionen zusätzlich an die Gemeinden zu verteilen, so daß sich der eingangs seiner Ausführungen genannte Betrag von 65 Millionen auf 75 Millionen RM erhöhen lasse.

12

Diese an den RK und die Reichsminister gerichteten Schreiben des RKomPrIMin. Bracht befinden sich in R 43 I /2044 , Bl. 19–31 und 42–43. Das erstgenannte Schreiben (18. 10.) enthält eine umfassende und mit eingehenden Zahlenbelegen versehene Darstellung der finanziellen Lage der pr. Gemeinden und Gemeindeverbände. Ihm sind u. a. beigegeben: a) ein „Überblick über die zu erwartende Finanzlage der preußischen Gemeinden im Rechnungsjahre 1932“; b) der Haushaltsplan 1932 der von der Finanzkrise besonders schwer betroffenen Stadt Dortmund. Abschließend werden in dem Schreiben folgende Maßnahmen zur Gesundung der Gemeinden vorgeschlagen: „1. Sofortige Erhöhung der schlüsselmäßigen Reichswohlfahrtsdotationen monatlich um mindestens 25 Millionen RM aus den Ersparnissen bei Alu und Kru, und zwar bereits für den Oktober 1932; 2. Ausschluß weiterer Aussteuerungen aus der Alu und Kru in die allgemeine Wohlfahrtspflege mit Wirkung vom 1. November 1932; 3. Einleitung sofortiger Ressortverhandlungen über eine wirkliche Sanierung der gemeindlichen Haushalte durch Beseitigung der in den Rechnungsjahren 1931 und 1932 aufgelaufenen Kassenrückstände.“

13

Muß wohl heißen: 700 Millionen. In seinem Schreiben vom 18. 10. (vgl. Anm 12) hatte Bracht erklärt, „daß sich die Fehlbeträge allein der Preußischen Gemeinden und Gemeindeverbände für die Rechnungsjahre 1931 und 1932 auf zusammen mehr als 700 Millionen belaufen werden und daß sich diese Fehlbeträge in einer Verschuldung aller Orten auswirken“.

14

Arbeitslosenunterstützung und Krisenunterstützung.

Von den maßgeblichen Organisationen der Gemeinden und Gemeindeverbände, insbesondere von dem Städtetag, sei zur weiteren Entlastung der Gemeinden gefordert worden, daß ab 1. November in der Erwerbslosenfürsorge eine Zäsur in der Weise eintrete, daß weitere Aussteuerungen aus der Alu und Kru an die Wohlu15 nicht mehr stattfinden. Auf diese Weise solle erreicht werden, daß ab 1. November die Wohlfahrtserwerbslosenziffern konstant bleiben. Er halte diese Forderung der Gemeinden16 für berechtigt und unterstütze sie daher. Seine Anregung gehe dahin, durch eine weitere Verordnung diese Zäsur zu beschließen.

15

Wohlfahrtserwerbslosenunterstützung.

16

Zu den weiteren Forderungen vgl. die Ausführungen der Vertreter des Dt. Städtetages in der Besprechung am 9. 11. (Dok. Nr. 198).

Der Reichsarbeitsminister erklärte, daß er den Finanzierungsplan der Arbeitslosenhilfe im Rechnungsjahr 1932 auf Grund der bisherigen Entwicklung der Dinge auf den neuesten Stand habe bringen lassen. Dieser Plan wurde in der Sitzung verteilt17.

17

Der Finanzierungsplan ist dem Protokoll dieser Ministerbesprechung in R 43 I /1458  (S. 259–263) beigefügt. In ihm wurde – unter Berücksichtigung der VO vom 19.10.32 (Vgl. Dok. Nr. 168, P. 6) – von folgenden Berechnungsgrundlagen ausgegangen: 1) Annahme einer durchschnittlichen Arbeitslosenziffer in der zweiten Hälfte des Rechnungsjahres 1932 von 5 Mio, Ergebnis: Überschuß aus Alu und Kru = 165 Mio RM. In dem Plan wird hierzu erläuternd angemerkt: Nach dem vom RArbM am 13.10.32 vorgelegten „Finanzplan der Arbeitslosenhilfe“ (vgl. Dok. Nr. 167) „war der Überschuß in [Alu und] Kru auf 226 Mill. RM, also um 61 Mill. RM höher veranschlagt. Die Differenz erklärt sich einerseits aus dem um 36 Mill. RM geringeren Überschuß aus Alu und den Mehrausgaben von 32 Mill. RM infolge der VO vom 19. Oktober 1932, andererseits aus der zwangsläufigen Erhöhung des Gemeindefünftels (6 Mill. RM).“ 2) Annahme einer durchschnittlichen Arbeitslosenziffer in der zweiten Hälfte des Rechnungsjahres 1932 von 5,53 Mio, Ergebnis: Überschuß aus Alu und Kru = 82 Mio RM. Erläuternd wird hierzu angemerkt: „Nach Abzug der voraussichtlich für den freiwilligen Arbeitsdienst noch benötigten 30 Mill. RM verbleiben somit 52 Mill. RM. Bei den Gemeinden entsteht bei Annahme einer Arbeitslosenziffer von 5,53 Mill. ein Mehrbedarf von 109 Mill. RM. Es bleiben somit, auch wenn die 52 Mill. RM Überschuß in Alu + Kru den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden, noch 57 Mill. RM ungedeckt.“

[848] Der Reichsarbeitsminister erläuterte ihn im einzelnen. Aus ihm ergibt sich, daß bei der Annahme von 5,53 Millionen Arbeitslosen in Alu und Kru ein Überschuß von rund 80 Millionen vorhanden ist. Von diesem Überschuß werde ein Betrag von rund 30 Millionen für Zwecke des freiwilligen Arbeitsdienstes zurückgestellt werden müssen, so daß ein Betrag von 50 Millionen RM verfügbar bleibe. Dem Antrage des Reichsministers der Finanzen, diesen Betrag in monatlichen Raten von 10 Millionen zusätzlich an die Gemeinden zu verteilen, stimme er zu. Zur Frage des freiwilligen Arbeitsdienstes bemerkte er, daß er vorhabe, dieses Thema in der kommenden Woche in einer Ministerbesprechung besonders zur Erörterung zu stellen. Er beabsichtige auch, den Reichskommissar für den freiwilligen Arbeitsdienst, Präsident Syrup, zu veranlassen, dem Reichskabinett einen zusammenfassenden Bericht über den gegenwärtigen Stand der Entwicklung des freiwilligen Arbeitsdienstes vorzutragen18. Gegen den Vorschlag des Reichsministers der Finanzen auf Einführung einer Zäsur in der Erwerbslosenfürsorge nach der Richtung, daß Überweisungen von Erwerbslosen aus Alu und Kru an die Wohlu ab 1. November nicht mehr erfolgen sollen, äußerte er Bedenken. Die Erwerbslosenfürsorge sei grundsätzlich Sache der Gemeinden; die künftige Entwicklung werde dahin gehen müssen, daß diese Aufgabe den Gemeinden zufalle19. Es sei deshalb nicht richtig, diese Entwicklung durch die vorgeschlagene Maßnahme zu hemmen.

18

Vgl. die Ausführungen Syrups in der Ministerbesprechung am 9. 11. (Dok. Nr. 199, P. 1).

19

Hierzu vgl. die Vorschläge Goerdelers in seiner Denkschrift zur Verfassungs- und Verwaltungsreform vom 8.8.32, s. dort bes. Abschnitt IV, 2 (Dok. Nr. 97).

Der Reichskanzler nahm von der Anregung des Reichsarbeitsministers, die Frage des freiwilligen Arbeitsdienstes in der kommenden Woche in einer Ministerbesprechung zur Erörterung zu stellen, mit Befriedigung Kenntnis. Er erklärte ferner, daß die Frage, ob alsdann für die Fortentwicklung des freiwilligen Arbeitsdienstes noch 30 Millionen RM zur Verfügung gestellt werden sollen, bis zu dieser Aussprache zurückgestellt werden könne.

Der Reichskanzler stellte das Einverständnis des Reichskabinetts dazu fest, daß aus dem Überschuß der Alu und Kru ab 1. November monatlich 10 Millionen zusätzlich an die Gemeinden verteilt werden sollen. Ferner stellte er auch die grundsätzliche Zustimmung des Reichskabinetts zu dem Verordnungsentwurf über die Neuverteilung der Reichsmittel für die Erwerbslosenfürsorge fest20. Die Frage der Einführung einer Zäsur bei der Überweisung von Erwerbslosen aus der Alu und Kru an die Wohlu blieb zunächst offen.

20

Ein diesbez. Entwurf nicht bei den Akten der Rkei. Es handelt sich um die vom RFM am 3. 11. erlassenen „Dritten Durchführungsbestimmungen zur Wohlfahrtshilfeverordnung“, veröffentlicht im RAnz. am 4. und im RGBl. (1932 I, S. 524) am 7.11.32.

[849] Reichsminister Bracht nahm Bezug auf die bereits vom Reichsminister der Finanzen erwähnten Schreiben des Preußischen Ministers des Innern über die Notlage der Gemeinden21. Er stellte mit Befriedigung fest, daß der Reichsminister der Finanzen seine Ausführungen über die Finanzlage der Gemeinden in die Gesamtbetrachtung über die Finanzen von Reich, Ländern und Gemeinden einbezogen habe. Man könne die Lage der Gemeinden nur in der Totalität mit den Finanzen des Reichs und der Länder richtig beurteilen. Von den Mitteilungen, daß den Gemeinden ab 1. November für die Erwerbslosenfürsorge insgesamt 75 Millionen RM aus Reichsmitteln zufließen würden, nehme er mit Befriedigung Kenntnis. Den Gemeinden werde dadurch eine fühlbare Entlastung gewährt. Von einer wirklichen Sanierung der Gemeinden könne aber leider nicht gesprochen werden, da hierzu wesentlich höhere Beträge notwendig seien. Aus der Schilderung des Reichsministers der Finanzen über die Finanz- und Kassenlage des Reichs ersehe er, daß zur Zeit an eine weitergehende Hilfe für die Gemeinden nicht gedacht werden könne. Nur aus diesem Grunde wage er im Augenblick weitergehende Anträge nicht zu stellen. Zur Frage der Zäsur führte er aus, daß er grundsätzlich auf dem Standpunkt des Reichsarbeitsministers stehe, d. h. daß auch er die Erwerbslosenfürsorge als Aufgabe der Gemeinden anerkenne. Er glaube aber nicht, daß man die notwendige Reform schon im jetzigen Augenblick der größten Finanznot der Gemeinden durchführen könne. Die Einführung der Zäsur sei zur finanziellen Entlastung der Gemeinden unerläßlich und er bitte dringend, der Anregung des Reichsministers der Finanzen zu entsprechen.

21

Vgl. oben Anm 12 und 13.

Der Reichsminister des Innern sprach sich vom Standpunkt seines Ressorts für die Anregung des Reichsministers der Finanzen aus.

Da der Reichsarbeitsminister erklärte, sich in der Frage der Zäsur von der Mehrheit des Kabinett überstimmen lassen zu wollen, stellte der Reichskanzler fest, daß die Mehrheit des Kabinetts mit der Einführung entsprechend dem Vorschlage des Reichsministers der Finanzen einverstanden ist. Die entsprechende Verordnung soll im Einvernehmen zwischen dem Reichsminister der Finanzen und dem Reichsarbeitsminister fertiggestellt und noch im Laufe der Woche veröffentlicht werden22.

22

Die Regelung dieser Angelegenheit erfolgte nicht in Gestalt einer VO, sondern durch einen vom RArbM am 7.11.32 herausgegebenen Erlaß mit folgendem Wortlaut: „In der Zeit vom 28. November 1932 bis zum 31. März 1933 wird die Krisenfürsorge nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Arbeitslose während dieses Zeitraums die Höchstbezugsdauer der Krisenfürsorge erreicht.“ (R 43 I /2044 , Bl. 72–73; RArbBl. 1932 I, S. 170).

Extras (Fußzeile):