1.38.1 (bru2p): Vorbereitung des Frühjahrsprogramms 1931

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Vorbereitung des Frühjahrsprogramms 1931

Die Besprechung diente einer Klärung des Finanzbedarfs für 1931/32 und seiner Deckung1 .

1

Die Aufzeichnung wurde von StS Pünder am 14. 5. als „streng vertraulich“ gekennzeichnet.

Der Reichsminister der Finanzen ging davon aus, daß im Reichshaushaltsplan ein Fehlbetrag von rund 750–780 Millionen Reichsmark zu decken ist. Der Betrag wird wie folgt errechnet:

1.

Mindererträge an Steuern und Zöllen (laut Anlage)2

440 Millionen

2.

Zuschüsse zur Knappschaftsversicherung, die noch nicht etatisiert sind

40 Millionen

[1050]3.

für die Einführung der landwirtschaftlichen Einheitssteuer3

20 Millionen

4.

Ausfall der im Etat stehenden, aber vom Reichsrat gestrichenen Tantieme-Steuer4

8 Millionen

5.

Global-Abstriche

12 Millionen

6.

weiterer Zuschuß zur Krisenfürsorge

200 Millionen

720 Millionen

2

Die Anlage ist nicht vorhanden.

3

Handschriftlich wurde hinzugefügt: „siehe Notverord. 1.12.30 V. Teil, Art. 8“. In diesem Artikel hatte sich das Reich verpflichtet, im Rechnungsjahr 1931 den Ländern 20 Mio RM als Ausgleich für den durch die landwirtschaftliche Einheitssteuer entstehenden Ausfall zu überweisen (RGBl. 1930, I, S. 589 ).

4

S. Dok. Nr. 260, Anm. 19.

Der Reichsminister der Finanzen schlug sodann vor, bei der Einkommensteuer, und zwar sowohl bei der Lohnsteuer wie bei der veranlagten Steuer je 100 Millionen RM, insgesamt also 200 Millionen RM weiter abzusetzen – […] Von diesen 200 Millionen entfallen auf das Reich 50, auf Länder und Gemeinden 150 Millionen RM.

Dem Herrn Reichskanzler gingen diese Abzüge, soweit die Lohnsteuer in Frage kommt, noch nicht weit genug.

Da sowohl der Reichskanzler wie auch der Reichsminister der Finanzen und der Reichsbankpräsident sich darin einig waren, daß man jetzt in den Abstrichen unter allen Umständen weit genug gehen müsse, da es unerträglich sein würde, etwa nach Ablauf von 4 Monaten oder gar im kommenden Winter abermals im Wege einer Notverordnung einzugreifen, wurden bei der Lohnsteuer für das Reich nochmals 12 Millionen RM abgesetzt. Die obige Summe von 720 Millionen RM erhöhte sich dadurch um 50 + 12 auf 782 Millionen RM5.

5

MinR Vogels vermerkte handschriftlich am Rande: „Mindererträge an Steuern & Zöllen mithin 440 + 50 + 12 = 502 Mio RM“.

Andererseits glaubten der Reichskanzler und der Reichsminister der Finanzen es auf Grund einer Vorbesprechung mit dem Reichsarbeitsminister verantworten zu könne, die Zuschüsse zur Krisenfürsorge auf 164 Millionen RM zu ermäßigen, so daß der zu deckende Betrag auf 746 Millionen RM errechnet wurde.

Für die Deckung dieses Betrages machte der Reichsminister der Finanzen folgende Vorschläge:

I. Abstriche am Etat.

Es entfallen:

auf das Reichsarbeitsministerium

a)

95 Millionen

die durch Einschränkung der Kriegsbeschädigtenfürsorge gedeckt werden sollen;

b)

Kürzung der Sätze der Kriegsinvalidenrenten und des Reichszuschusses der Invalidenrenten

23 Millionen

c)

Streichung der sogenannten Zollmillionen

20 Millionen

d)

Kürzung der Unterstützung der Tabakarbeiter

10 Millionen

auf das Reichswehrministerium

50 Millionen

Hierbei ist an Minderausgaben gedacht in der Form der Verlegung dieser Ausgaben in das nächste Jahr, damit aus den Minderausgaben keine ungünstigen Folgerungen für die Abrüstungskonferenz gezogen werden können.

auf das Reichsernährungsministerium rund

23 Millionen

Sie sollen gewonnen werden durch Etatisierung der Erträge des Maismonopols, durch Einstellung aller Stützungsaktionen6.

auf das Reichsministerium des Innern

5 Millionen

Diese sollen gewonnen werden durch Streichung der kleinen Fonds mit Ausnahme der Zuschüsse zur Kaiser Wilhelm-Gesellschaft und zur Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft.

Für Abstriche aus den allgemeinen Ausgaben wurden

abgesetzt

9 Millionen

insgesamt

235 Millionen

6

Handschriftliche Zufügung: „Keine Einfuhrscheine!“

Von diesen Abstrichen hielt der Reichskanzler die Kürzung der Invalidenrenten für nicht durchführbar.

Der Reichsminister der Finanzen ermäßigte die Abstriche am Etat darauf auf 210 Millionen RM.

II. Für den verbleibenden Fehlbetrag schlug der Reichsminister der Finanzen vor,

a)

eine Erhöhung der Mineralölzölle. Sie würden erbringen für 9 Monate

71 Millionen RM

Er empfahl, diese Zollerhöhung

1. zur Stützung des deutschen Petroleumvorkommens,

2. zur Stützung des von den Deutschen Anilin-Fabriken hergestellten künstlichen Benzins.

b)

Beseitigung der Lohnsteuererstattung

68 Millionen RM

Er empfahl, diese Maßnahme damit zu begründen, daß die Ersparnisse zum größten Teil zur Deckung der Fehlbeträge bei der Knappschaft verwendet werden müßten.

c)

Erhöhung der statistischen Gebühren

3 Millionen RM

d)

Kürzung der Renten und Gehälter um 4%

(einschließlich der entsprechend höheren Ablieferung der Post)

66 Millionen RM

e)

Erhöhung der Zuckersteuer

120 Millionen RM

insgesamt

328 Millionen RM.

[1052] Von diesen Vorschlägen hielt der Reichskanzler die Beseitigung der Lohnsteuererstattung – jedenfalls in der vorgeschlagenen Höhe – für nicht durchbringbar.

III. Als weitere Steuermöglichkeiten wurden erörtert eine Erhöhung der Umsatzsteuer von 0,85 auf 1%. Sie würde für den Rest des Jahres 60 Millionen RM erbringen. Eine Erhöhung von 0,85 auf 1½% würde für den Rest des Jahres erbringen 350 Millionen; die Wiedereinführung der alten Salzsteuer7 würde ein Jahresaufkommen von 60 Millionen RM (1,– RM je Kopf der Bevölkerung) ergeben.

7

Durch das Gesetz über Steuermilderungen zur Erleichterung der Wirtschaftslage vom 31.3.26 war das Salzsteuergesetz aufgehoben worden (RGBl. I, S. 189 ).

Feste Abreden wurden in dieser Hinsicht nicht getroffen.

Als Termin für den Erlaß der neuen Notversorgung wurde der Anfang Juni, kurz vor der Reise des Herrn Reichskanzlers nach Chequers in Aussicht genommen.

Bezüglich der Wiederankurbelung der Wirtschaft durch Arbeitsbeschaffung entwickelte der Reichsminister der Finanzen folgenden Plan:

1. Die Reichsbahn verbraucht zur Zeit 20 000 t Eisen im Monat gegen 120 000 t in früheren normalen Jahren. Aus diesem Grunde muß die Reichsbahn dazu gebracht werden, ihren Verbrauch wieder auf die Höhe von 120 000 t monatlich heraufzubringen. Hierdurch wird die Mehreinstellung von 60 000 Arbeitern möglich. Aus den dadurch entstehenden Ersparnissen der Arbeitslosenversicherung sollen der Reichsbahn für jeden mehr eingestellten Arbeiter 18,– RM wöchentlich zugeschossen werden.

Der Reichsbankpräsident äußerte bezüglich dieses Planes grundsätzliche Bedenken wegen der Verbindung mit der Arbeitslosenversicherung, meinte aber, sich mit dem Grundgedanken des Vorschlages abfinden zu können, wenn er losgelöst von der Arbeitslosenversicherung finanziert würde.

2. Ferner sollen die Projekte der Reichsbahn für die Elektrifizierung größerer Strecken in Süddeutschland nachdrücklichst gefördert werden. Die Finanzierung erschien ihm möglich mit Hilfe von Auslandskapitalien, vorwiegend aus der Schweiz, weil die Schweiz an vermehrtem Stromabsatz der teilweise ihr gehörenden Elektrizitätswerke im Süden ein Interesse hat.

3. Ferner sollen die landwirtschaftlichen Meliorationen gefördert werden. Es soll ein Plan ausgearbeitet werden zur Besiedlung geeigneten Landes. Die Arbeiten sollen bezahlt werden mit den Sätzen der Arbeitslosenversicherung. Der restliche Lohnbetrag solle gutgeschrieben und dem Arbeiter demnächst in Gestalt von Eigentumsübertragung an den erstellten Siedlungsbauten (Eigenheimen) zukommen.

4. Der Straßenbau soll gefördert werden vorwiegend mit Unterstützung holländischen Kapitals, da Holland an der Verarbeitung seiner Vorräte an Bitumen besonders interessiert ist8.

8

Vgl. auch die Vorschläge der Brauns-Kommission Dok. Nr. 289, Anm. 7.

In der Aussprache wurde auch die Lage der Länderetats erörtert. Man war sich jedoch darüber einig, daß das Reich es grundsätzlich den Ländern selbst[1053] überlassen muß, ihre Haushalte ins Gleichgewicht zu bringen. Erkannt wurde, daß den Ländern in Zukunft große Ausfälle entstehen werden nicht nur durch den Rückgang der Überweisungssteuern, sondern auch durch den Rückgang des Aufkommens eigener Steuern, vor allem bei den Realsteuern und ferner, daß insbesondere die Hauszinssteuer einen sehr starken Rückgang (etwa um ⅓) erfahren wird. Der Rückgang der Hauszinssteuer hat folgende Gründe:

a)

erhöhte Ausfälle aus den sozialen Freigrenze-Bestimmungen wegen des Rückgangs der gesamten Einkommensverhältnisse;

b)

Rückgang der Mieten;

c)

Leerstehen von Wohnungen;

d)

größere Abzüge des Hauseigentümers wegen Erhöhung des Zinssatzes für die Aufwertungshypotheken;

e)

größere Abzüge des Hauseigentümers für die erhöhte Verzinsung des Eigenkapitals.

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