2.45.6 (feh1p): 6. Persönliche Mitteilung an den Vorsitzenden des Deutschen Bergarbeiterverbandes, Husemann, in Bochum.

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[109]6. Persönliche Mitteilung an den Vorsitzenden des Deutschen Bergarbeiterverbandes, Husemann, in Bochum3.

Staatssekretär Albert machte Mitteilung von einem persönlichen Telegramm, das er an den Vorsitzenden des deutschen Bergarbeiterverbandes, Husemann, in Bochum gerichtet habe, um ihm für die in den nächsten Tagen im Ruhrgebiet stattfindenden Arbeiterversammlungen zwecks Stellungnahme zur Neutralitätsfrage die größte Vorsicht anzuempfehlen4.

Das Kabinett nahm hiervon Kenntnis und ermächtigte den Staatssekretär Albert, mit den politischen Parteien, insbesondere mit den Parteien der Mehrheitssozialisten und der Unabhängigen, zu verhandeln und ihnen größte Vorsicht zu empfehlen, da selbständiges Handeln der Arbeiterschaft zu Zwischenfällen führen könnte, durch die das Gegenteil des Beabsichtigten bewirkt werden könne. Auch mit Rücksicht auf die in Untertürkheim vorgekommene Sabotage – Vernichtung von drei für die Reichswehr bestimmten Geschützautos5 – wurde der Staatssekretär zu Verhandlungen mit den Parteien in dem Sinne[110] ermächtigt, daß die Organisationen verhindern sollten, daß derartige Sabotageakte bei den im Interesse der Wahrung der Neutralität notwendigen deutschen Transporten nach dem Osten des Reichs seitens der Arbeiterschaft vorgenommen würden6.

Fußnoten

3

Gerüchte über Truppenzusammenziehungen der Alliierten am Rhein und über den drohenden Durchmarsch all. Truppen durch Dtld. nach Polen hatten unter den Bergarbeitern des Ruhrgebiets zu großer Beunruhigung geführt; s. Dok. Nr. 46. Unterstützt worden waren diese Befürchtungen der Arbeiterschaft durch einige Äußerungen von RAM Simons, die dieser am 5. 8. im RT gemacht hatte. Simons hatte u. a. erklärt: „Wir haben ferner eine große Gefahr an der entgegengesetzten Seite des Reiches, eine Gefahr, auf die der Herr Vorredner hingewiesen hat. Es ist die Gefahr, daß nach geographischen Gesetzen die Entente ein Interesse daran hat, durch Deutschland nach Polen hineinzumarschieren. Es liegt dies in der Natur der Sache. Ich will nicht sagen, daß die Entente das beabsichtigt. Aber ein Interesse daran liegt tatsächlich vor, und dieses Interesse müssen wir einstellen in unsere Politik. […] Wenn es sich bewahrheitet, daß im besetzten Gebiet bereits Vorbereitungen getroffen werden zur Umleitung großer Ententetruppenmassen nach dem Kriegsschauplatz, dann ist darin eine schwere Verletzung der deutschen Neutralität gegeben.“ (RT-Bd. 345, S. 699 ).

Für Sonntag, den 8. 8., war in Essen eine gemeinsame Konferenz aller sozialistischen Parteien und Gewerkschaften geplant, auf der zur außenpolitischen Lage Stellung genommen werden sollte. Es sollte beschlossen werden, was zu tun sei, um die dt. Neutralität zu schützen (Vorwärts Nr. 391 v. 6.8.1920).

4

Dieses Telegramm StS Alberts an Husemann lautete: „Höre, daß Sonntag in Essen Konferenz zwecks Stellungnahme zu außenpolitischer Lage und Neutralität stattfindet. Regierung kann an sich jede Unterstützung durch Arbeiterschaft nur willkommen sein. Empfehle jedoch, da Weg der Neutralität schmal ist, größte Vorsicht. Beste Lösung, wenn Arbeiterschaft sich irgendwelcher Eingriffe enthält und endgültige Entscheidung und Ausführung ausschließlich der Regierung überläßt, die zur Zeit allein in der Lage, alle Umstände zu übersehen und das Ziel striktester Neutralität innezuhalten. Selbständiges Handeln der Arbeiterschaft könnte zu Zwischenfällen führen, die Gegenteil des Beabsichtigten bewirken. Vergleiche Rede Simons. Anheimstelle in diesem Sinne zu wirken. Dies alles nur zu Ihrer persönlichen Information! Freundlichen Gruß StS Albert.“ (Telegramm vom 7.8.1920, R 43 I /161 , Bl. 89).

Noch am gleichen Tage sandte StS Albert ein zweites Telegramm an Husemann. Dies Telegramm lautete: „Zu fernerer persönlicher Information. Keine Anhaltspunkte für neue unmittelbare Einmarschgefahr und für Mobilisation englischer Truppen. Auch Nachrichten über Truppenmassierungen im besetzten Gebiet nicht bestätigt. Gruß Albert.“ (Telegramm vom 7.8.1920, R 43 I /161 , Bl. 88). Siehe dazu auch Dok. Nr. 46.

5

Am 3. 8. waren bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft in Untertürkheim drei für die Reichswehr bestimmte Kraftwagengeschütze durch Arbeiter völlig zerstört worden. Sie waren dazu durch die Behauptung aufgestachelt worden, daß die Kraftwagen an die Entente ausgeliefert und dann der poln. Armee zum Kampf gegen Rußland überstellt würden (R 43 I /161 , Bl. 73).

6

Nach einem Aktenvermerk MinR Kempners vom 12. 8. hatte StS Albert bereits mit dem Abg. Müller-Franken verhandelt, um die Arbeiterschaft von unvernünftigem Eingreifen in Transporte abzuhalten, da dadurch die dt. Neutralität gefährdet werden könne. In dem Vermerk hieß es weiter, daß die sozialdemokratischen Parteien durch Aufruf zu ruhiger Haltung ermahnt hätten (R 43 I /161 , Bl. 72). Bereits am 10. 8. war im „Vorwärts“ ein Artikel erschienen, der den Titel „Ruhig Blut bewahrt!“ trug. In diesem Artikel wurde mitgeteilt, daß bisher keine Anhaltspunkte für die Verletzung der Neutralität durch die Entente gegeben seien (Vorwärts Nr. 396 v. 10.8.1920).

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