1.15 (lut2p): Nr. 185 Der Preußische Ministerpräsident an den Reichskanzler. 12. Oktober 1925

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[727] Nr. 185
Der Preußische Ministerpräsident an den Reichskanzler. 12. Oktober 1925

R 43 I /685 , Bl. 317 f.

[Reichswehr und republikanische Verfassung]

Die Rede, die der General der Infanterie a. D. Sixt von Armin am gestrigen Sonntag, dem 11. Oktober, gelegentlich der Einweihung des Augustaner-Denkmals1 in Gegenwart von Vertretern der Reichswehr gehalten hat, gibt mir Veranlassung, meinen Besorgnissen in ernsthafter Form Ausdruck zu geben. Der General hat, nachdem er den Prinzen Oskar von Preußen begrüßt hat, die Vertreter der Reichswehr angesprochen und ausgeführt, daß sie, wie die übrigen Anwesenden, im Geiste bei dem früheren Kaiser und König wären. Er hat dann mit folgenden Worten geschlossen: Das oberste Gesetz für uns alle ist das der Pflichterfüllung, getreu den Kriegsartikeln und dem Fahneneid, den wir Seiner Majestät geschworen haben.

Es bedarf keiner Ausführung, daß es ein unerträglicher Zustand ist, wenn den Truppen der republikanischen Reichswehr zugemutet wird, im Geiste bei dem früheren Kaiser zu sein, und wenn sie unter Außerachtlassung des auf die republikanische Reichsverfassung geschworenen Eides aufgefordert werden, den dem früheren Kaiser geschworenen Fahneneid treu zu halten. Es bedeutet eine Herabdrückung, wenn nicht Vernichtung der Staatsautorität, wenn vor der Reichswehr als einem wichtigen Reichsorgan Reden gehalten werden, die über die republikanische Verfassung, als existiere sie gar nicht, hinweggehen. Besonders verhängnisvoll sind derartige Ausführungen bei einer patriotischen Feier, die der Herr Reichspräsident in ihrem ersten Teil mit seinem Besuch beehrt hat2.

Der Preußischen Staatsregierung wird es auf die Dauer erheblich erschwert werden, ihre Autorität gegenüber ihren Beamten aufrechtzuerhalten, wenn diese sich darauf berufen können, daß wichtige Organe des Reichs ungestraft zum Verfassungsbruch aufgefordert werden; denn letzten Endes ist die Ermahnung, dem dem früheren Kaiser geschworenen Fahneneid treu zu bleiben, nichts anderes als die Aufforderung, sich über die bestehende Verfassung hinwegzusetzen.

Im Namen der Preußischen Staatsregierung habe ich schon wiederholt Gelegenheit genommen, mündlich und schriftlich darum zu bitten, die Reichswehr von allen Veranstaltungen fernzuhalten, die dem Geiste der republikanischen Verfassung widersprechen. Bisher haben meine Vorstellungen nichts geholfen.[728] Wenn ich sie trotzdem wiederhole, so geschieht es, weil vielfache Vorkommnisse der letzten Zeit auf verschiedenen Gebieten in mir sehr ernste Befürchtungen haben aufkommen lassen, daß man gegenüber den Reichs- und Staatsorganen nicht mit genügender Energie zu erkennen gibt, daß sie in erster Linie dazu berufen sind, die republikanische Verfassung zu hüten. So ist es gekommen, daß in einem Teil der Beamtenschaft das Gefühl aufgekommen ist, es sei für ihre Karriere nicht unvorteilhaft, wenn sie sich nicht zu sehr als Hüter und Vorkämpfer der republikanischen Verfassung zu erkennen geben. Greift aber diese Ansicht einmal in der Beamtenschaft Platz, so ist damit in kaum wiedergutzumachender Weise an dem Grundstein der Verfassung gerüttelt. Deshalb halte ich es für unbedingt notwendig, daß, solange es noch an der Zeit ist, bei jeder Gelegenheit allen Reichs- und Staatsorganen klargemacht wird, daß weder die Reichs- noch die Preußische Staatsregierung eine Mißachtung der Verfassung dulden wird. Dieser oberste Grundsatz muß aber genau so, wie er für alle Beamten gilt, auch für die Reichswehr Geltung haben, denn gerade sie, die berufen ist, im Ernstfalle die Verfassung zu schützen, muß unbedingt als ein für die Republik zuverlässiges Organ in der Öffentlichkeit erscheinen. Werden aber Reden, wie die beanstandete, vor ihr ohne Widerspruch gehalten und durch die Zeitungen zur öffentlichen Kenntnis gebracht, so wird das Vertrauen, das das Volk auf die Reichswehr setzen muß, schwer erschüttert. Daß dazu noch gerade jetzt – während der Konferenz von Locarno – derartige Reden, von einer früheren Militärperson in hohem Rang unter Beteiligung der Reichswehr gehalten, die Verhandlungen namentlich bezüglich der Entwaffnungsnote außerordentlich erschweren, bedarf keiner Ausführung.

Ich bitte Sie deshalb, Herr Reichskanzler, mit allem Nachdruck dahin zu wirken, daß in Zukunft derartige Vorfälle, wie der vom gestrigen Sonntag, unbedingt vermieden werden, und daß der Reichswehr in einem Erlaß die Beteiligung an Veranstaltungen untersagt wird, bei denen die Gefahr antirepublikanischer Kundgebungen besteht. Die Preußische Staatsregierung hat es sich bisher angelegen sein lassen, etwaige Differenzen gerade auf dem hier berührten Gebiet durch Aussprache von Regierung zu Regierung zu regeln, sie würde aber, wenn hier nicht Abhilfe geschaffen und der Mißstand beseitigt wird, zu ihrem Bedauern gezwungen sein, im Parlament und in der sonstigen Öffentlichkeit ihre bisherige Zurückhaltung aufzugeben3.

Braun

Fußnoten

1

Denkmal für die Gefallenen des Königin Augusta Gardegrenadierregiments Nr. 4 auf dem Berliner Garnisonsfriedhof.

2

Über die Stellungnahme Hindenburgs zur Rede Sixt v. Armins s. die Mitteilung Pünders in seinem Schreiben an Kempner vom 12. 10. (Dok. Nr. 183).

3

Der RK antwortet mit Schreiben vom 10. 11., er stimme mit dem PrStMin. darin durchaus überein, daß die Reichswehr von allen politischen Veranstaltungen, die mit Kundgebungen gegen die „jetzige Staatsform“ verbunden seien, ferngehalten werden müsse. Und er gebe auch zu, daß gerade bei militärischen Erinnerungsfeiern eine gewisse Gefahr von Entgleisungen bestehe. „Diese Tatsache kann meines Erachtens aber nicht dahin führen, die Teilnahme der Reichswehr an solchen Erinnerungsfeiern überhaupt zu verbieten, sondern nur dazu, durch geeignete Maßnahmen und Bestimmungen alle nur mögliche Vorsorge gegen solche Entgleisungen zu schaffen. Daß letzteres dem Herrn Reichswehrminister trotz der entgegenstehenden großen Schwierigkeiten in weitem Maße gelungen ist, kann m. E. nicht geleugnet werden. Denn im Vergleich zu den sehr zahlreichen durchaus einwandfrei verlaufenen Feiern ist die Zahl der vorgekommenen Verstöße äußerst gering. Ich würde es aber für bedenklich halten, wenn dieser wenigen Verstöße wegen das Band, das die Reichswehr mit dem alten Heere verbindet, zerschnitten würde. Ich habe auch die Überzeugung, daß die erwähnten Schwierigkeiten ständig geringer werden und in absehbarer Zeit von selbst aufhören.“ Der RK verweist abschließend auf eine in der Presse veröffentlichte Stellungnahme des RWeMin., die den Eindruck bestätige, „daß manche Wendungen des Generals Sixt von Armin mißverständlich waren und daß die ganze Rede zweifellos nicht glücklich war“ (R 43 I /685 , Bl. 329 f.). – In erwähnter Stellungnahme des RWeMin. – verbreitet durch WTB am 28. 10. (Ausschnitt in R 43 I /685 , Bl. 321) – wird u. a. versichert, es sei Vorsorge getroffen, „daß bei Anlässen der vorliegenden Art Redewendungen vermieden werden, die mißverstanden werden können“. Nach dem Ermittlungsergebnis bestehe jedoch kein Anlaß, die geltenden Bestimmungen (s. Anm. 2 zu Dok. Nr. 231) zu ändern.

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