1.83 (mu22p): Nr. 339 Der Preußische Ministerpräsident an den Reichskanzler. 4. November 1929

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[1104] Nr. 339
Der Preußische Ministerpräsident an den Reichskanzler. 4. November 1929

R 43 I /123 , Bl. 382, hier: Bl. 382

[Betrifft: Deutsch-polnisches Liquidationsabkommen.]

Nach den in der Presse (WTB Nr. 2254) veröffentlichten Mitteilungen ist zwischen der Reichsregierung und der Polnischen Regierung ein Abkommen über eine Reihe von finanziellen und damit zusammenhängenden anderen Fragen unterzeichnet worden1. Diesen Mitteilungen ist zu entnehmen, daß im Rahmen der Vereinbarungen auch auf die Privatrechtsansprüche der Domänenpächter gegen den Polnischen Staat verzichtet werden soll. Nach den bereits hierher gelangten Eingaben ist mit Sicherheit zu erwarten, daß die Domänenpächter sich in Verfolgung ihrer Absprüche nunmehr an ihren früheren Vertragsgegner, d. h. den Preußischen Staat, halten werden. Bei dieser Sachlage darf ich namens der Preußischen Staatsregierung schon jetzt hiermit zum Ausdruck bringen, daß es ihr nur dann möglich sein würde, im Reichsrat für die Vereinbarung einzutreten, wenn vorher die ausdrückliche Versicherung abgegeben wird, daß sich das Reich zur Tragung der etwaigen an Preußen gestellten Entschädigungsforderungen der vorbezeichneten Art für verpflichtet hält.

[Hinweis auf entsprechende Ausführungen gegenüber dem AA in einer Besprechung am 22.10.292.] Auch darf ich wohl als selbstverständlich feststellen, daß, wenn das Reich jetzt Polen gegenüber aus außenpolitischen Gründen auf seine Ansprüche aus dem abgetretenen Staatsgut, das ja fast ausschließlich preußisches Staatseigentum war, verzichtet, dadurch seine Ersatzpflicht Preußen gegenüber nicht berührt wird3.

Braun

Fußnoten

1

Die Unterzeichnung der Vereinbarungen durch Zaleski und ihn hatte Rauscher bereits am 31. 10. mitgeteilt (Telegr. Nr. 190; R 43 I /123 , Bl. 367 f., hier: Bl. 367 f.).

2

MinDir. Nobis hatte gegenüber Vortr.LegR Martius ausgeführt, „daß für Preußen gegenüber diesem gesamten Fragenkomplex, gegen dessen zweckmäßige Behandlung, insbesondere im Hinblick auf die finanzielle Belastung mancherlei Zweifel bestehen könnten, die Feststellung von Wichtigkeit sei, daß hierdurch Preußen jedenfalls keine neuen Belastungen erwachsen dürften. Es sei zu mutmaßen, daß insbesondere die Domänenpächter mit Forderungen an Preußen herantreten würden. Vor dieser Inanspruchnahme müsse Preußen ausdrücklich geschützt werden. Auch sonst sei ja für das Deutschtum in den abgetretenen Gebieten zuweilen mehr Geld da, als für die Erhaltung und Stärkung des Deutschtums im innerstaatlichen Gebiete und zum wesentlichen Teil deshalb, weil die finanzielle Auseinandersetzung zwischen Preußen und dem Reich bedauerlicherweise verzögert werde. Preußen werde die ihm hieraus zufließenden Mittel vorwiegend zur Stärkung der Grenzgebiete verwenden. So liege auch in bezug auf die gegenwärtigen deutsch-polnischen Verhandlungen, die ein weitgehendes finanzielles Entgegenkommen des Reiches in sich schlössen, ein Junktim vor mit den berechtigten Ansprüchen Preußens an das Reich“. Martius hatte zugesichert, daß das RFMin. „nachdrücklichst“ über die preußische Stellungnahme informiert werde (22. 10., Anlage zum Schreiben; R 43 I /123 , Bl. 383-387, hier: Bl. 383-387).

3

Wegen dieses Schreibens setzte sich der RK mit dem RFM in Verbindung, wie der StSRkei in der Antwort vom 15. 11. mitteilte. Weiterhin erklärte Pünder, die PrStReg. sei nicht nur durch die Presse über das deutsch-polnische Abkommen informiert worden, sondern sei in den Kabinettssitzungen vom 3. und 24. 10. vertreten gewesen. Die RReg. habe „hinsichtlich loyaler und laufender Orientierung der PrStReg.“ nichts versäumt (R 43 I /123 , Bl. 391, hier: Bl. 391). Die Anfrage nach einer Beantwortung des pr. Schreibens durch den RFM (1.1.30; R 43 I /123 , Bl. 393, hier: Bl. 393) ergab, daß Hilferding Bedenken gegenüber dem Entwurf getragen hatte (Vermerk vom 24. 1.; R 43 I /123 , Bl. 393, hier: Bl. 393). Der neue RFM Moldenhauer beabsichtigte, mit MinPräs. Braun direkt zu verhandeln. Daran, daß die Domänenpächter zu entschädigen seien, bestand kein Zweifel (a.a.O.).

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