2.35.4 (sch1p): 4. [Diplomatischer Dienst]

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[127]4. [Diplomatischer Dienst]

Reichsminister Graf Rantzau machte Mitteilung über Personalveränderungen im diplomatischen Dienst5. Von den 335 höheren Beamten, die vor dem Kriege im Auswärtigen Amte und im Auswärtigen Dienste beschäftigt gewesen seien, hätten am 1. April 1918 noch 184 im Dienste gestanden. Ein größerer Teil sei bei seinem Amtsantritt schon entlassen gewesen. Im Laufe von zwei Monaten habe er selbst 12 weitere Herren zur Disposition gestellt, u. a. den Unterstaatssekretär von dem Bussche, den Direktor Deutelmoser und den Dirigenten von Stumm6. Er sei bereit, die Posten in Helsingfors, Stockholm, Kristiania und am Vatikan7 neu zu besetzen, nachdem er sich auf Grund eines Vortrags bei dem Herrn Reichspräsidenten und einer Rücksprache mit dem Herrn Ministerpräsidenten überzeugt habe, daß es ein Gebot der Stunde sei, nach außen durch neue Persönlichkeiten auch in der diplomatischen Vertretung den Wechsel im Innern des Reichs erkennbar zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen halte er es für seine Pflicht, zu betonen, daß der Gesandte in Stockholm sich in befriedigender Weise auf die neue Lage eingestellt habe, und daß auch der Gesandte in Kristiania in der kurzen Zeit, die er auf seinem Posten tätig ist, zufriedenstellend gearbeitet habe. Von einer Neubesetzung der freien Botschafterstelle in Madrid möchte er gegenwärtig absehen. Ein guter Geschäftsträger sei zur Zeit dort8. In Wien gedenke er im Einverständnis mit dem österreichischen Staatssekretär Bauer den Botschafter Grafen Wedel vorläufig zu belassen9. Für die Neubesetzung der Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl habe er den Gesandten von Bergen in Aussicht genommen. Für die drei nordischen Posten sei er bereit, Vorschläge der Mehrheitsparteien entgegenzunehmen. Er müsse jedoch seine grundsätzliche Stellung dahin präzisieren, daß eine eigentliche Parlamentarisierung des auswärtigen Dienstes nicht möglich sei. Eine erfolgreiche auswärtige Politik setze ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Gesandten und dem Chef des Auswärtigen Amtes voraus. Die Besetzung der[128] außenpolitischen Stellen müsse daher dem Chef des Auswärtigen Amtes vorbehalten bleiben, er habe sich daher auch bei der Übernahme seines Amtes im Dezember v. J. ausdrücklich schriftlich die letzte Entscheidung vorbehalten.

Reichsminister Erzberger empfahl, bald ausführliche Pressenotizen über die umfangreichen Änderungen zu bringen, die schon stattgefunden hätten und noch beabsichtigt seien. Von einer Parlamentarisierung könne man auch dann sprechen, wenn die Auswahl im Benehmen mit den Parteien erfolge, wie Graf Rantzau das jetzt vorschlage. Er empfehle, daß man sich nicht an die Fraktionen im ganzen wende, sondern daß die Minister die Vorschläge für ihre Fraktionen machten, vorbehaltlich der Frage, ob sie sich hierbei mit den Parteiführern besprechen wollten. Die Neubesetzung der Gesandtschaft am Vatikan sei unbedingt notwendig, die Wahl des Gesandten von Bergen zu begrüßen. Für Norwegen könne man vielleicht ein Mitglied der demokratischen Volkspartei in Aussicht nehmen. Madrid müsse bald besetzt werden, mindestens gleich nach Abschluß des Vorfriedens.

Reichsminister David betonte, daß nach den nordischen Ländern Männer geschickt werden müßten, welche die demokratische Strömung in diesen Ländern für uns gewinnen könnten.

Es wurde beschlossen: Das Kabinett stimmt der Neubesetzung der Gesandtschaften in Stockholm, Kristiania und Helsingfors und am Vatikan zu und billigt die Besetzung der letztgenannten Stelle mit dem Gesandten von Bergen10. Die Presse soll über Umgestaltung des Auswärtigen Dienstes eingehend unterrichtet werden, sobald mit den abzuberufenden Herren Fühlung genommen ist.

Fußnoten

5

Bereits am 25.3.1919 hatte die Frankfurter Zeitung, Nr. 225, erklärt, der Wechsel in den politischen Verhältnissen bedinge „selbstverständlich einen Wechsel in den Stellen des höheren Beamtentums, die verantwortlich mit Ausführung der Politik und Verwaltung der republikanischen Regierung sind […]. Im auswärtigen Dienst, von dessen Reformbedürftigkeit schon vor dem Kriege und noch mehr im Kriege gesprochen worden ist, ist es zu reformatorischen Änderungen des Systems und organischen Neubildungen noch nicht gekommen. Das erklärt sich durch die schwierige Lage des gesamten auswärtigen Dienstes während des Krieges und des Waffenstillstandes, auch durch den wiederholten schnellen Wechsel auf dem Posten des Staatssekretärs […].“

6

Aus dem Dienst des AA waren bis zum 25.3.1919 u. a. ausgeschieden: die beiden UStS v. Stumm und Frhr. v. d. Bussche-Haddenhausen, die Direktoren Kriege (Rechtsabt.), Johannes (Handelsabt.), Deutelmoser (Nachrichtenabt.), die Dirigenten Schmidt-Dargitz (Rechtsabt.), Dr. Goebel (Handelsabt.), Weller (Personalabt.) und v. Stumm (Nachrichtenabt.); nach: Frankfurter Zeitung, Nr. 225, 25.3.1919.

7

Der Gesandte in Helsingfors, Frhr. v. Brück, wurde erst 1920 von dem Geschäftsträger Dr. Wallroth ersetzt; Nachfolger des Gesandten in Stockholm, Lucius v. Stoedten. wurde 1920 Rudolf Nadolny; auch der Gesandtenposten in Kristiania, den bis dahin Gerhard v. Mutius innehatte, wurde erst 1920 von Edmund v. Romberg neu besetzt. Lediglich die Gesandtschaft beim Vatikan wurde schon 1919 mit v. Bergen neu besetzt.

8

Seit Anfang 1919 amtierte in Madrid der Geschäftsträger Graf v. Bassewitz, er wurde 1920 von Botschafter Frhr. Langwerth von Simmern ersetzt.

9

Graf Wedel wurde 1920 von dem Gesandten Dr. Pfeiffer ersetzt.

10

Siehe Anm. 3. Die Ernennung v. Bergens war in erster Linie von Erzberger betrieben worden, der am selben Tag in einem Schreiben an den RAM erklärte: „[…] Ich persönlich möchte nicht verfehlen, meiner Freude darüber Ausdruck zu geben, daß der sehr tüchtige und von mir sehr geschätzte Herr v. Bergen zum Gesandten beim Heiligen Stuhl ernannt wird. Daß Herr v. Bergen beim Heiligen Stuhl willkommen ist, hat Seine Heiligkeit Papst Benedikt XV. schon wiederholt zu erkennen gegeben. […]“ (PA, Nachl. Brockdorff-Rantzau , Az. 14 „M“).

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