2.32.2 (bau1p): 2. [Gesetzentwurf betreffend die Überführung des Eisenerzbergbaus und der Eisenindustrie Mitteldeutschlands in Reichsbesitz.]

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2. [Gesetzentwurf betreffend die Überführung des Eisenerzbergbaus und der Eisenindustrie Mitteldeutschlands in Reichsbesitz7.]

Der vom Reichsschatzministerium vorgelegte Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Überführung des Eisenerzbergbaues Mitteldeutschlands in Reichsbesitz (Enteignung der Ilseder Hütte) wird genehmigt. Doch soll im § 5 für die[140] Feststellung der Entschädigung nicht der Reichsjustizminister, sondern der Reichsschatzminister als zuständig erklärt werden. Der Reichsschatzminister wird bei den Verhandlungen möglichst dahin wirken, daß die Zahlung nicht in bar, sondern in Kriegsanleihe oder in Schatzanweisungen erfolgt. In der Begründung des Entwurfs soll zum Ausdruck gebracht werden, daß es sich um eine Fortsetzung des Sozialisierungswerkes handelt8.

Eine Anregung des Reichsministers Erzberger, die Enteignungsermächtigung noch auf andere deutsche Bezirke auszudehnen, wird vorläufig nicht angenommen, weil der Reichsschatzminister gegen diese Ausdehnung wegen der dadurch von ihm erwarteten Lähmung der privaten Initiative lebhafte Bedenken hat.

Auf Wunsch des Reichsministers Dr. Bell stellt der Reichsschatzminister eine Denkschrift über die übrigen deutschen Erzvorkommen in Aussicht9.

Fußnoten

7

Im Herbst 1916 hatte das PrKriegsMin. die Beschaffung größerer Mengen Eisen für den Kriegsbedarf als unbedingt notwendig bezeichnet. Aufgrund eines Vertrages zwischen der zur Kriegsrohstoffabt. im PrKriegsMin. gehörenden Eisenzentrale GmbH. und der Ilseder Hütte AG. vom 14.3.17 sollte die Erzgewinnungsanlage der Hütte kurzfristig auf eine Leistungsfähigkeit von 8–10 Mio Tonnen jährlich gegenüber bisher 1,5 Mio Tonnen gebracht werden. Die geschätzten Kosten der Erweiterung in Höhe von 15 Mio M sollte das Reich zu 80%, die Ilseder Hütte zu 20% übernehmen. Während die Investitionen in den Besitz der Hütte übergehen sollten, brauchte diese dennoch keine Gewähr dafür zu übernehmen, die geforderten Erzmengen tatsächlich zu liefern. Als im Frühjahr 1919 bereits 37 Mio M verbaut und weitere 15 Mio M angefordert waren, gleichzeitig bei einer augenblicklichen Kapazität der Anlagen von 6 Mio Tonnen jedoch nur 1,5 Mio Tonnen Erz gefördert wurden, sprach sich der neue Leiter der Eisenzentrale (jetzt beim RSchMin.), Gompertz, dafür aus, „das Vertragsverhältnis auf eine neue Grundlage zu bringen, da bei der bisherigen Regelung das Reichsinteresse nicht hinreichend gesichert erscheint“ (Aufzeichnung Gompertz’ vom April 1919; R 2 /1255 , Bl. 25–29; vgl. Aktenvermerk über eine Ressortbesprechung im RSchMin. vom 2.5.19; ebd., Bl. 30 f.). In einer Besprechung in Weimar am 14. 7. teilte UStS Goldkuhle vom RSchMin. Vertretern der Ilseder Hütte AG. mit, daß das Reich aus Gründen der Rohstoffsicherung und mit Rücksicht auf die hohen öffentlichen Investitionen entschlossen sei, die Ilseder Hütte durch zwangsweisen Ankauf der Aktien zu einem Baissekurs in Reichsbesitz zu überführen. Er bezog sich dabei auf einen in den Akten nicht zu ermittelnden Kabinettsbeschluß. Über das Vorgehen nach der Übernahme des Gesamtkomplexes könne verhandelt werden. U. a. bot er an, – unter Ausklammerung der Bergwerke – das Hochofenwerk in Ilsede und das Peiner Walzwerk einer neuzugründenden Gesellschaft unter der alten Leitung wieder zu verpachten oder zurückzuverkaufen. Als sich der Aufsichtsratsvorsitzende der Ilseder Hütte AG., Justizrat Meyer, prinzipiell gegen das Verfahren aussprach, drohte Goldkuhle an, daß in diesem Fall „mit Sicherheit ein Enteignungsgesetz zu erwarten“ sei. Daraufhin erklärte sich die Verwaltung der Ilseder Hütte AG. am 22. 7. zu weiteren Übergabeverhandlungen bereit (Protokolle der Besprechungen vom 14. und 22.7.19; R 2 /1255 , Bl. 79–82, 139 f.). Obwohl die Verhandlungen noch im Gange sind, betreibt das RSchMin. die Vorlage des Enteignungsgesetzes (vgl. Dok. Nr. 30, P. 8). GesEntw. nebst Begründung als Anlage zum Kabinettsprotokoll; R 43 I /1350 , Bl. 451–489. – Zum Gesamtzusammenhang vgl. die autorisierte, unter Heranziehung des Werksarchivs gearbeitete „Geschichte der Ilseder Hütte“ von Wilhelm Treue (Peine 1960) sowie ders., „Die Ilseder Hütte und der Staat in den Jahren 1916 bis 1919“ in: Tradition, 3 (1968), S. 129 ff.

8

Daraufhin wird der allgemeinen Begründung des GesEntw., der der NatVers. am 9. 8. vorgelegt wird, folgender Satz vorgeschaltet: „Nach § 2 des Sozialisierungsgesetzes vom 23. März 1919 ist das Reich befugt, für eine Vergesellschaftung geeignete wirtschaftliche Unternehmungen, insbesondere solche zur Gewinnung von Bodenschätzen, in Gemeinwirtschaft zu überführen“ (NatVers.-Bd. 338 , Drucks. Nr. 792 ). In seiner Regierungserklärung vom 23. 7. kündigt der RMinPräs. im Rahmen seiner Ausführungen zur Sozialisierung die Vorlage eines GesEntw. über die Verreichlichung der Ilseder Hütte an (NatVers.-Bd. 328, S. 1847 ). – Zum Fortgang s. Dok. Nr. 37, P. 1.

9

Mit Anschreiben des RSchM vom 31. 7. dem UStSRkei am 2. 8. vorgelegt. Danach würde, über die Verreichlichung der Erzvorkommen von Peine-Salzgitter hinaus, die Überführung weiterer Erzlager in Reichsbesitz die Versorgung Deutschlands mit Eisenerzen weder quantitativ noch qualitativ verbessern. Das Reich würde in der Folgezeit vielmehr zur Aufbringung regelmäßiger Zuschüsse für die Grubenbetriebe gezwungen sein (R 43 I /2114 , Bl. 54–56).

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