2.175 (bru1p): Nr. 175 Staatssekretär Pünder an Staatssekretär Joël. 24. November 1930

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Nr. 175
Staatssekretär Pünder an Staatssekretär Joël. 24. November 1930

R 43 I /1870 , Bl. 386–388 Durchschrift

[Anwendung des Artikels 48 der Reichsverfassung]

Lieber Herr Joël!

Herr von Hagenow hat mir das Ergebnis Ihrer Besprechung und Ihre vorläufige Beurteilung des Falles „Plafondgesetz“1 mitgeteilt. Zu diesem Punkte darf ich mir vielleicht einige persönliche Bemerkungen erlauben. An sich habe ich für die Auffassung durchaus Verständnis, daß man gerade bei diesem Plafondgesetz das Tatbestandsmerkmal der Störung von Sicherheit und Ordnung nicht als gegeben ansehen könnte, da die Bedeutung dieses Gesetzes ja erst in einer nicht ganz nahen Zukunft liege. Trotzdem glaube ich, daß man einer solchen Auffassung nachdrücklich widersprechen müßte. Das sogenannte Plafondgesetz[649] ist geradezu der Drehpunkt des ganzen Wirtschafts- und Finanzplanes der Reichsregierung, und zwar keineswegs nur für die Zukunft von 2 bis 3 Jahren, sondern gerade auch für die Gegenwart und allernächste Zukunft. Die Schaffung eines sogenannten Plafonds ist bekanntlich seit Jahren der Streitruf des amerikanischen Reparationsagenten Parker Gilbert gewesen, und es unterliegt auch keinem Zweifel, daß die Schaffung eines solchen Plafonds bei der eingentümlichen staatsrechtlichen Aufteilung in Reich, Ländern und Gemeinden ein dringendes Erfordernis ist. Es ist völlig ausgeschlossen, daß auch nur 1 Pfennig Geld neuer langfristiger Kredite nach Deutschland käme, wenn der Wirtschafts- und Finanzplan im übrigen durchgeführt wäre, das Plafondsgesetz aber nicht. Das geldgebende In- und Ausland will absolut wissen und sichergestellt sehen, daß die jetzt in Gang gebrachte rigorose Sparsamkeitspolitik und Staatsvereinfachung nicht nur in diesem Augenblick großer Notzeit in Deutschland Anklang gefunden hat, sondern auch für eine weitere Zukunft Richtschnur jeder staatspolitischen Arbeit in Deutschland bleiben wird. Die Gefahr wäre ja auch zu groß, daß bei einem Scheitern des Plafondgesetzes die starken Ansätze nach dieser Richtung hin bei einer vielleicht auch nur geringfügigen Besserung unserer wirtschaftlichen Lage alsbald wieder anderen Gesichtspunkten weichen müßten. Dem schiebt aber das Plafondgesetz einen kräftigen Riegel vor, und somit sage ich nicht zuviel, wenn ich nochmals wiederhole, daß gerade dieses Plafondgesetz der Drehpunkt und Schlußstein des ganzen Wirtschafts- und Finanzplanes der Reichsregierung ist. Kann man bezüglich dieses Gesetzes verfassungsmäßig nicht ebenso verfahren, wie mit den übrigen Teilen des Gesamtplanes, so scheidet die mündlich erörterte Art der Erledigung nach meiner vorläufigen Beurteilung vielleicht sogar überhaupt aus.

Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich Ihnen als Grundlage der Bildung Ihrer sachverständigen und zuständigen Auffassung noch diese Ausführungen gemacht habe. Da ich die politischen Zusammenhänge in ihrer Gesamtheit – wie es ja meines Amtes ist – natürlich dauernd beurteilen muß, fühlte ich mich zu diesen Ausführungen geradezu verpflichtet. Über die Einzelheiten dieses Briefes habe ich mit dem Herrn Reichskanzler noch nicht sprechen können. Ich habe aber keinen Zweifel, daß er sie vollinhaltlich billigen wird.

Abschrift dieses Briefes habe ich Herrn Staatssekretär Zweigert zugehen lassen.

Mit herzlichen Grüßen bin ich

Ihr

gez. Dr. Pünder

Fußnoten

1

Damit ist der GesEntw. über Haushaltsbegrenzung des Reichs, der Länder und Gemeinden für 1932 und 1933 gemeint: s. Dok. Nr. 183.

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