1.43 (vpa2p): Nr. 172 Telegramm der „Grünen Front“ an den Reichskanzler. 17. Oktober 1932

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[793] Nr. 172
Telegramm der „Grünen Front“1 an den Reichskanzler. 17. Oktober 1932

R 43 I /1176 , Bl. 266–268

[Kontingentierung landwirtschaftlicher Einfuhren]

Der bisherige Verlauf der Kontingentierungsverhandlungen2 rechtfertigt leider in vollem Umfange unsere von Anfang an ausgesprochenen eindringlichen Warnungen vor den bisher angewandten Methoden3. Wir wiederholen daher die dringende Bitte, diese Verhandlungen unverzüglich einzustellen, deren Fortsetzung die Lage nur weiter erschweren muß4. Wir dürfen der Reichsregierung keinen Zweifel darüber lassen, daß die deutsche Landwirtschaft einmütig an der beschleunigten Durchführung der Kontingentierung festhält und daß sie von der Reichsregierung die endliche Einlösung ihrer wiederholten Zusagen erwartet. Eine weitere Verzögerung müßte das Vertrauen der Landwirtschaft in die Entschlossenheit der Reichsregierung, gerade der bäuerlichen Landwirtschaft zu helfen, zerstören und damit eine Lage schaffen, auf deren großen Ernst wir nachdrücklich hinweisen.

Die Reichsregierung muß dem untragbaren Zustande ein Ende machen, daß der Bauernstand, von dessen Gesundung der Wiederaufbau Deutschlands entscheidend abhängt, in immer schneller wachsendem Umfange der wirtschaftlichen Krise zum Opfer fällt. In einer Zeit, in der währungs- und handelspolitische Maßnahmen fremder Staaten zu einem steigenden Druck des übersättigten und deroutierten Weltagrarmarktes auf die Erzeugung aus der heimischen Scholle führen, ist die entschlossene Durchführung einer wirksamen Abwehr ein Gebot der Selbsterhaltung des deutschen Volkes5.

Brandes

Kalckreuth

Hermes

Fehr

Fußnoten

1

1929 gebildete Arbeitsgemeinschaft der einflußreichsten landwirtschaftlichen Spitzenverbände (Reichslandbund, Vereinigung der deutschen Bauernvereine, Deutsche Bauernschaft, Deutscher Landwirtschaftsrat) zur Durchsetzung höherer Agrarzölle.

2

Hierzu vgl. den Bericht des StS Mussehl vor dem Kabinett am 7. 10. (Dok. Nr. 163, P. 6).

3

Vgl. Dok. Nr. 131, dort auch Anm 10.

4

Enttäuschung über das Ergebnis der Kontingentierungsverhandlungen äußerten – allerdings aus völlig entgegengesetzter Interessenlage – in jenen Tagen auch die Hansestädte Hamburg und Lübeck. So hatte der Präs. des Hamb. Senats Petersen am 10. 10. an den RK telegrafiert: „Erfahrungen seit Einleitung Verhandlungen […] bestätigen Befürchtungen Hansestädte allen Umfangs. Weitgehende Schädigungen Ausfuhrhandels mit Holland, Dänemark, Schweden, Finnland, Estland bereits eingetreten. Empfang deutscher Vertreter im Ausland wird vielfach grundsätzlich unter Hinweis auf beabsichtigte deutsche Kontingentierungen abgelehnt. Englischer Export überall im Vordringen dank großzügiger Propaganda. Nur durch entschlossenen Verzicht auf Durchführung Einfuhrkontingentierungen kann Schlimmstes verhütet werden.“ (R 43 I /1176 , Bl. 256–257). – Hiermit ganz übereinstimmend kennzeichnete der Präs. des Lüb. Senats Löwigt in einem Telegramm an Papen vom 11. 10. die Verhältnisse in Holland und den skandinav. Staaten und fügte hinzu: „Lübeck als Ostseehandelsstadt ist durch die wirtschaftspolitischen Gefahren in höchstem Maße bedroht. Diese Erfahrungen veranlassen den Senat, in letzter Stunde dringend zu ersuchen, die Maßnahmen der Einfuhrkontingentierung nicht zur Durchführung zu bringen.“ (Ebd., Bl. 258–259).

5

Das Telegramm wurde von der Rkei nach Ausweis der Akten nicht beantwortet.

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