Text
Nr. 7
Der Staatssekretär im Reichsverkehrsministerium Koenigs an den Staatssekretär in der Reichskanzlei. 7. Dezember 1932
[Französische Formel zur militärischen Gleichberechtigung.]
Sehr verehrter Herr Planck!
Da ich mir nicht völlig sicher bin, ob ich mich in meinen Einwendungen gegen die in der heutigen Kabinettsitzung1 beratene Gleichberechtigungsformel klar genug ausgedrückt habe und vom Herrn Reichskanzler richtig verstanden worden bin, möchte ich Ihnen meine Besorgnisse nochmals schriftlich übermitteln und stelle anheim, mein Schreiben dem Herrn Reichskanzler vorzulegen. Ich darf mich zunächst auf die vom Herrn Reichsjustizminister gemachten Ausführungen[27] berufen, nach denen die Annahme der Formel eine „Verschiebung der Basis“ bedeuten würde. Nach der bisherigen deutschen Einstellung wollten wir nur nach Genf zurückkehren, wenn vorher die Gleichberechtigungsforderung eindeutig anerkannt war. Jetzt wird die Wiederbeteiligung Deutschlands an der Abrüstungskonferenz in Erwägung gezogen, obwohl die deutsche Gleichberechtigung nur als Ziel der Abrüstungskonferenz bezeichnet wird. Diesen Gedankengang habe ich nicht noch einmal wiederholen zu brauchen geglaubt.
Meine besonderen Bedenken richten sich gegen die in der Formel gebrauchte Bezeichnung der Gleichberechtigung als „eines der Ziele“ der Abrüstungskonferenz und gegen die Verbindung – ich möchte sagen Nachordnung – der Gleichberechtigungsfrage hinter die Sicherheitsfrage. Der erste Punkt scheint mir durch den heute im Reichskabinett beschlossenen Zusatz und durch die geforderte Anerkennung der Gegenseite klargestellt zu sein. Anders liegt es dagegen mit dem zweiten Punkt. Alle bisherigen Genfer Eindrücke haben mich zu der Meinung gebracht, daß die Sicherheitsfrage im französischen Sinne nie als etwas Konkretes anzusehen ist, sondern daß sie je nach den Umständen kautschukartig verändert oder in die Länge gezogen wird, um ja nur nicht an die Gleichberechtigungsfrage heranzukommen. Daher auch die Rangordnung im Tableau synoptique: Erst Sicherheitsfrage, dann Gleichberechtigungsfrage. Zudem scheint jetzt schon festzustehen, daß das französische Sicherheitssystem2 Gegenstände enthält, die weder von Deutschland noch von anderen namhaften Staaten angenommen werden können. Ich rechne mit Bestimmtheit auf das Wiederauftauchen der mich ressortmäßig allein berührenden Internationalisierung der Zivilluftfahrt und weise außerdem hin auf die Probleme der internationalen Armee, eines politischen Stillhalteabkommens und eines europäischen Vertrages in Auswirkung des Kellog-Paktes, der einem „Ost-Locarno“ gleichkomen würde, Fragen, die ich nicht aufgeworfen habe, weil sie vom Auswärtigen Amt hätten gebracht werden müssen.
Ich muß befürchten, daß wir die Sicherheitsforderungen, welche der Form nach als ein System von Sicherheitsmaßnahmen erscheinen, die allen Völkern zugute kommen, tatsächlich aber von Frankreich bestimmt werden und nur zum Schutze Frankreichs dienen sollen, nicht akzeptieren können und daß die Gleichberechtigungsfrage dann später vor der Welt an unserer politischen Haltung scheitert.
Ich glaubte Ihnen diese Bedenken in Abwesenheit meines Herrn Ministers nochmals in präziser Form zur Kenntnis bringen zu sollen3, und bin mit dem Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung
Ihr ergebener
Koenigs
Fußnoten
- 2
Vgl. dazu das deutscherseits als brauchbare Verhandlungsgrundlage angesehene Memorandum der frz. Delegation zur Abrüstungskonferenz vom 14.11.1932 (Herriot-Plan) mit dem Titel: „Plan d’organisation de la paix“ (R 43 I/533, Bl. 182–198; Abdruck bei K. Schwendemann: Abrüstung und Sicherheit. Bd. 1, S. 849 ff. und in: DDF, Ière Série, Bd. I, Dok. Nr. 331).
- 3
Planck übermittelt diesen Brief noch am gleichen Tag dem StSAA mit der Bemerkung, daß er die Besorgnisse des RVMin. nicht teilen und „aus der Sicherheitsfrage keine besondere Gefahr für die deutsche Zivilluftfahrt ableiten“ könne (R 43 I/533, Bl. 220). StS v. Bülow schließt sich dieser Auffassung am 10. 12. an (ebd., Bl. 221), so daß StS Planck dem StSRVMin. am 14. 12. unter Verwendung Bülowscher Wendungen antwortet, daß die Freiheit der Zivilluftfahrt zu den Abrüstungs- und nicht zu den Sicherheitsfragen gehöre. „Im übrigen ist unserer Delegation der Standpunkt des Reichsverkehrsministeriums bekannt. Sie teilt ihn und wird ihm nötigenfalls mit allem Nachdruck Geltung zu verschaffen suchen.“ (Ebd., Bl. 222).