2.36.1 (bau1p): 1. Verordnungsentwurf des Reichspräsidenten auf Grund des Artikels 49 der künftigen Verfassung.

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1. Verordnungsentwurf des Reichspräsidenten auf Grund des Artikels 49 der künftigen Verfassung.

Nach Erläuterung des Entwurfs2 durch den Unterstaatssekretär im Reichsjustizministerium regte der Reichsminister des Innern zu § 103 an, besonders zum Ausdruck zu bringen, in welchen Fällen die Bildung von Standgerichten angeordnet werden könne und am Eingang die Worte zu setzen: „Im Falle des bewaffneten Aufruhrs oder Widerstandes kann …“.

Das Kabinett stimmte dieser Anregung grundsätzlich zu. Die Fassung des § 10 wird vom Reichsjustizministerium erfolgen4. Der Vertreter des letzteren schlug vor, vorkommenden Falles zunächst nur die §§ 1–5 über den Belagerungszustand und erst im Falle der Verschlimmerung der Lage die §§ 6–11 über die Standgerichte in Kraft zu setzen5.

[153] Das Kabinett faßte folgenden Beschluß:

1.

Mit der erwähnten Änderung wird dem Entwurf zugestimmt.

2.

Die Verordnung bleibt zunächst unveröffentlicht.

3.

Eintretendenfalls werden zunächst die §§ 1–5, im Falle der Verschlimmerung der Lage die §§ 6–11 in Kraft gesetzt.

4.

Den Regierungen der Freistaaten soll durch den Ministerpräsidenten empfohlen werden, entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Der Entwurf eines diesbezüglichen Anschreibens wird der Reichskanzlei vom Reichsjustizministerium zugehen, sobald die Verfassung verabschiedet und damit die Aufstellung des endgültigen Entwurfs der Verordnung möglich ist6.

Fußnoten

2

Es handelt sich um die aufgrund des Kabinettsbeschlusses vom 22. 7., TOP 1 verschärfte Neufassung der Ausführungsbestimmungen zur Regelung des mil. Ausnahmezustandes (R 43 I /1350 , Bl. 519–529).

3

§ 10 VOEntw. sieht zusätzlich zu den im Vorentw. genannten außerordentlichen Gerichten die Einrichtung von besonderen Standgerichten unter Vorsitz eines Offiziers vor. Sie sollten für die Aburteilung von Rädelsführern bei Aufruhr und Landfriedensbruch zuständig sein, wenn diese „auf frischer Tat mit Waffen in der Hand betroffen (würden)“ (§ 6 Abs. 2). Das Urteil der Standgerichte könne nur auf Todesstrafe lauten. Es unterliege keinem Rechtsbehelf, bedürfe der Bestätigung durch den Inhaber der vollziehenden Gewalt und würde nach der Bestätigung durch Erschießen vollstreckt.

4

Die erweiterte Neufassung des VOEntw. legt das RJMin. dem RMinPräs. mit Schreiben vom 11. 8. vor (R 43 I /2698 , Bl. 145–150). Darin lautet § 10 Abs. 1: „Im Falle eines Aufruhrs oder Landfriedensbruchs kann der Reichswehrminister zur Aburteilung der im § 6 Abs. 2 bezeichneten Verbrechen die Bildung von Standgerichten anordnen.“

5

Zum Inhalt der genannten Bestimmungen s. Dok. Nr. 31, Anm. 4 und 5. – Der Protokolltext ist an dieser Stelle insofern ergänzungsbedürftig, als in den §§ 6–11 VO-Entw. neben der Errichtung von Standgerichten auch die Bildung von sog. „außerordentlichen Gerichten“ vorgesehen ist. Die hier vorgeschlagene differenzierte Anwendung der VO entspricht der bisher geübten Praxis, entsprechend der Entwicklung der Lage den „kleinen“ oder „großen“ Belagerungszustand zu verhängen. Diese Unterscheidung gründet sich auf das pr. Ges. über den Belagerungszustand vom 4.6.1851 (GS S. 451), das im Kaiserreich neben Art. 68 der RV von 1871 für das dt. Ausnahmerecht bestimmend war. Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings darin, daß bei einer Verhängung des einfachen Ausnahmezustandes mittels §§ 1–5 der vorliegenden VO bereits die Möglichkeit gegeben ist, die Exekutivgewalt auf das Militär zu übertragen. Dies war bislang als ein wesentliches Kennzeichen des die bestehende Rechts- und Zuständigkeitsordnung aufhebenden verschärften Ausnahmezustandes angesehen worden.

6

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 45, P. 7.

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