2.23.1 (cun1p): 1) Erhöhung der Preise für Umlagegetreide.

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1) Erhöhung der Preise für Umlagegetreide.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft trägt den Inhalt seines mit Schreiben vom 15. Dezember – I 14351 – übersandten Antrags, betreffend Festsetzung der Preise für das dritte Sechstel der Getreideumlage, vor1. Er betont, daß der Sprung in der Erhöhung der Getreidepreise von den Verbraucherkreisen sehr schwer empfunden werden würde, daß er aber im Interesse der landwirtschaftlichen Produktion unbedingt erforderlich sei. Sein Antrag bliebe hinter den vom 21. Ausschuß beschlossenen Preisen zurück2.[71] Er habe sich aber überzeugt, daß man es in den maßgebenden Kreisen der Landwirtschaft verstehen würde, wenn die Regierung den Preis nur wie im Antrag vorgesehen festsetzte. Er habe auch mit führenden Persönlichkeiten der Sozialdemokratie gesprochen, die zwar eine Erhöhung des Preises für unumgänglich hielten, aber doch die vorgeschlagene Summe für zu hoch erachteten. Er schlage vor, die Umlage mit einer Kundgebung zu veröffentlichen, die auf die Verbraucher beruhigend einwirke und unter seinem Namen in die Presse kommen solle3. Man müsse unbedingt das sachliche Interesse dem politischen voranstellen. Die Landwirtschaft leide unter größter Kreditnot. Ein Heruntergehen unter die vorgeschlagenen Preise halte er im Interesse der landwirtschaftlichen Produktionsförderung für unmöglich. Man müsse die größte Sorge für das nächste Jahr haben, da die Herbstbestellung mangelhaft ausgefallen sei.

In der Debatte wird von Reichsminister Dr. Brauns die Frage aufgeworfen, ob eine staatliche Subvention im Interesse der Verbraucherkreise denkbar wäre. Diese Anregung wird, insbesondere vom Vertreter des Reichsfinanzministeriums, als nicht durchführbar bezeichnet.

Reichsminister Dr. Geßler und Groener regen an, ob die Bekanntmachung nicht bis nach Weihnachten hinausgeschoben werden könnte.

Der Reichsminister für Ernährung erklärt, eine solche Verschiebung mit Rücksicht auf die Landwirtschaft als nicht tragbar.

Der Herr Reichskanzler stellt als Ergebnis der Besprechung fest, daß gegen die Höhe der Preise keine Einwendungen erhoben worden sind, daß aber vor der Bekanntmachung noch einmal mit den Sozialdemokraten Fühlung genommen werden solle4.

Fußnoten

1

Antrag des REM in den Akten nicht ermittelt, sein Inhalt ergibt sich aus einer Pressenotiz v. 20. 12. (s. Anm. 2 und 3).

2

Gemeint ist offenbar der 20er-Ausschuß, der nach § 50 des Getreideverkehrsgesetzes für 1922 (RGBl. 1922 I, S. 560 ) bei der Preisfestsetzung für Umlagegetreide mitwirkt. Die Mehrheit des Ausschusses hatte einen Roggenpreis von 185 000 M pro t gefordert, die Verbraucherminderheit hielt dagegen einen Preis von 102 605 M für angemessen. Der Antrag des REM fordert 165 000 M. Der bisherige Umlagepreis hatte 28 600 M betragen, der freie Marktpreis war bei 270 000 M angelangt (Pressenotiz in DAZ Nr. 558 vom 20.12.22).

3

Luther erläutert die Stellungnahme der RReg. in einer Pressekonferenz, in der er zunächst die Zahlen darlegt, nach denen die RReg. den neuen Preis ermittelt hat. Weiterhin erklärt er: „Die Regierung erwartet, daß der Landwirt aus dieser sehr erheblichen Steigerung gegenüber den bisherigen Preisfestsetzungen erkennt, daß sie entschlossen ist, ihm die wirtschaftliche Grundlage zu einer vollen Anspannung seiner Kräfte auch für die kommende Ernte zu gewähren. Die Regierung geht auch von der Erwartung aus, daß die Verbraucher, deren eigenstes Interesse die Ablieferung des Umlagegetreides und die Vorbereitung der nächstjährigen Ernte ja ist, der Notwendigkeit dieser Preisfestsetzung Verständnis entgegenbringen. Die Regierung hat auch Schritte getan, um den Druck der für Mitte Januar zu erwartenden Brotpreiserhöhung unter Berücksichtigung der gesamten dann obwaltenden Geldwertverhältnisse tunlichst zu erleichtern.“ (DAZ Nr. 558 vom 20.12.22). In R 43 I /1261  findet sich statistisches Material über die Aufschlüsselung des Brotpreises, insbesondere über die Relation zwischen Getreide- und Brotpreis.

4

Am 17. 12. läßt die RReg. über WTB die Meldungen des ‚Vorwärts‘ dementieren, nach denen der Umlagepreis auf 170 000 – 180 000 M festgesetzt würde: „Es ist, wie bereits angekündigt, eine beträchtliche Erhöhung der Preise für das 3. Sechstel der Getreideumlage notwendig. Über das Ausmaß der Erhöhung ist jedoch endgültige Entscheidung noch nicht getroffen.“ (R 43 I /1261 , Bl. 155). Der ‚Vorwärts‘ erklärt dazu am 17. 12.: „Das Dementi bestätigt also die Befürchtung, daß mit einer gewaltigen Erhöhung des Brotpreises binnen kurzem zu rechnen ist, daß man also im REMin. über den von den Verbrauchern zugestandenen Umlagepreis weit hinausgehen will. […] Das REMin. hat die Absicht, die Landwirte erheblich mehr zu begünstigen. Es erfreut sich dabei der Unterstützung der bürgerlichen Parteien. Es wird aber darauf verzichten müssen, die Unterstützung der Sozialdemokraten für eine derartige Maßnahme zu finden. Diese hat alle Veranlassung, gegen die neuerliche Verteuerung des Brotes namens der verbrauchenden Massen schärfsten Protest zu erheben und wird sich darin keinesfalls beirren lassen.“ Über die Fühlungnahme Luthers mit der SPD s. Dok. Nr. 26, P. 2.

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