2.58 (cun1p): Nr. 58 Oberbürgermeister Adenauer an Reichskanzler Cuno. Köln, 27. Januar 1923

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 6). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

Extras:

 

Text

RTF

[200] Nr. 58
Oberbürgermeister Adenauer an Reichskanzler Cuno. Köln, 27. Januar 1923

R 43 I /206 , Bl. 148-150 eigenhändig

[Betrifft: Verhalten in der britischen Besatzungszone]

Sehr verehrter Herr Reichskanzler!

Der hiesige britische Bezirksdelegierte1 ist am 26. d. M. mit neuen Instruktionen aus London zurückgekehrt. Er ist eine stärkere Persönlichkeit als der britische Vertreter in der Rheinlandkommission2 und mit dem britischen Handelsminister3 persönlich befreundet. Er hat mit diesem jetzt in London eine anderthalbstündige Aussprache gehabt. Den Erklärungen des Herrn ist daher vielleicht eine größere Bedeutung zuzuschreiben, als es seine Stellung an sich rechtfertigt. Er erklärte, das Londoner Kabinett sei in einer ganz furchtbaren Lage, es erkenne den Ernst der Situation auch für England, könne aber nichts tun. Eine Intervention Englands bei Frankreich komme nicht in Frage. Ihre einzige, wie er selbst sagte, schwache Hoffnung sei, daß der deutsche Widerstand länger andauere und daß dann in Frankreich ein Umschwung eintrete. Dafür seien nach den Berichten, die London erhalten habe, gewisse Anzeichen vorhanden, diese Hoffnung sei aber schwach. Er habe die Anweisung, die Stellung in Köln möglichst lange zu halten; man sei sich aber in London klar, daß dies auf die Dauer wohl nicht möglich sein werde. Sobald in der britischen Zone ein Konflikt ausbreche, würden sie sofort abziehen. Er bitte daher dringend, daß auf deutscher Seite alles vermieden werde, was zu einem Konflikt führen könne. Er habe Tirard am 26. zufällig auf der Reise nach Paris getroffen, dieser habe ihm gesagt, man werde das britisch besetzte Gebiet zunächst etwa 2 – 3 Wochen in Ruhe lassen, bis man mit dem übrigen fertig sei, dann werde man auch an das britisch besetzte Gebiet herangehen.

Wir kommen hier im britisch besetzten Gebiet durch diese Konstellation in eine etwas eigenartige Lage; wir müssen uns, um entsprechend ihrer Politik die Engländer möglichst lange hierzuhalten, sehr zurückhalten. Es können nun Situationen eintreten, in denen ein genaues Verfahren nach den von der Reichsregierung erlassenen Anweisungen den Konflikt und damit den Abzug der Engländer herbeiführen würde. Wir haben den Oberpräsidenten in Koblenz4[201] gebeten, dort dahin vorstellig zu werden, daß auf unsere Bitte sofort ein mit Vollmacht versehener Reichsminister nach Elberfeld kommen möchte, dem wir – d. i. Behörden, Industrielle, Arbeiter – die Situation vortragen können und der dann entscheiden soll, wie wir uns verhalten sollen. Diese Bitte möchte ich Ihnen, Herr Reichskanzler, noch besonders ans Herz legen, damit wir unser Verhalten immer entsprechend den Intentionen der Reichsregierung einrichten können5. Vermutlich liegt die größte Konfliktsgefahr infolge einer gestern von der Rheinlandkommission erlassenen neuen Verordnung im Braunkohlenbergbau6.

Ich bin, hochverehrter Herr Reichskanzler, Ihr Ihnen wie stets treu ergebener

Adenauer

Fußnoten

1

Piggott.

2

Lord Kilmarnock.

3

Sir Philip Cunliffe-Lister.

4

Fuchs.

5

Lt. Vermerk Cunos vom 31. 1. wird das Schreiben Adenauers dem RWiM vorgelegt, der Anfang Februar nach Köln fährt und darüber dem Kabinett am 3. 2. berichtet (Dok. Nr. 63).

6

Am 25. 1. hatte die Irko als Ordonnanz Nr. 137 eine „VO, betreffend die Kohlenverteilung in den besetzten rheinischen Gebieten“ erlassen. mit der sie die Verteilung von Stein- und Braunkohle im bes. Geb. dem mit Ordonnanz Nr. 135 gebildeten Kohlenkomitee der Irko unterstellte. Ebenfalls am 25. 1. hatte die Irko als Ordonnanz Nr. 138 eine „Sonderverordnung, betreffend die Förderung der Kohle und die Ausbeutung der Bergwerke in den besetzten Gebieten“ erlassen, mit der die Micum die Aufgaben des deutschen Kohlensyndikats in den der Amtsbefugnis der Irko unterworfenen Gebieten übernimmt. Die Micum entsendet zu diesem Zweck einen Delegierten an die Irko, der die Befehle des Kohlenkomitees der Irko auszuführen hat. Die Ordonnanzen Nr. 135, 137, 138 sind abgedruckt in RT-Drucks Nr. 5555, Bd. 376, S. 35 ff.

Extras (Fußzeile):