2.154.1 (feh1p): Teuerungszuschläge für Beamte und Arbeiter des Reichs.

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Teuerungszuschläge für Beamte und Arbeiter des Reichs1.

I. Der Herr Reichskanzler machte kurz Mitteilung über die mit den Gewerkschaften2 und dem Beamtenbunde3 gepflogenen Verhandlungen und dem Ergebnis der Besprechung zwischen den Ministern Dr. Brauns und v. Raumer mit den Herren Cohen und Graßmann4.

[408] Der Reichsarbeitsminister führte aus, daß man notwendigerweise zu einem Ergebnis kommen müßte, bei dem beide Parteien bestehen könnten, d. h. die Regierung dürfe weder ihre Autorität preisgeben noch auch dürften die Gewerkschaften mit einem glatten Nein nach Hause gehen. Es käme daher darauf an, eine Form zu finden, die für beide erträglich sei. Er würde daher glauben, man solle den Gewerkschaften vorschlagen, noch heute in einer engeren Kommission die Angelegenheit zu verhandeln, um zu einem Ergebnis zu kommen. Hierbei müsse man an der Basis der bisherigen Abmachungen grundsätzlich festhalten, insbesondere bei dem Höchstteuerungszuschlage von 70% stehen bleiben. Auch dürfte die etwa durch Verschiebungen innerhalb der Grenzen entstehende Mehrbelastung höchstens einige hundert Millionen ausmachen. Ferner dürfte eine Änderung der Besoldungsordnung nicht eintreten. Wenn man auf dieser Basis verhandle, glaube er, daß man zu einer Verständigung gelangen könne. Er würde vorschlagen, daß man mit je einem Vertreter der Gewerkschaften und der Eisenbahnerverbände sowie mit je einem Vertreter der politischen Parteien die Kommission zusammensetzen könne. Zwei Vorschläge seien zu erwägen:

Vorschlag 1: Erhöhung der Teuerungszuschläge

in

Ortsklasse

A

auf

70%

in

Ortsklasse

B

auf

67%

in

Ortsklasse

C

auf

65%

in

Ortsklasse

D

auf

60%

in

Ortsklasse

E

auf

55%.

Vorschlag 2: Erhöhung

in

Ortsklasse

A

auf

70%

in

Ortsklasse

B

auf

67%

in

Ortsklasse

C

auf

65%

in

Ortsklasse

D

auf

62%

in

Ortsklasse

E

auf

60%.

Die Mehrkosten würden von dem Reichsfinanzministerium für den Vorschlag 1 auf 368 Millionen, für den Vorschlag 2 auf 585 Millionen Mark angegeben.

Der Reichsminister der Finanzen glaubte auch, soweit er die Stellung der Mitglieder des Kabinetts beurteile, daß man um einige hundert Millionen den friedlichen Ausgang nicht scheitern lassen dürfe. Immerhin sei die Differenz nicht unbeachtlich. Auch müsse ev[entuell] die Folgerung für die Kriegsbeschädigten gezogen werden. Endlich sei zu erwägen die Bildung eines Notstandsfonds von etwa 500 Millionen für hungernde Kleinrentner, um eine große Anzahl deutscher Volksgenossen, die nicht im Produktionsprozeß ständen und nicht Sozialrentner seien, vor dem Hungertode zu bewahren.

Nach längerer Erörterung wurde beschlossen, den Parteiführern den Vorschlag 1) zur Annahme zu empfehlen und sich des Einverständnisses zu versichern, daß sie mit einer Erhöhung des Maximalbetrages von 2,8 Milliarden[409] Mark um einige Prozent einverstanden sein würden. Im übrigen soll an dem System und der Oberst- und Mindestgrenze von 70 und 55% festgehalten werden. Zur Leitung der Verhandlungen im Unterausschuß wurde der Reichsarbeitsminister bestimmt, der sich hierzu bereit erklärte.

II. Der Reichsminister der Finanzen bat nunmehr, dem in der Anlage beigefügten Gesetzentwurfe schon heute zuzustimmen, in dem in § 2 die Steuern aufgeführt würden, aus denen die Deckung für die neuen Forderungen genommen werden sollten5. Ferner sollte den Ländern bis zu einem Zeitpunkt, bis zu dem die neuen Steuern flössen, die Neuaufwendungen für Beamte, Ruhegehaltsempfänger und deren Hinterbliebene aus der Reichskasse erstattet werden. Von verschiedenen Seiten wurde darauf hingewiesen, daß eine Verkoppelung der Vorschläge mit neuen Steuern und eine Bindung der politischen Parteien im Augenblick auf bestimmte Steuern unmöglich sein würde. Wenn man überhaupt den Ländern eine Zusage machen wolle, so könne diese nur in allgemeiner Form aufgenommen werden.

Es wurde beschlossen, auch diese Frage mit den Führern der politischen Parteien zu erörtern6.

Fußnoten

1

Zur Vorgeschichte s. Dok. Nr. 146, P. 1 und Dok. Nr. 151, P. 4.

2

Die Verhandlungen mit Gewerkschaften hatten am Morgen des 14.1.1921 stattgefunden; an ihnen nahmen Mitglieder der RReg. und Vertreter der Eisenbahnerorganisationen und der Gewerkschaften teil (Gewerkschaftsring dt. Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände, Reichsgewerkschaft dt. Eisenbahnbeamter und -anwärter, Allgemeiner Eisenbahnerverband, ADGB, Dt. Eisenbahnerverband, DGB, Gewerkschaft dt. Eisenbahner und der Gesamtverband der Christlichen Gewerkschaften).

Die Eisenbahner- und Gewerkschaftsvertreter legten dabei einen neuen Vorschlag über die Erhöhung der Teuerungsvorschläge vor, nach dem die Zuschläge zum Grundgehalt und zum Ortszuschlag für die Beamten zwischen 60% und 75% und für die Arbeiter zwischen 40 und 70 Pf. je nach Orts- und Gehaltsklasse erhöht werden sollten. Die RReg. lehnte diesen Vorschlag als zu große Belastung für den Reichshaushalt ab; es wurde jedoch die Möglichkeit offengehalten, zu einem neuen Gespräch zusammenzutreffen (Protokoll dieser Verhandlungen, R 43 I /2560 , Bl. 198–202).

3

Die Verhandlungen mit dem Dt. Beamtenbund hatten anschließend am Mittag des 14. 1. stattgefunden. Dabei hatten die Vertreter des Beamtenbundes die Forderungen der Beamten vorgetragen. Streitpunkt zwischen der Reg. und dem Beamtenbund war vor allem die Forderung der Beamten auf einen Mindestteuerungszuschlag für die unteren Gehälter. Bei Beendigung der Verhandlungen behielt der RK sich eine Antwort an den Beamtenbund vor (Protokoll der Besprechung, R 43 I /2560 , Bl. 203).

4

Ebenfalls am Mittag des 14. 1. hatten die Minister v. Raumer und Brauns eine Besprechung mit den Vertretern des ADGB, Cohen und Graßmann, geführt. Dabei war beschlossen worden, am Nachmittag im Rahmen einer Kommission, bestehend aus je einem Vertreter der Spitzenverbände, des Beamtenbundes, der politischen Parteien und Vertretern des RFMin. und des RVMin. über die Teuerungszuschläge weiter zu verhandeln. Dabei sollte jedoch an der oberen Grenze von 70% für die Erhöhung der Teuerungszuschläge grundsätzlich festgehalten werden (Bericht der Minister Brauns und v. Raumer, R 43 I /2560 , Bl. 203).

Zu der geplanten Nachmittagssitzung s. Dok. Nr. 155, Anm. 2.

5

Zur Deckung der Ausgaben für die Teuerungszuschläge sah der vom RFM eingereichte Entw. vor:

1. eine Erhöhung der Zuckersteuer, der Einnahme aus dem Branntweinmonopol und aus den Reichsstempelabgaben,

2. Einführung des Süßstoffmonopols,

3. Besteuerung der Rennwetten und

4. erhöhte Einnahmen aus der Kohlensteuer (Entw. eines Gesetzes, betreffend eine weitere vorläufige Regelung des Reichshaushalts für das Rechnungsjahr 1920, R 43 I /2560 , Bl. 215 bis 216).

6

Bei der Besprechung der RReg. mit den Führern der politischen Parteien im Anschluß an die Kabinettssitzung erklärten sich diese mit der vorgesehenen Regelung einverstanden (Protokoll der Sitzung, R 43 I /2560 , Bl. 207).

Siehe dazu weiter Dok. Nr. 155, P. 1.

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