2.80.1 (lut1p): 1. Amnestie.

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Text

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1. Amnestie.

Staatssekretär Joel berichtete über die Möglichkeit einer Amnestie2. In Frage kämen Einzelgnadenbeweise3 oder Amnestiegesetz.

[268] Was die Einzelgnadenbeweise anlange, so sei es möglich, auch bei diesen sehr umfassend vorzugehen, und zwar nach rechts und links. Die Amnestie sei nur auf dem Wege des Gesetzes möglich. In Betracht komme für diese Amnestie:

1.

Niederschlagen schwebender Verfahren wegen Hochverrats mit dem Stichtag des 1. Oktober 1923;

2.

Niederschlagen anhängiger Verfahren wegen Vergehen gegenüber dem Republikschutzgesetz bis zur Gegenwart;

3.

Genereller Erlaß von bereits rechtskräftig erkannten Strafen, jedoch unter Beschränkung der für die Amnestie in Betracht kommenden Strafhöhe.

Dieses Amnestiegesetz biete sowohl nach rechts als auch nach links bis zu einem gewissen Grade Befriedigendes. Immerhin sei das Gesetz nur möglich, wenn die Sozialdemokratische Partei zustimme. Es sei daher notwendig, mit dieser zunächst Fühlung zu nehmen. Auch werde die Amnestie undurchführbar sein, wenn sich die Länder dieser nicht anschlössen.

Der Reichsminister des Innern hielt die Vorschläge für glücklich und empfahl, zunächst einmal die Sozialdemokratische Partei vor diesen Plan zu stellen4.

Der Reichskanzler war der gleichen Auffassung, hielt es aber für erforderlich, von unserem Standpunkt aus die Frage nicht abhängig zu machen von der Stellungnahme der Länder. Er werde versuchen, in München5 persönlich insbesondere mit dem Preuß. und dem Bayer. Ministerpräsidenten Fühlung zu nehmen6. Er bitte zu diesem Zweck um eine schriftliche Formulierung der für das Amnestiegesetz in Betracht kommenden Richtlinien.

Staatssekretär Dr. Joel sagte dies zu7.

Fußnoten

2

Im Auftrage des RK hatte StS Kempner mit Schreiben vom 30. 4. den RJM und den RIM ersucht, der RReg. umgehend einen Amnestiegesetzentwurf sowie eine Übersicht der verschiedenen Stichtage vorzulegen, bis zu denen ein etwaiger Straferlaß zurückgreifen könnte. Zur Begründung der besonderen Eilbedürftigkeit heißt es in diesem Schreiben: „Als vor einigen Monaten die Reichsregierung beriet, welche Stellung sie zu den von verschiedenen Parteien gestellten Anträgen […] auf den Erlaß einer Amnestie einnehmen sollte [s. die Ministerbesprechung am 30.1.25, Dok. Nr. 11], wurde der Gedanke geäußert, es sei zweckmäßig, eine Anmestie bis zur erfolgten Neuwahl des Reichspräsidenten zurückzustellen. Diese Neuwahl ist nunmehr erfolgt, und es muß mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß der neugewählte Herr Reichspräsident den Erlaß einer weitgehenden Amnestie erwägen wird.“ Sie müßte gegebenenfalls bereits am Tage nach der Vereidigung des RPräs. (12. 5.) ausgesprochen werden (R 43 I /1242 , S. 299c-300).

3

Einzelgnadenerweise wurden von Oberreichsanwalt Ebermayer bereits mit Schreiben an das RJMin. vom 13.2.25 angeregt. Ebermayer betonte, man werde bei solchem Vorgehen in der Lage sein, „die schwerere Tat von der leichter zu nehmenden, den Verführten von dem wirklichen Schädling zu scheiden.“ (R 43 I /1242 , S. 247-259).

4

Über Verhandlungen mit der SPD in den Akten nichts ermittelt. Wienstein vermerkt über eine Besprechung mit StS Joel im RJMin. am 9. 5., dieser „habe von dem Abg. Lohmann (deutsch-national) gehört, daß Demokraten und Zentrum Gegner einer Amnestie seien, und daß auch in den Kreisen der DVP nicht alle Stimmen für eine Amnestie zu haben sein würden. Nach seiner (des StS Joels) Auffassung werde man sich mit den Sozialdemokraten in der Amnestiefrage einigen können.“ (R 43 I /1242 , S. 303-305). Demgegenüber vertritt Joel in einer telefonischen Unterredung mit Wienstein am 15. 5. die Ansicht, daß eine Besprechung mit den Parteien, besonders mit der SPD, im Augenblick nicht ratsam sei. „Es komme besonders der SPD darauf an, Amnestie für die Straftaten zu erreichen, die aus Anlaß der Inflationswirren begangen worden seien. Man werde gegen diese sozialdemokratischen Wünsche auch nichts einwenden können. Die Straftaten aus Anlaß der Inflationswirren seien jedoch lediglich von Gerichten der Länder abgeurteilt worden, nicht von den Gerichten des Reichs. Deshalb müsse mit den Ländern in dieser Richtung Fühlung genommen werden.“ (Vermerk Wiensteins vom 16. 5. in R 43 I /1242 , S. 335 f.).

5

Zur Teilnahme an den Eröffnungsfeierlichkeiten des Dt. Museums reist der RK am 5.5. nach München.

6

S. dazu den Bericht des RK in der Ministerbesprechung am 11. 5. (Dok. Nr. 84).

7

Am Rand der Vorlage hier der handschrl. Vermerk Pünders: „Ist am selben Abend noch durch mich geschehen.“ Eine Zusammenstellung dieser Richtlinien konnte in den Akten nicht ermittelt werden.

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