2.134.2 (ma11p): 2. Frage des Wahltermins und der Reichstagsauflösung.

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[442]2. Frage des Wahltermins und der Reichstagsauflösung.

Der Reichskanzler führte aus, daß man anfänglich den 6. April als Wahltermin in Aussicht genommen habe, daß dieser Termin aber nunmehr aufgehoben worden sei. Es werde vielleicht zweckmäßig sein, die deutschen Wahlen nach den französischen Wahlen stattfinden zu lassen.

Der Reichsbankpräsident Der Reichsminister des Auswärtigen habe ihm gesagt, daß der 18. Mai der späteste Wahltermin sei. Heute habe Poincaré eine starke Opposition gegen sich. Er glaube infolgedessen nicht, daß Poincaré den Wahltermin durch ein verfassungsänderndes Gesetz hinausschieben könne.

Von einer Rechtsentwicklung in Deutschland werde Poincaré gewinnen. Die innenpolitischen Gründe, die in Deutschland vielleicht für frühere Wahlen sprächen, müßten hinter den außenpolitischen Gründen zurücktreten. Bei den Neuwahlen in Frankreich würde die Linke voraussichtlich an Einfluß gewinnen. Das habe ihm Loucheur ausdrücklich bestätigt.

Der Reichskanzler Auf jeden Fall müsse man noch mit dem alten Reichstag das Etatnotgesetz3 durchbringen. Es sei nun fraglich, wie lange man mit dem Reichstag noch zusammenarbeiten könne.

Der Reichsarbeitsminister Wenn man die Wahlen erst Ende Mai stattfinden lassen wolle, dann müsse man noch mit dem alten Reichstag bis Ende März zusammenarbeiten, um die Vorschrift der Reichsverfassung innezuhalten, daß eine Neuwahl bis spätestens am 60. Tage nach der Auflösung des Reichstags stattfinden müsse.4 Es sei aber unmöglich, mit dem Reichstag noch solange zusammenzuarbeiten. Er halte eine baldige Auflösung des Reichstages und eine Verlängerung der Frist von 60 Tagen auf 90 Tage für das beste.

Der Reichspostminister Auch die Parteien wünschten ein baldiges Ende des Reichstages.

Der Reichskanzler Es kämen im allgemeinen nur der 6. 4., der 18. und 25. 5. als Wahltermin in Betracht.

Der Vizekanzler Das besetzte Gebiet könne am 6. 4. noch nicht wählen, deshalb müsse dieser Termin als Wahltermin ausscheiden.

Reichsminister der Justiz Er halte es für zweckmäßig, wenn eine Regierungserklärung dahin abgegeben werde, daß die Regierung eine Begründung der von den Parteien zu den lebenswichtigen Verordnungen gestellten Abänderungsanträge und eine Überweisung dieser Anträge an Kommissionen nicht zulassen könne und wenn im Anschluß hieran eine Auflösung des Reichstages stattfinde.

Der Reichskanzler Die Frage der Auflösung habe er schon des öfteren mit dem Reichspräsidenten besprochen. Dieser sei der Ansicht, daß eine konkrete Tatsache für die Auflösung vorliegen müsse und daß bei der Auflösung alles zu vermeiden sei, was nach einer Verletzung des Ermächtigungsgesetzes, der Geschäftsordnung des Reichstages oder der Reichsverfassung aussehen könne.[443] Der Reichspräsident habe Bedenken dagegen, daß den Parteien die Möglichkeit einer Begründung ihrer Abänderungsanträge genommen werde.

Der Reichsminister der Justiz Es könne vielleicht folgende Formulierung für die Auflösung gewählt werden:

Da die Reichsregierung bei ihrem Verlangen, daß über die von den Parteien gestellten Abänderungsanträge zu den von der Regierung erlassenen lebenswichtigen Verordnungen zur Tagesordnung übergegangen werde, nicht die nötige Unterstützung des Reichstages gefunden habe, sei eine Auflösung erforderlich.

Der Reichswehrminister vertrat die Auffassung, daß besser eine rein politische Formulierung gewählt werde, in der ungefähr zum Ausdruck komme, daß ein Zusammenarbeiten der Regierung mit dem jetzigen Reichstage nicht möglich sei.

Der Vizekanzler war der Ansicht, daß die Bedenken, die der Reichspräsident dagegen habe, daß den Parteien eine Begründung ihrer Abänderungsanträge unmöglich gemacht werde, nicht stichhaltig seien. Allenfalls müsse das Kabinett dem Reichspräsidenten seine Demission in Aussicht stellen, falls dieser den Reichstag nicht auflösen wolle.

Der Reichskanzler stellte eine Übereinstimmung der Versammlung dahin fest, daß die Neuwahlen möglichst im Mai stattfinden sollten. Er stellte ferner fest, daß die Mehrheit der Versammlung es für das beste halte, wenn eine politische Formulierung für die Auflösung des Reichstages gefunden werde.

Fußnoten

3

S. Dok. Nr. 105, Anm. 4.

4

Art. 25 Abs. 2 RV.

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