2.191.2 (ma11p): 2. Außenpolitische Einstellung.

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2. Außenpolitische Einstellung.

Der Reichsbankpräsident bezeichnete es als erwünscht, die Frage der Ruhrräumung bei den kommenden internationalen Verhandlungen in den Vordergrund zu stellen und etwa die Formel zu vertreten: ohne daß der letzte französische Soldat das Ruhrgebiet verläßt, besteht keine Aussicht, die für das Eisenbahnprojekt erforderliche Zweidrittelmajorität in der deutschen Volksvertretung zu erlangen. Gerade von englischer und amerikanischer Seite werde das größte Gewicht darauf gelegt, daß das Gutachten nicht nur von der deutschen Regierung, sondern auch vom deutschen Volke im Geiste angenommen werde. Das sei insbesondere für die Geldgeber die Voraussetzung für das Vertrauen zur Durchführung des Gutachtens. Diesen Standpunkt habe er bereits dem französischen Vertreter der Reparationskommission in Berlin, Professor Hesnard, gegenüber vertreten, ohne Widerspruch zu begegnen. Er halte eine entschiedene außenpolitische Offensive in diesem Sinne für erwünscht.

Der Reichsminister der Finanzen regte an, diesen Gesichtspunkt durch den englischen Botschafter5 in London zur Geltung zu bringen.

Staatssekretär Bracht teilte mit, daß der Minister des Auswärtigen, Dr. Stresemann, empfohlen habe, unmittelbar nach Bekanntwerden der Wahlresultate eine Kundgebung an das Ausland des Inhalts gelangen zu lassen, daß die Linie der deutschen Außenpolitik eine Änderung nicht erfahren werde. Dies sei dringend erwünscht, um eine Beeinflussung der französischen Wahlergebnisse in ungünstigem Sinne zu vermeiden6.

Der inzwischen erschienene Reichsminister des Auswärtigen teilte mit, er habe vertraulich erfahren, daß das französische Kabinett den Standpunkt einnehme, das Sachverständigen-Gutachten in toto anzunehmen unter der Voraussetzung, daß in Deutschland die zur Durchführung des Gutachtens erforderliche Zweidrittelmajorität zustande komme. Ehe letzteres feststehe, hätten weitere politische Verhandlungen keinen Sinn, da ohne die Zweidrittelmajorität das Gutachten deutscherseits nicht durchgeführt werden könne. Im übrigen habe das französische Kabinett beschlossen, die Frage der interalliierten Schulden aufzurollen, aber im Falle der Aussichtslosigkeit offenzulassen.

Der englische Botschafter habe dringend empfohlen, möglichst sofort nach den Wahlen eine Kundgebung der deutschen Regierung in dem ausgeführten Sinne zu veranlassen, damit die französischen Wahlen nicht durch die Behauptung einer Änderung der deutschen Politik im Poincaréschen Sinne beeinflußt werden könnten.

[604] Er, der Reichsminister des Auswärtigen, halte diese Anregung für sehr beachtlich und schlage eine sofortige Beschlußfassung nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse vor.

Bei seiner Aussprache mit Lord D’Abernon habe er darauf hingewiesen, daß deutscherseits alles von der Befreiung der Ruhr und von den Ehrenfragen7 abhänge. Er werde noch vor der Abreise Lord D’Abernons nach London versuchen, auf ihn in dem vom Reichsminister der Finanzen angeregten Sinne einzuwirken.

Fußnoten

5

Lord D’Abernon.

6

Die Reichstagswahlen sollen am 4. 5., die frz. Kammerwahlen am 11. 5. stattfinden.

7

Gemeint ist die Rückkehr der Ausgewiesenen und die Freilassung der Inhaftierten.

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