1.153.11 (ma12p): 11. Schreiben des bayerischen Staatsministeriums des Äußern vom 25. November 1924 betreffend die Verhandlungen über einen deutsch-russischen Auslieferungsvertrag.

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11. Schreiben des bayerischen Staatsministeriums des Äußern vom 25. November 1924 betreffend die Verhandlungen über einen deutsch-russischen Auslieferungsvertrag.

Staatssekretär v. Maltzan: Das Bayerische Staatsministerium des Äußern habe unter dem 25. Februar 1924 an das Auswärtige Amt ein Schreiben des Inhalts gerichtet, daß die Bayerische Regierung nach eingehender Prüfung aller Umstände ihre Zustimmung zu dem Abschluß eines Auslieferungsvertrages mit dem Verbande der russischen Sowjet-Republiken nicht erteilen könne. Das Bayerische Staatsministerium habe im einzelnen seine schweren Bedenken gegen den Abschluß dieses Vertrages dargelegt23. Er (Staatssekretär v. Maltzan)[1209] bitte im Einverständnis mit dem Reichsjustizministerium um eine Entscheidung des Reichskabinetts darüber, ob es auch angesichts des Schrittes der Bayerischen Regierung bei dem Kabinettsbeschluß vom 24. April 1924 verbleiben solle, daß die Verhandlungen über den Auslieferungsvertrag fortgeführt werden sollten24, oder ob eine neue Entscheidung des Kabinetts herbeizuführen sei.

Mit Rücksicht auf das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums sei die deutsche Delegation in Moskau am 29. November telegrafisch angewiesen worden, die Verhandlungen über den Auslieferungsvertrag, wenn möglich, noch hinauszuschieben. Möglicherweise sei jedoch diese Instruktion zu spät gekommen, da sich die Delegation auf Grund der ihr früher erteilten Instruktion zur Aufnahme der Verhandlungen als ermächtigt hätte ansehen können.

Er bitte, es bei dem Kabinettsbeschluß vom 24. April 1924 zu belassen.

Staatssekretär Joel: Er habe, wie seinerzeit dargelegt25, die schwersten Bedenken gegen den Abschluß eines deutsch-russischen Auslieferungsvertrages. Es sei äußerst bedenklich, auf dem Gebiete der Rechtspflege Konzessionen zum Zwecke der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile zu machen. Auf jeden Fall sei es zweckmäßig, bei den Verhandlungen darauf hinzuweisen, daß nach deutscher Staatspraxis die Länder um Zustimmung zum Auslieferungsvertrage zu ersuchen seien. Wenn die russische Regierung von dem Entwurf des Vertrages abgehen wolle, dann müsse unbedingt dem Reichsjustizministerium, das wegen der hohen Kosten und wegen seiner Überlastung von der Entsendung eines besonderen Kommissars zu den Verhandlungen Abstand genommen habe, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.

Staatssekretär v. Maltzan erklärte, daß hiergegen keine Bedenken bestünden.

Das Reichskabinett beschloß, es bei dem Beschlusse vom 24. April 1924 zu belassen, wonach die Verhandlungen mit Rußland über einen Auslieferungsvertrag fortgeführt werden sollten.

Es bestand Einverständnis darüber, daß Bayern auf sein Schreiben vom 25. November 1924 vom Auswärtigen Amt eine Antwort zu erteilen sei.

Fußnoten

23

Im Schreiben des Bayer. StMin. des Äußern an das AA vom 25. 11. heißt es: „Nach alldem, was bisher über die Verhältnisse auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafverfahrens in Rußland bekannt geworden ist, kann kaum ein Zweifel bestehen, daß die Strafrechtspflege in dem bolschewistischen Rußland in keiner Weise den Anforderungen gerecht wird, die von einem modernen Kulturstaat gestellt werden müssen. Die Politisierung der Gerichte, die Wahl der Richter, deren Vorbildung, der Mangel richterlicher Unabhängigkeit, das Fehlen der in den Kulturstaaten üblichen Rechtsgarantien sowie die Tatsache, daß die bolschewistischen Gerichts als reine Klassengerichte der herrschenden kommunistischen Partei zu erachten sind, schließen nach diess. Auffassung die für den Abschluß eines Auslieferungsvertrages unumgänglich notwendige Gleichartigkeit der grundlegenden Voraussetzungen von vornherein aus. Der Abschluß eines Auslieferungsvertrags mit Sowjet-Rußland, mit dem Deutschland unter allen zivilisierten Staaten wohl als erster voranginge, würde geradezu die Anerkennung der derzeitigen Zustände in Sowjet-Rußland auf dem Gebiete des Rechtes und der Rechtspflege bedeuten und als solche auch in der Öffentlichkeit empfunden werden. Es müssen daher gegen den in Aussicht genommenen Vertrag die schwersten Bedenken erhoben werden, zumal nach Lage der Verhältnisse die Vorteile aus dem Vertrag in der Praxis allein oder doch überwiegend dem andern Teil zugute kommen würden.“ (R 43 I /134 , Bl. 178).

24

S. Dok. Nr. 183, P. 1.

25

Vgl. Dok. Nr. 183, P. 1.

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