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I.

Das durch Artikel 48 vorgesehene Ausführungsgesetz ist ein Widerspruch in sich. Das Wesen der Notwehr im Leben des Einzelnen wie des Staates bedeutet, daß ihre Form in jedem einzelnen Falle ausschließlich durch den Zweck bestimmt wird. Je enger die Formen sind, in welche ein Ausführungsgesetz die Staatsnotwehr des Artikels 48 pressen will, je größer wird die Gefahr, daß eine schwache Exekutivgewalt – im Banne dieser Form – das Reich zerbrechen läßt, wie auf der anderen Seite die Gefahr, daß eine starke Hand gezwungen wird, zum Zwecke der Erhaltung des Staates die untaugliche gesetzliche Form zu zerbrechen. Nicht auf ein Ausführungsgesetz zum Artikel 48 kommt es an, sondern darauf, durch eine Stärkung der Reichsgewalt in normaler Zeit der Notwendigkeit einer Anwendung des Artikel 48 das Wasser abzugraben. Mit Recht weist die Frankfurter Zeitung in Nr. 634 vom 26.8.26 darauf hin, daß das alte Reich von 1871–1914 ohne allgemeinen Ausnahmezustand auskam. Das Blatt irrt aber, wenn es den Grund dafür, daß es heute anders ist, allein in den Bemühungen extremer Parteien sieht. Nichts zeigt besser wie gerade dieser Vergleich mit dem alten Reich, daß nur eine auch in normalen Zeiten starke Reichsgewalt besonderer Vorkehrungen für eine Staatsnotwehr entraten kann, während umgekehrt mit ihrer Schwäche die Notwendigkeit der Anwendung von Ausnahmebestimmungen sich häuft.

[330] Mittel zur Stärkung der Reichsgewalt:

1.) Wiedervereinigung der Macht Preußens mit der Reichsgewalt (vergl. letzte Denkschrift des R[eichs]W[ehr]M[inisteriums] über den Ausnahmezustand und zur 1. bayerischen Denkschrift3).

2.) Verstärkung der präsidialen Gewalt (Amerika)4.

Gegen diese grundsätzlichen Erwägungen für Ablehnung jeden Ausführungsgesetzes zum Artikel 48 spricht allerdings die Bestimmung der Reichsverfassung, in der es heißt:

„Das Nähere bestimmt ein Reichsgesetz“ (Schlußsatz des Artikels 48).

Bei der Bewertung dieser Bestimmung muß man sich die Entstehungsgeschichte des Artikels 48 in der Nationalversammlung vor Augen halten.

Die Notwendigkeit eines weitgehenden Ausnahmegesetzes wurde zwar allgemein anerkannt. Der Versuch, dieses Ausnahmegesetz in feste Formen zu bringen, stieß aber auf die größten Schwierigkeiten, die in der Lage und parteipolitischen Gegensätzen begründet waren. So wurde schließlich, um die Gegensätze zu überbrücken, zu dem Verlegenheitsmanöver des Schlußsatzes des Artikels 48 gegriffen und damit die tatsächliche Lösung der Schwierigkeiten vertagt.

Es ist die Frage, ob diese Schwierigkeiten inzwischen geringer und zur Lösung reifer geworden sind. Wenn man die Vorgänge der letzten Jahre betrachtet,[331] so scheint das Gegenteil richtig zu sein; das Für und Wider gegen die nähere Formulierung des Ausnahmegesetzes hat sich erheblich verstärkt. Das beweist in gedrängtester Form das Echo der Presse zu dem bekannt gewordenen Referenten-Entwurf des Reichsmin. d. Innern.

Der Versuch, jetzt die Lösung zu finden, wird daher mit Sicherheit zu schweren Kämpfen führen, die bestenfalls unentschieden, möglicherweise aber mit einem Mißerfolg der Regierungsinitiative enden. In jedem Fall kommt es zu einer weiteren Spannung der politischen Atmosphäre, die man in dem bevorstehenden Winter lieber vermeiden sollte.

Ich würde daher als die bei weitem beste Lösung betrachten, die Angelegenheit versanden zu lassen oder bis auf weiteres zu verzögern.

II.

Wenn die vorgeschlagenen Wege nicht gangbar sind, so ergibt sich aus dem Vorhergesagten als wichtigste Forderung an das Ausführungsgesetz, daß für die Handlungsfreiheit des Reichspräsidenten der weiteste Spielraum erhalten bleibt.

Diesem Gesichtspunkt trägt der Referentenentwurf nicht genügend Rechnung.

III.

Zu den Einzelheiten des Referentenentwurfs ist zu bemerken5:

§ 1

enthält materiell eine Beschränkung der Machtbefugnisse des Reichspräsidenten.

Die Beschränkung liegt in der Sollvorschrift, das Gutachten des Staatsgerichtshofes zu hören, die praktisch die Bedeutung einer Mußvorschrift bekommen wird. Außerdem wird das Gutachten, wenn der Reichspräsident sich ihm nicht anschließt, einen Rechtsstandpunkt gegen seine Maßnahmen schaffen, durch den die Stellungnahme des Reichstags beeinflußt wird.

Formal enthält § 1 demnach eine Änderung der durch Artikel 48 vorgesehenen Machtbefugnisse, die für ein Ausführungsgesetz unzulässig ist.

Es wird vorgeschlagen, § 1 zu streichen.

§§ 2–5

und weitere §§, insbesondere § 15 enthalten für die Betätigung des Reichspräsidenten oder seiner Beauftragten die Bezeichnungen: „Maßnahmen, Anordnungen, Rechtsverordnungen, Verfügungen, Weisungen“.

Es wird vorgeschlagen, die Betätigungen einheitlich zu bezeichnen oder verschiedene Bezeichnungen abzugrenzen.

[332] § 5.

Die Bestimmung des Art. 50 der Reichsverfassung und die Erfahrungen sprechen gegen die vorgeschlagene Regelung6.

Zahlreiche Verordnungen, die auf Grund des Artikels 48 in den letzten Jahren erlassen worden sind, behandeln Fragen der Wirtschaft und Finanzen und tragen die verfassungsmäßige Gegenzeichnung des Reichswirtschafts-, des Reichsarbeits- oder des Reichsfinanzministers7.

Es liegt also keine Veranlassung vor, diese Gegenzeichnung des zuständigen Reichsmin[isters] auszuschalten.

§ 6

enthält die Gefahr, daß der Zeitpunkt des Inkrafttretens entsprechend Art. 71 Reichsverfassung bestimmt wird, nach dem Gesetze erst mit dem vierzehnten Tage nach Ausgabe des R.G.Bl. in der Reichshauptstadt in Kraft treten.

Es ist notwendig, den Zeitpunkt besonders zu regeln.

Als Neufassung wird vorgeschlagen: „Die … V.O. treten mit der Verkündung in Kraft. Sie sind so schnell als möglich im R.G.Bl. pp. bekannt zu geben, auch wenn sie … verkündet sind.“

§ 7.

Abs. 2, 1. Satz ist in seiner Bedeutung nicht klar. In der Presse wird er dahin ausgelegt, daß er das Verlangen des Reichstags gegenüber den Maßnahmen der Reichsbeauftragten ausschalten soll.

Es wird vorgeschlagen, den Satz zu streichen.

Abs. 3. Die Regelung steht d[ieses] E[rachtens] im Widerspruch zu Art. 59 R.V.8 Wenn der Reichspräsident sich weigert, dem Verlangen des Reichstags nachzukommen, dann steht eine Verletzung der Reichsverfassung in Frage, mithin ist nach Art. 59 der R.V. zu verfahren. Da die Erhebung der Anklage gegen den Reichspräsidenten einer qualifizierten Mehrheit bedarf, ist es sehr wohl denkbar, daß die Erhebung einer solchen Anklage nicht zum Beschlusse erhoben wird, zumal sie eine „schuldhafte“ Verletzung zur Voraussetzung hat. Dann würde also die Aufhebung der Maßnahme, die der Reichstag vorher mit einfacher Mehrheit beschlossen hat, an dem Widerstande des Reichspräsidenten scheitern. Diese höchst bedeutsame Machtverteilung wird in dem Referentenentwurf[333] verkannt, indem dem Staatsgerichtshof die Verpflichtung auferlegt wird, eine solche Maßnahme von sich aus aufzuheben, und zwar rein automatisch ohne jede eigene Entscheidungsbefugnis.

§ 8.

Die Formulierung ist nicht unbedenklich.

Die Reichsverfassung regelt unter anderem auch die Abgrenzung der Reichs- und Länderhoheiten. Es ginge nicht an, daß auch diese Bestimmungen für den Reichspräsidenten bindend bleiben. Der Art. 48 Abs. 2 R.V. verleiht dem Reichspräsidenten, soweit nicht besondere Verfassungsbestimmungen entgegenstehen, die allgemeine Befugnis, unter den dort bezeichneten Voraussetzungen und zu dem dort erwähnten Zwecke auf allen Gebieten des staatlichen Machtbereichs jede beliebige Maßnahme zu treffen. Er darf also innerhalb der bezeichneten Grenzen nicht nur gesetzgeberische Anordnungen erlassen, sondern auch in die Staatsverwaltung jedes einzelnen Landes eingreifen, z. B. bestehenden Landes- oder Reichsbehörden die weitere Tätigkeit für die Dauer des Ausnahmezustandes untersagen und ihre Amtsbefugnisse auf andere Landes- oder Reichsbehörden übertragen.

Derartige Änderungen in der Zuständigkeit der Behörden lassen sich, wie die Erfahrungen 1923/24 gezeigt haben, nicht umgehen.

Der weitgehende Umfang der Befugnisse des Reichspräsidenten ist daher zweifelsfrei klarzustellen. Die jetzige Fassung des § 8 entspricht diesem Bedürfnis d[ieses] E[rachtens] nicht.

§ 9.

Abs. 2. Es bestehen gleiche Bedenken wie gegen § 8. Die Verbindung beider §§ könnte zu unhaltbaren Folgerungen führen, da Verfassungsbestimmungen, die die Reichshoheit und die Länderhoheiten abändern, stets eines verfassungsändernden Gesetzes bedürfen.

§ 10.

Abs. 2. Es erscheint nicht angezeigt, den Reichspräsidenten in der Wahl der Reichsbeauftragten zu binden.

§ 14.

2. Abs. Es wird vorgeschlagen, den Wortlaut nach bereits bestehender gesetzlicher Regelung, § 17 des Wehrgesetzes9, zu fassen:

„Die Wehrmacht hat auf Ersuchen der Beauftragten die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderliche Hilfe zu leisten.

Das Ersuchen soll nur ergehen, wenn die Kräfte der Zivilverwaltung nicht ausreichen. Es ist an das Wehrkreiskommando oder Marinestationskommando, im Falle dringender Gefahr an den nächsten militärischen Befehlshaber zu richten. Glaubt das Wehrkreiskommando (Marinestationskommando) oder der um Hilfe ersuchte militärische Befehlshaber aus wichtigen militärischen Gründen dem Ersuchen nicht stattgeben zu können, so hat das Wehrkreiskommando oder[334] Marinestationskommando sofort die Entscheidung des Reichswehrministeriums herbeizuführen.“

und anzufügen:

„Die Regelung der Befehlsgewalt innerhalb der Reichswehr bleibt unberührt.“

Zu dem Schlußsatz stellt die Vorschrift „Verwendung der Wehrmacht innerhalb des Reichsgebietes“ (V.i.R., D.V.E. Nr. 469) im Teil 210, S. 14 und 22 fest11:

(S. 22) Die Durchführung der milit[ärischen] Maßnahmen bleibt dem Mil[itär]Befehlshaber überlassen, der im Rahmen des erteilten Auftrages die erforderlichen Anordnungen im engsten Benehmen mit der anfordernden Zivilstelle, aber unter voller eigener Verantwortung zu treffen hat. Eine Unterstellung der Wehrmacht unter die anfordernde Zivilstelle findet nicht statt, diese ist auch nicht befugt, Anordnungen des Reichswehrministers, soweit sie in Ausübung der Befehlsgewalt über die Wehrmacht erlassen worden sind, zu ändern oder außer Kraft zu setzen.

(S. 14) Falls eine Landesregierung bei Gefahr im Verzuge einstweilige Maßnahmen auf Grund Art. 48 der R.V. trifft, kommt eine Unterstellung der Wehrmacht, ihrer Teile oder ihrer Befehlshaber nicht in Frage. Die Landesregierung kann ohne Genehmigung des Reichspräsidenten auch nicht einen Milit[är]Befehlshaber zum Inhaber der vollziehenden Gewalt ernennen.

Angesichts dieser Bestimmungen, die im Einvernehmen zwischen den beteiligten Reichsministerien ergangen sind, und der Vorschrift des Art. 47 der R.V. über den Oberbefehl des Reichspräsidenten über die Wehrmacht erscheint es nicht erforderlich, den Schlußsatz noch besonders zu erläutern.

§ 15.

Es wird vorgeschlagen, den § zu streichen.

Die starre Regelung dieser Fragen ist sachlich nicht angebracht und belastet den Entwurf für die parlamentarische Behandlung.

Nach den Erfahrungen 1923/1924 scheinen insbesondere folgende Punkte der Fassung bedenklich:

Abs. 1: Die Mußvorschrift, dem Militärbefehlshaber einen bürgerlichen Beauftragten zur Seite zu stellen. – Nach Absatz 3 ist für den Reichswehrminister der Reichsmin[ister] d[es] Innern als solcher vorgesehen.

Abs. 2: Die Machtverteilung zwischen Milit[är]Befehlshaber und Zivilbeauftragten.

Die anderweitige Regelung dieser Fragen während des Ausnahmezustandes von 1923/1924 hat sich innerhalb der Reichsregierung und gegenüber den Landesregierungen vollauf bewährt. Die wesentlichsten dieser Bestimmungen folgen nachstehend im Auszug:

[335] Aus der Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund Art. 48 R.V. vom 26.9.2312:

§ 2, 2. Absatz: „Im Einvernehmen mit dem Reichsmin[ister] d[es] Inn[ern] kann der Reichswehrminister zur Mitwirkung bei Ausübung der vollziehenden Gewalt auf dem Gebiete der Zivilverwaltung Regierungskommissare ernennen.“

§ 3: „Die Weisungen des Militärbefehlshabers an die Zivilverwaltungs- und Gemeindebehörden sowie seine allgemeinen Anordnungen an die Bevölkerung sind, bevor sie ergehen, zur Kenntnis des Regierungskommissars zu bringen. Allgemeine Vorschriften des Militärbefehlshabers, die Beschränkungen nach § 1 enthalten, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Regierungskommissars, sofern ein solcher eingesetzt ist.“

Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Mil[itär]Befehlshaber und dem Reg[ierungs]Kommissar zum 2. Absatz des § 3 war angeordnet, die Entscheidung des R[eichs]w[ehr]Ministers einzuholen.

Aus den Richtlinien, die der Preuß[ische] Min[ister] d[es] Innern im Einvernehmen mit dem Chef der Heeresleitung an die Oberpräsidenten und Reg[ierungs]Präsidenten herausgegeben hat (II G 4190 v. 30.11.23)13:

Ziff. 8: „Die Mil[itär]Befehlshaber verkehren mit den preuß[ischen] Verwaltungsbehörden nicht durch die Hand der Regierungskommissare, sondern unmittelbar. Die bestellten Regierungskommissare sind nicht zur Vertretung der Landesregierung und der Verwaltungsbehörden, sondern als eigene Reichsorgane bestellt, um in verwaltungstechnischen Fragen bei den Militärbefehlshabern allgemein die zivile Auffassung zu vertreten.“

Die Stellungnahme zu den Abschnitten III bis VII bleibt späteren Erörterungen vorbehalten. Sie kann d[ieses] E[rachtens] gegenüber den grundsätzlichen Fragen über die Gestaltung der Machtbefugnisse des Ausnahmezustandes zurücktreten.

Fußnoten

3

„Denkschrift über den militärischen Ausnahmezustand. 26. September 1923 bis 29. Februar 1924“, gedruckt im RWeMin., 12.8.1924 (R 43 I /2708 , Bl. 290–314; wiederabgedr. in: Hürten, Das Krisenjahr 1923, Dok. Nr. 207, S. 334–362); als Anlage 8 sind beigefügt die „Bemerkungen zu der Denkschrift der bayerischen Regierung zur Revision der Weimarer Reichsverfassung“ (R 43 I /2708 , Bl. 304; wiederabgedr. in: Hürten, a.a.O., Dok. Nr. 185, S. 273, Anm. 2).

Die „Denkschrift über den militärischen Ausnahmezustand“ hatte folgendes Fazit gezogen: „Solange die Reichswehr die einzige ‚Hausmacht‘ des Reiches bildet, ist die periodische Wiederkehr des militärischen Ausnahmezustandes eine unabwendbare Notwendigkeit. Im Interesse des Reiches und der Reichswehr liegt es, daß dies nach Möglichkeit vermieden wird. So bleibt der einzige Ausweg, die Machtverhältnisse, die sich im Winter 1923/24 augenfällig ergeben haben, rechtlich und für die Dauer festzuhalten. Das Eingreifen des Reiches in Sachsen und Thüringen darf keine Episode bleiben, sondern muß der Anfang einer neuen positiven Innenpolitik des Reiches werden. Der militärische Ausnahmezustand, der dem Reich hier wichtige Machtpositionen geschaffen hat, zeigt den Weg, den die Zivilverwaltung in organischer Weiterbildung der Reichsverfassung gehen muß. Reich und Preußen sind nicht mehr zu trennen. Daher muß sich das Reich durch Personalunion mit Preußen und Zusammenlegung aller in Frage kommenden Behörden die Macht dieses Großstaates verschaffen und die nord- und mitteldeutschen Länder in diesem Staatsverband unmittelbar aufnehmen. Nur wenn das Reich so zum wirklichen Staat wird, wird es davon abstehen können, seine Innenpolitik immer wieder durch das alleinige Mittel des militärischen Ausnahmezustandes durchzusetzen. Gerade im Interesse der Überordnung der Regierungsgewalt über die militärische, im Interesse der Fernhaltung der Wehrmacht aus der Politik ist die Schaffung eines geschlossenen Großstaates, einer festen Hausmacht des Reiches in Nord- und Mitteldeutschland, eine zwingende Notwendigkeit. […]

Schwere innere Unruhen können in jedem Fall nur durch den Einsatz der Wehrmacht niedergeschlagen werden. Zur Erfüllung dieser Aufgabe müssen ihr auf Grund des Art. 48 die weitesten Befugnisse übertragen werden.

Weitere innenpolitische Aufgaben, insbesondere die Aufrechterhaltung der Reichsautorität gegenüber den Ländern, sollten nicht mehr Sache der Reichswehr sein. Die Reichsverfassung muß so umgestaltet werden, daß sie in Zukunft einen Konflikt zwischen dem Reich und den Ländern ausschließt.

In diesen beiden Sätzen liegen die wichtigsten und lebendigsten Lehren des militärischen Ausnahmezustandes.“ (Denkschrift, S. 18; R 43 I /2708 , Bl. 298; Hürten, a.a.O., S. 353 f.).

4

Vgl. hierzu die Ausführungen des RWeM Geßler in der Ministerbesprechung vom 19.12.24 (diese Edition, Die Kabinette Marx I/II, Dok. Nr. 375).

5

Zum folgenden vgl. den in Dok. Nr. 70 wiedergegebenen Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu Art. 48.

6

Art. 50 RV schreibt bei Anordnungen und Verfügungen des RPräs. die Gegenzeichnung „durch den Reichskanzler oder den zuständigen Reichsminister“ vor, während § 5 des Entwurfs eines Ausführungsgesetzes (Dok. Nr. 70) bei Verordnungen und Verfügungen des RPräs. auf Grund Art. 48 die Gegenzeichnung „des Reichskanzlers oder des Reichsministers des Innern oder der sie vertretenden Reichsminister“ verlangt.

7

Ein Verzeichnis der Verordnungen, die auf Grund Art. 48, Abs. 2 in den Jahren von 1919 bis 1925 erlassen wurden, enthält die Abhandlung von Fritz Poetzsch, Vom Staatsleben unter der Weimarer Verfassung, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Bd. 13 (1925), S. 141 ff.

8

Art. 59 RV: „Der Reichstag ist berechtigt, den Reichspräsidenten, den Reichskanzler und die Reichsminister vor dem Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich anzuklagen, daß sie schuldhafterweise die Reichsverfassung oder ein Reichsgesetz verletzt haben. Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von mindestens hundert Mitgliedern des Reichstags unterzeichnet sein und bedarf der Zustimmung der für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit. Das Nähere regelt das Reichsgesetz über den Staatsgerichtshof.“

9

Wehrgesetz vom 23.3.21 (RGBl. S. 329 ).

10

D.V.E. Nr. 469: Sammelheft der Bestimmungen über Verwendung der Wehrmacht im Reichsgebiet bei öffentlichen Notständen und inneren Unruhen (V.i.R.). Teil 2: Die rechtlichen Voraussetzungen zum Einschreiten der Wehrmacht. 1921.

11

Die beiden folgenden Absätze geben Bestimmungen der genannten Vorschrift teils wörtlich, teils in veränderter Fassung wieder.

12

VO des RPräs. „betreffend die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für das Reichsgebiet nötigen Maßnahmen“ (RGBl. 1923 I, S. 905 ).

13

„Richtlinien über die Handhabung der vollziehenden Gewalt auf Grund der Verordnung vom 26. September 1923 für das preußische Staatsgebiet“, gedruckt als Anlage 5 zu Teil I der „Denkschrift über den militärischen Ausnahmezustand“; siehe Anm. 3.

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