2.186.3 (ma31p): 3. Finanzausgleich und Erwerbslosenfürsorge.

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[539]3. Finanzausgleich und Erwerbslosenfürsorge.

Mit der Diskussion über die Etatrede des Reichsministers der Finanzen wurde die Aussprache über die Vorlage des Reichsarbeitsministers über den Finanzausgleich der Erwerbslosenfürsorge verbunden3.

Der Vorgänger des jetzigen Reichsministers der Finanzen4 hat im Dezember 1926 den Länderregierungen gegenüber sowohl in einer Besprechung mit den Finanzministern der Länder als auch im Reichsrat die Erklärung abgegeben, daß die Reichsregierung bereit sei, die Länder und Gemeinden von den Kosten der unterstützenden Erwerbslosenfürsorge mit Wirkung vom 1. April 1927 zu entlasten5, und zwar auch dann, wenn das Arbeitslosenversicherungsgesetz am 1. April 1927 noch nicht in Kraft treten sollte.

Der Reichsarbeitsminister wies darauf hin, daß nach dem Stande der Beratungen über den Gesetzentwurf im Reichstag schon jetzt als feststehend gelten könne, daß eine Verabschiedung des Gesetzes vor dem 1. April 1927 nicht erfolgen werde6, so daß die vorgenannte Erklärung des Reichsministers der Finanzen, wenn das jetzige Kabinett daran festhalten wolle, praktisch werden würde. Das werde naturnotwendig bedingen, daß das Reich nach dem 1. April 1927 eine gegen den jetzigen Zustand erheblich verschärfte Kontrolle über die Durchführung der Erwerbslosenfürsorge übernehmen müsse. Zu diesem Zwecke seien alsdann Verhandlungen mit den Ländern und Gemeinden, deren Organe gegenwärtig die Erwerbslosenfürsorge praktisch handhaben, über eine organisatorische Umgestaltung der Reichskontrolle zu führen.

Der Reichssparkommissar sprach die Bitte aus, den Rechnungshof des Deutschen Reichs zu beteiligen, wenn es zu solchen Verhandlungen mit den Ländern und Gemeinden kommen sollte.

Auf Antrag des Reichsarbeitsministers wurde über die Frage der Aufrechterhaltung der Erklärung des Vorgängers des Reichsministers der Finanzen durch das gegenwärtige Kabinett abgestimmt. Die Abstimmung ergab eine Mehrheit des Kabinetts für das Festhalten an der Erklärung.

[540] Das Kabinett beschloß ferner, den Reichsarbeitsminister zu ermächtigen, mit den Ländern und Gemeinden über eine organisatorische Umgestaltung der Durchführung der Erwerbslosenfürsorge (Verstärkung der Reichskontrolle) in Verhandlungen zu treten. An diesen Verhandlungen soll der Rechnungshof des Deutschen Reichs beteiligt werden7.

Fußnoten

3

Mit Schreiben vom 7.2.27 an den StSRkei hatte RArbM Brauns einen Schriftwechsel mit dem früheren RFM Reinhold betr. Finanzausgleich und Erwerbslosenfürsorge übersandt und darum gebeten, die Angelegenheit zum Gegenstand einer Kabinettsberatung zu machen. Eine Erörterung zwischen den Referenten des RArbMin. und des RFMin. habe Übereinstimmung darüber ergeben, daß „nicht nur eine beträchtliche Verstärkung der Reichskontrolle in der Erwerbslosenfürsorge, sondern auch organisatorische Änderungen erforderlich werden“, falls die Erklärung des früheren RFM aufrechterhalten würde, wonach Länder und Gemeinden ab 1.4.27 von den Kosten der unterstützenden Erwerbslosenfürsorge entlastet werden sollen (R 43 I /2032 , Bl. 330–334).

4

Reinhold.

5

Die Befreiung der Länder und Gemeinden von den finanziellen Lasten der Erwerbslosenfürsorge bildete einen wesentlichen Bestandteil der Neuregelung des Finanzausgleichs, die zum 1.4.27 in Kraft treten sollte. Siehe die Begründung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Übergangsregelung des Finanzausgleichs zwischen Reich, Länder und Gemeinden“, der von RFM Reinhold am 16.12.26 dem RT vorgelegt worden war (RT-Bd. 413 , Drucks. Nr. 2883 , S. 6); vgl. dazu das Schreiben des RFM an den RArbM vom 20.1.27 (R 43 I /2032 , Bl. 333–334).

6

Der „Entwurf eines Gesetzes über Arbeitslosenversicherung“ war am 16.12.26 von RArbM Brauns dem RT vorgelegt worden (RT-Bd. 413 , Drucks. Nr. 2885 ). Der RT hatte den GesEntw. nach der 1. Lesung am 7. und 8.2.27 dem Sozialpolitischen Ausschuß zur Beratung überwiesen (RT-Bd. 392, S. 8895  ff., 8917 ff.).

7

Der Forderung des RArbM nach organisatorischer Umgestaltung der Erwerbslosenunterstützung kam eine Entschließung entgegen, die der Sozialpolitische Ausschuß des RT am 23.2.27 während der Beratung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes verabschiedete. In der Entschließung wurde der RArbM ersucht, einen neuen Entwurf für die Organisation der Arbeitslosenversicherung nach Maßgabe bestimmter Richtlinien vorzulegen: Das bisherige Reichsamt für Arbeitsvermittlung sollte in eine Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung umgewandelt werden und den Status einer selbständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft unter der Aufsicht des Reichs erhalten; die lokalen und regionalen Einrichtungen der Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung sollten in die Reichsanstalt eingegliedert werden; in allen Teilen der Anstalt sollte das Prinzip der Selbstverwaltung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Geltung kommen; Reich, Ländern und Gemeinden sollte der Anteil an der Verwaltung eingeräumt werden, der im öffentlichen Interesse notwendig war (Text der Ausschuß-Entschließung Nr. 920 in R 43 I /2032 , Bl. 363). Gemäß dieser Entschließung stellte das RArbMin. einen Organisationsentwurf auf, der zunächst mit Vertretern der Länder erörtert (Materialien in R 43  I /2032  und 2033 ) und sodann vom Sozialpolitischen Ausschuß des RT zusammen mit den anderen Teilen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes eingehend durchberaten wurde. Am 30. 6. wurde der Entwurf eines Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung dem RT vorgelegt (RT-Bd. 416 , Drucks. Nr. 3507 ; Niederschrift der Ausschußberatungen in RT-Bd. 417 , Drucks. Nr. 3622 ). Am 7. 7. nahm der RT den GesEntw. mit großer Mehrheit an (RT-Bd. 393, S. 11348  ff., 11380 ff.). Das „Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ wurde am 16.7.27 ausgefertigt (RGBl. I, S. 187 ). Am 1.10.27 trat das Gesetz in Kraft. – Zur Entstehung und zum Inhalt des Gesetzes siehe: Preller, Sozialpolitik in der Weimarer Republik, S. 369 ff.; Syrup, Hundert Jahre staatliche Sozialpolitik 1839–1939, S. 308 ff., 331 ff.; Politisches Jahrbuch 1927/28, S. 403 ff.

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