2.54 (ma31p): Nr. 54 Der Preußische Ministerpräsident an den Reichskanzler. 7. Juli 1926

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Nr. 54
Der Preußische Ministerpräsident an den Reichskanzler. 7. Juli 1926

R 43 I /1057 , Bl. 243

Betr.: Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft.

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

Von dem Schreiben vom 5. d. M. – R. K. 5379 –, in dem Sie mir mitteilen, daß die Reichsregierung einen Anspruch Preußens auf Benennung einer Persönlichkeit für die freie Stelle im Verwaltungsrat der Reichsbahn nicht für gegeben erachtet, und daß sie den Reichskanzler a. D. Herrn Dr. Luther zum Mitgliede des Verwaltungsrats ernannt hat1, habe ich Kenntnis genommen.

Die Preußische Regierung bedauert auf das lebhafteste, daß sich die Reichsregierung zu einer derartigen offenkundigen Brüskierung des Landes Preußen hat entschließen können. Ich muß das Vorgehen des Reiches so nennen, da die Reichsregierung nicht einmal den Versuch gemacht hat, den in meinem Schreiben vom 20. März d. J. – St.M. I 3920 –2 eingehend begründeten Rechtsstandpunkt Preußens zu widerlegen und den Nachfolger des preußischen Mitglieds des Verwaltungsrats, des vor Jahresfrist verstorbenen seinerzeit auf den Vorschlag Preußens ernannten Geheimen Kommerzienrats Arnhold, ernannt hat, ohne auch nur mit der Preußischen Regierung darüber die Fühlung aufzunehmen.

[122] Die Reichsregierung beseitigt somit durch einen Federstrich die am 25. März 1924 zwischen ihr und der Preußischen Regierung zur Auslegung des Staatsvertrages über den Übergang der Staatseisenbahnen auf das Reich ausgetauschten Erklärungen3 nicht nur hinsichtlich der Vertretung der Preußischen Regierung im Verwaltungsrate, sondern auch hinsichtlich aller übrigen in den „Erklärungen“ getroffenen Abreden, denn die Rechtslage, wie die Reichsregierung sie auffaßt, muß natürlich für alle Bestimmungen der „Erklärungen“ die gleiche sein. Die Preußische Regierung wird daher zur Feststellung der Rechtslage eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs herbeiführen4. Die Persönlichkeit des Reichskanzlers a. D. Dr. Luther scheidet, wie ich ausdrücklich betonen möchte, bei dieser Erörterung der Angelegenheit völlig aus.

Die oben von mir gekennzeichnete Form der Erledigung dieser Angelegenheit bedeutet eine Rücksichtslosigkeit, die die Preußische Regierung nach ihrer ganzen bisherigen Einstellung und ihrem äußerst entgegenkommenden Verhalten von der Reichsregierung nicht erwarten konnte und die zu meinem lebhaften Bedauern zur Folge haben muß, daß die zu einer ersprießlichen Führung der Reichs- und Staatsgeschäfte so nötige vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Reichsregierung und der Regierung des Landes, das mehr als die Hälfte des Reichs ausmacht, durch Schuld der Reichsregierung in Zukunft sehr erschwert wird5.

Mit dem Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung bin ich

Ihr sehr ergebener

Braun

Fußnoten

1

Siehe Dok. Nr. 52, P. 2.

2

R 43 I /1057 , Bl. 198–205.

3

Ziffer IV der „Erklärungen“ vom 25.3.24, die von der Vertretung Preußens im Verwaltungsrat der RB handelt, ist im Wortlaut im Schreiben des RK an den PrMinPräs. vom 8.7.26 (Dok. Nr. 56) wiedergegeben. Vollständiger Text der „Erklärungen“ in R 43 I /1057 , Bl. 268. Vgl. auch Dok. Nr. 25, Anm. 13.

4

Vgl. Dok. Nr. 68, P. 10.

5

Zur Stellungnahme der RReg. siehe das Schreiben des RK an den PrMinPräs. vom 8.7.26: Dok. Nr. 56.

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