2.129.1 (mu11p): 1. Behandlung von Militärfragen in Spa.

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1. Behandlung von Militärfragen in Spa.

Reichswehrminister Dr. Geßler hält es für notwendig, die Frage eines Milizheeres vorläufig zurückzustellen; dagegen müsse in Spa erklärt werden, daß wir die zwölfjährige Verpflichtung nicht würden aufrechterhalten können1.[311] Interessant sei hierbei, daß ihm der Times-Korrespondent gesagt habe: auch England habe die zwölfjährige Dienstverpflichtung nicht halten können.

Als weiteres Thema in Spa müsse die Besetzung der neutralen Zone erörtert werden. Es kämen jetzt wieder ständig Notschreie aus dem Ruhrrevier, da man dort Unruhen befürchtet, wenn am 10. Juli der Rest der Reichswehr zurückgezogen würde. Ziel unserer Verhandlungen in Spa zu diesem Punkte müsse sein, daß wir im Ruhrrevier Truppen halten dürften und im Gefahrfalle berechtigt seien, sie zu verstärken2. Ob wir mit der weiteren Forderung von schweren Geschützen und Flugzeugen bei der Entente durchkommen werden, sei zweifelhaft3.

Reichsminister Dr. Köster hält es für nötig, die Milizfrage in Spa zur Sprache zu bringen, auch wenn wir keine Sicherheit hätten, daß das Milizsystem genehmigt würde. Er empfehle die sofortige Anfertigung einer Denkschrift über die Miliz an der Hand der Erfahrung, die wir mit dem Söldnerheer gemacht haben. Ebenso müßte aus diesen gemachten Erfahrungen die Denkschrift über die Beibehaltung eines 200 000-Mann-Heeres und die schweren Geschütze ergänzt werden. Der Ansicht des Reichsministers Dr. Geßler, daß wir für die neutrale Zone größeren Spielraum brauchten, schließe er sich an.

Major Michelis befürchtet starken französischen Widerstand gegen die Miliz.

Der Reichskanzler befürchtet auch englischen Widerstand hiergegen und schließt sich im übrigen den Ausführungen des Ministers Köster an. Fraglich aber scheine ihm, ob es taktisch richtig sei, die schweren Geschütze zu fordern, da wir mit dieser Forderung sicherlich nicht durchdringen würden.

Reichsminister Dr. Köster hält es gerade aus taktischen Gründen für richtig, auf der Forderung bestehen zu bleiben, da wir uns sonst selbst desavouierten.

Reichsminister Dr. Geßler setzt auseinander, daß wir die Geschütze zum Schutze der Ostgrenze brauchten4.

Ministerialdirektor von Simson hält es für unmöglich, in Spa diese Begründung zu geben. Im übrigen müßte die Ausstattung der schweren Batterien mit Offizieren sehr viel knapper gehalten werden5.

[312] Staatssekretär von Haniel betont, daß die gesamte Entwaffnungsfrage den Beginn der Verhandlungen und zugleich den Prüfstein bilden werde. Es sei daher nötig, in dieser Frage eine gewisse Elastizität zu zeigen.

Staatssekretär Dr. Lewald: In der Frage der neutralen Zone könne man für Baden und Hessen wohl auf Belegung mit Truppen verzichten, nicht aber für das Ruhrgebiet; wir kämen hier ohne Reichswehr nicht aus.

Reichsminister Dr. Geßler erklärt gleichfalls, daß wir angesichts der immer besser vorbereiteten kommunistischen Bewegungen im Ruhrgebiet auf Reichswehr nicht verzichten könnten.

Es wird beschlossen, daß in der Frage der neutralen Zone eine Denkschrift durch das Reichswehrministerium ausgearbeitet werden soll6.

Fußnoten

1

In Art. 174 des VV war vorgeschrieben worden, daß sich Unteroffiziere und Mannschaften des deutschen Heeres für eine ununterbrochene Dienstzeit von 12 Jahren zu verpflichten hatten.

2

An das AA hatte am 5. 6. der RWeM ein Schreiben gerichtet, in dem er den Wunsch aussprach, daß die Beibehaltung dt. Truppen im Ruhrgebiet ein Thema der Konferenz von Spa werden möge (R 43 I /405 , Bl. 175 f.).

3

In der Denkschrift des RWeM vom 12.4.20, die den Ententemächten in San Remo am 20. April zugeleitet worden war, war die Beibehaltung von je einem Bataillon schwerer Artillerie pro Infanteriedivision, acht Fliegerabteilungen und 4 Eisenbahn-Kompagnien beantragt worden (R 43 I /405 , Bl. 3-15).

4

Damit wird sich Geßler wahrscheinlich sowohl auf die Befürchtungen wegen eines polnischen Angriffs wie auf die Möglichkeit eines Vordringens russischer Truppen nach Ostpreußen im Rahmen des poln.-russ. Kriegs bezogen haben.

5

In der Denkschrift des RWeM waren für jedes Bataillon 32 Offiziere vorgesehen worden (R 43 I /683 , gefunden in R 43 I /405 , Bl. 185-197).

6

Eine entsprechende Note richtete der RAM am 19. 6. an General Nollet. In ihr wies er auf die fortdauernde Unruhe im Ruhrgebiet hin zu deren Eindämmung die Sipo nicht ausreiche. Er beantragte daher „namens der RReg., daß die ihr durch den Beschluß des Obersten Rats vom 27. 4. d. J. erteilte Ermächtigung zu der gegenwärtig bestehenden Belegung der neutralen Zone mit Reichswehr in Stärke von 10 Bataillonen, 5 Eskadronen und 1 Batterie neben den zur Zeit dort vorhandenen […] Polizeikräften über den 10. Juli hinaus ausgedehnt werden möchte, bis durch die Konferenz von Spa die Angelegenheit endgültig geregelt sein wird“ (R 43 I /405 , Bl. 177).

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