2.22 (mu11p): Nr. 22 Der Staatskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung an die Polizeidirektion München. 7. April 1920

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[48] Nr. 22
Der Staatskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung an die Polizeidirektion München. 7. April 1920

R 43 I /2667 , Bl. 6 f. Abschrift1

[Betrifft: Frage der Legalität der KPD.]

Auf das gefällige Schreiben vom 2. Februar d. Js.2 beehre ich mich, Folgendes gutachtlich zu erwidern:

<An und für sich ist jede politische Partei, auch wenn sie eine Änderung der bestehenden Regierungsform erstrebt, als eine legale Partei zu betrachten. Sie wird erst in dem Augenblick illegal, wenn die Mittel, die sie um ihr Ziel zu erreichen anwendet, gegen die bestehenden Gesetze verstoßen>3. Die kommunistische Partei hat sich nicht gescheut, ausdrücklich zu erklären, und hat durch verschiedenartige Handlungen bewiesen, daß sie auf einen gewaltsamen Umsturz der bestehenden Verfassung hinarbeitet. Legale Mittel lehnt sie entweder ganz ab, so vor allem eine parlamentarische Vertretung oder sie betrachtet sie, wie den Kampf durch Schrift und Wort, nur als Aushilfsmittel, solange die Zeit für den gewaltsamen Umsturz nicht gekommen ist. Die Absicht der Gewaltanwendung zeigt vor allem die Werbung und die Bildung von Kampftruppen, die Durchführung von Streiks in den lebenswichtigen Betrieben und endlich die Vorbereitung von Putschen, die, wie die Vorgänge vom 13. Januar d. Js. gegen den Reichstag4 zeigen, dazu dienen sollen, sich mit Gewalt in den Besitz der Macht zu setzen. Solange daher die kommunistische Partei ihre Ziele auf den eben geschilderten ungesetzlichen Wegen zu erreichen sucht, kann sie meines Erachtens als legale Partei nicht anerkannt, sondern muß im Gegenteil mit allen dem Staate zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden.

Die Kommunistische Partei steht daher in dieser Beziehung im schroffen Gegensatz zu der USPD einerseits und der deutschnationalen Volkspartei andererseits. Diese beiden Parteien sind gleichfalls entschiedene Gegner der[49] bestehenden Verfassung, aber sie wollen die Änderung dieser und die Erreichung ihrer Ziele auf legalem, verfassungsmäßigem Wege durchführen, so vor allem durch den Kampf im Parlament, dann durch die Beeinflussung des Volkes durch die ihr zur Verfügung stehenden Zeitungen. Sie wollen dadurch schließlich bei den Wahlen zum Reichstag zu einem Wahlresultat gelangen, das sie ihren politischen Wünschen und Zielen näher bringt.

Auf derselben Stufe wie die kommunistische Partei stehen jedoch diejenigen rechtsradikalen Kreise, die, wie es jetzt im Kapp-Putsche geschehen ist, mit Gewalt den Umsturz der bestehenden Verfassung erreichen wollen. Sie sind natürlich nicht anders zu behandeln als wie die Anstifter und Anführer der kommunistischen Vorstöße gegen die jetzige Regierungsform.

Fußnoten

1

Das in der Abschrift ungezeichnete Schreiben war der Rkei von StKom. Weismann am 9. 4. zugeleitet worden. Brecht bemerkte dazu: „Die Frage, ob die kommunistische Partei grundsätzlich und ausnahmslos als illegal behandelt und verfolgt werden soll, ist m. E. von so prinzipieller Bedeutung, daß sie nicht dem Staatskommissar überlassen werden kann. Er hat sie in seiner Antwort restlos bejaht“ (12. 4.; R 43 I /2667 , Bl. 5).

2

Die Münchener Polizei-Direktion hatte sich mit der Bitte um Stellungnahme an den StKom. gewandt, nachdem von dem Führer einer kommunistischen Splittergruppe die Legalisierung der Partei betrieben worden war. Dazu war von der Polizei-Direktion unter Hinweis auf die besonderen Verhältnisse in München erklärt worden: „Es ist kein Zweifel, daß die KPD in München durch vollständige Freigabe ihrer Betätigung einen außerordentlichen Zulauf erhalten würde, daß sie durch die Möglichkeit, legal mit den übrigen Parteigruppen im Reich wie über die deutschen Grenzen hinweg mit Rußland, und anderen Staaten in Verbindung zu treten, eine ganz beträchtliche Stärkung und damit sicher bald auch eine maßgebende Rolle im Reich erlangen würde“ (R 43 I /2667 , Bl. 8-10).

3

Randbemerkung Brechts: „Richtig.“

4

S. hierzu Schultheß 1920 I, S. 8.

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