1.30.5 (str2p): 5. Beamtenabbau und Pensionskürzungsgesetz.

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5. Beamtenabbau und Pensionskürzungsgesetz12.

Der Reichsminister des Innern erklärt, daß eine endgültige Beschlußfassung zu diesem Punkt nicht möglich sei, da er soeben erst den Entwurf erhalten habe13.

Der Reichsminister der Finanzen erklärt, daß es auch nicht beabsichtigt sei, einen Beschluß herbeizuführen. Es sei jedoch dringend notwendig, daß das Kabinett in großen Zügen zu den Richtlinien sich äußere, da am Sonnabend [20. 10] die Verhandlungen mit den Spitzenorganisationen der Beamten stattfinden sollen.

Der Reichsarbeitsminister hält das Anhören der Interessentenverbände für bedenklich. Nachdem der Reichstag durch das Ermächtigungsgesetz ausgeschaltet sei, sei es nicht mehr möglich, die Vorlagen den Interessentenverbänden, die dann gleichsam an die Stelle des Reichstages treten, zu unterbreiten.

Der Reichsminister der Finanzen schließt sich grundsätzlich dieser Auffassung an und erklärt, daß die Fühlungnahme sich auch in einer entsprechenden Weise vollziehen soll.

Ministerialdirektor von Schlieben glaubt, daß es nicht gut möglich sein werde, um eine Anhörung der Beamtenorganisationen herumzukommen. Das Gesetz stelle an sich eine außerordentlich große Belastung für die Regierung dar und es müsse als ein großer politischer Vorteil betrachtet werden, wenn es gelingt, durch Verhandlungen mit den Organisationen das Gesetz tragbar zu machen.

Der Reichsarbeitsminister widerspricht diesen Ausführungen. Aus der Anhörung der Beamtenorganisationen würde sich die Notwendigkeit ergeben, auch andere Verbände, wie z. B. die der Kriegsbeschädigten, bei diesem Gesetzentwurf zu hören. Es ginge nur an, die Grundzüge den Interessentenverbänden vorzutragen, ihre Wünsche anzuhören, und es sei dann Sache der Regierung, inwieweit sie diese Wünsche berücksichtigen wolle.

Es wird Übereinstimmung darüber festgestellt, daß in dieser Form gehandelt werden solle, wobei von Fall zu Fall zu entscheiden sei, wie weit bei den Verhandlungen in die Einzelheiten zu gehen ist.

Ministerialdirektor v. Schlieben hält Vortrag über den Inhalt der Vorlage.

[609] Der Reichskanzler übernimmt den Vorsitz und stellt fest, daß sich die Diskussion zunächst nur auf Anfragen und einige Hauptpunkte erstrecken soll.

Der Reichswehrminister stellt zur Erwägung, ob die Beamtenabbaumaßnahmen unmittelbar auf die Länder und Gemeinden angewendet werden sollen oder nur indirekt in der Weise, daß von einem bestimmten Zeitpunkt an den Ländern und Gemeinden die Zuschüsse zu den Besoldungen gekürzt werden14. Diese Frage sei von größter politischer Bedeutung und er empfehle, den letzteren Weg zu beschreiten. Bei der Frage der Pensionskürzung sei zu überlegen, ob nicht eine Kürzung der Pension15 auch bei Vorhandensein eines Einkommens aus Vermögen vorgenommen werden müßte.

In der Diskussion über die erste von dem Herrn Reichswehrminister angeschnittene Frage unterstützt der Reichsfinanzminister der Reichsarbeitsminister und der Reichsverkehrsminister die Auffassung des Reichswehrministers.

Ministerialdirektor von Schlieben macht darauf aufmerksam, daß mit einer bloßen Kürzung der Zuschüsse nicht ausgekommen werden würde. Es bestehe dann weiter die Gefahr, daß bei Ländern und Gemeinden infolge zu geringen Beamtenabbaus Defizite entständen, für die letzten Endes das Reich einspringen müßte.

Der Reichsfinanzminister beabsichtigt, den entsprechenden Artikel 1916 nicht formuliert den Ländern vorzulegen und seine Formulierung von dem Ausgang der Besprechung mit diesen abhängig zu machen.

In der Frage der Anrechnung, des Vermögenseinkommens auf die Pensionen besteht nahezu allgemein die Auffassung, daß eine Anrechnung stattfinden muß. Eine Beschlußfassung findet nicht statt, da der Reichspostminister sich die Entscheidung noch vorbehalten muß. Er weist darauf hin, daß bereits im Reichstage diese Frage sehr eingehend bei früheren Gelegenheiten erörtert worden, und daß damals einmütig zum Ausdruck gekommen sei, daß eine Anrechnung nicht stattfinden könne17.

Der Reichsinnenminister gibt zu Bedenken, ob nicht die Grenze von 25% für den Beamtenabbau zu weitgehend sei. Die dadurch hervorgerufene Beunruhigung könne sich eventuell als untragbar erweisen und er empfehle, bestimmte Zahlen in den Gesetzentwurf nicht aufzunehmen18.

[610] Der Reichsfinanzminister der Reichsverkehrsminister und Ministerialdirektor von Schlieben sprechen sich für eine feste Grenze aus. Dabei wird darauf hingewiesen, daß die 25% nicht mechanisch für jeden Verwaltungszweig Anwendung zu finden hätten, sondern daß diese lediglich zur Fixierung der Gesamtzahl der abzubauenden Stellen bestimmt sei, während diese Zahl auf die einzelnen Stellen zu verteilen anderweitigen Vereinbarungen vorbehalten bleiben müsse.

Der Reichsinnenminister weist ferner auf die große politische Bedeutung hin, die diesem Beamtenabbaugesetz beizumessen ist. Es sei nicht zu verkennen, daß bei der Durchführung des Gesetzes einseitig vorgegangen werden könne, wobei keine Garantie dafür gegeben sei, daß diese Durchführung tatsächlich im Interesse des Staates geschehe. Es müsse versucht werden, gegen etwaige nicht im Interesse der Republik liegende Durchführungsbestrebungen Sicherungen zu schaffen.

Der Reichsverkehrsminister und der Reichspostminister schließen sich diesen Bedenken an und bitten zu versuchen, derartige Sicherungen in den Gesetzentwurf einzubauen.

Den Artikel 7 erklärt der Reichsverkehrsminister für die Eisenbahn als nicht tragbar, da den zahlreichen Beamtenanwärtern bei der Eisenbahn die Anstellung nicht vorenthalten werden könne19.

Der § 3 Art. 8 ist nach allseitiger Auffassung dahingehend umzugestalten, daß einmal klarer zum Ausdruck kommt, daß eine vorübergehende Einstellung möglich ist und zum anderen, daß auch eine dauernde Einstellung nicht unbedingt notwendig an die Zustimmung der Reichsregierung gebunden ist20.

Der Reichsjustizminister äußerte Bedenken gegen Artikel 7 hinsichtlich derjenigen Ressorts, die keinen Unterbau haben.

Der Reichsarbeitsminister schließt sich für sein Ressort diesen Bedenken an.

Der Staatssekretär des Wiederaufbauministeriums weist darauf hin, daß in Verbindung mit der Einstellungssperre wenigstens vorübergehend eine Beförderungssperre vorgesehen werden müsse.

Der Reichsfinanzminister erklärt, daß diese vorgesehen sei21.

Fußnoten

12

Vgl. hierzu Dok. Nr. 51, P. 5 und Dok. Nr. 63 sowie Dok. Nr. 126.

13

Der Entw. war vom RFM am 15.10.23 mit einer Einladung an die Reichs- und pr. Ressorts sowie an den RSparKom. und die Kommunalverbände zu einer Besprechung über den Personalabbau am 19. 10. und zu einer Besprechung mit den Beamtenverbänden am 20. 10. versandt worden (R 43 I /2612 , Bl. 70–80).

14

Damit bezog sich Geßler auf Art. XIX des Entw., nach dem die Länder berechtigt und verpflichtet waren, die Abbaubestimmungen des Reichs zu übernehmen und bis zum 1.1.24 entsprechende gesetzliche Vorschriften zu erlassen. Die Zuschüsse an die Länder für Beamtenbesoldung sollten zum 1.4.24 um 15% gekürzt werden. Für Wartegelder und Abfindungssummen wollte das Reich 75% der nachgewiesenen Aufwendungen gewähren.

15

Art. X des Entw. sah Kürzungen der Pension bzw. Versorgungsbezüge bei Privatarbeitseinkommen vor.

16

S. o. Anm. 14.

17

S. hierzu die Abstimmung über den GesEntw. betr. Kürzung der Ruhe- und Wartegelder sowie der Nebenbezüge der Versorgungsberechtigten, die ein Einkommen aus gewinnbringender Beschäftigung außerhalb des Reichs- oder Staatsdienstes beziehen, am 27.5.22. In der Abstimmung war eine verfassungsändernde Mehrheit nicht zustande gekommen, so daß das Gesetz nicht verkündet wurde (RT-Bd. 355, S. 7655 ); in die zuvor geführte Debatte hatte auch Höfle eingegriffen (S. 7651 ff.).

18

Eine entsprechende Bestimmung war in Art. VIII, § 1 vorgesehen. Jeweils vor dem 1. 2., 1. 3. und 1.4.24 sollten 5% der Gesamtzahl der Beamten am 1.10.23 ausscheiden. Den Zeitpunkt für den Abbau der restlichen 10% sollte die RReg. bestimmen.

19

In diesem Artikel wurde eine allgemeine Einstellungssperre ausgesprochen, die auch für die Verleihung von Planstellen an außerplanmäßig und kommissarisch beschäftigte Beamte galt.

20

In diesem Paragraphen wurde zunächst festgelegt, daß abgebaute Beamte nicht wieder einzustellen seien. „Ausnahmen hiervon sind nur mit Zustimmung der Reichsregierung zulässig. Diese kann ihre Befugnis auf eine oberste Reichsbehörde oder mehrere oberste Reichsbehörden übertragen.“

21

S. zur weiteren Behandlung im RKab. Dok. Nr. 172, P. 4.

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