2.239.1 (wir1p): [Genua.]

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Die Kabinette Wirth I und II (1921/22). Band 1Bild 146III-105Bild 183-L40010Plak 002-009-026Plak 002-006-067

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[Genua.]1

ReichswirtschaftsministerSchmidt: Die Teilnehmerzahl der Delegation müsse unter allen Umständen eingeschränkt werden. In der Wertung der Konferenz schließe er sich den Ausführungen des Ministers Rathenau von heute vormittag an.

Zu den einzelnen weiter vorgeschlagenen Persönlichkeiten bemerke er folgendes:

Die Mitnahme Bernhards scheine ihm unmöglich. Mit Mendelssohn sei er durchaus einverstanden. Dagegen würde sich die Mitnahme von Melchior und Kreuter erübrigen. Über Schlesinger habe er kein Urteil, er kenne ihn nicht2.

[656] Der Reichskanzler Auf die Anwesenheit Mendelssohns lege er Gewicht, weil Kindersley hinkomme. In Genua würden die Fragen der internationalen Anleihen erörtert werden. Deshalb lege er Wert darauf, außer den Sachverständigen auch Leute da zu haben, die mit den Ausländern Fühlung hätten. Melchior sei seines Erachtens nicht zu entbehren. Was Bernhard anlange, so sei es mißlich, ihn als Gegner in Genua zu haben. Er bestehe aber nicht auf seiner Berufung und halte die Frage für erledigt.

Staatssekretär Dr. Müller: Man müsse damit rechnen, daß Fragen, die zum Geschäftsbereich des Wiederaufbauministeriums gehörten, u. a. auch die Kolonialfrage, zur Erörterung gelangten. Für diesen Fall bitte er Herren seines Ressorts zuzuziehen, die er bereitstellen werde.

Reichsminister Dr. Rathenau begrüßt dies.

Staatssekretär Dr. Müller (fortfahrend): Was Bernhard anlange, so würde durch seine Mitnahme als Delegierter die andere Presse vor den Kopf gestoßen werden.

Reichsminister Dr. Hermes: Die Delegation müsse so klein wie möglich sein. Möglicherweise würde die Steuervergleichung eine Rolle spielen, daher müsse er sich vorbehalten, Dr. Witte doch mitzunehmen.

Was Bernhard anlange, so denke er wie Minister Schmidt und Staatssekretär Dr. Müller, aber der Kanzler habe diese Frage ja für erledigt erklärt. Mit dem Kanzler sei er der Ansicht, daß es nötig sei, Leute dort zu haben, die Fühlung mit dem Ausland hätten, insbesondere mit Finanzkreisen. Dies sei aber bei Bergmann, Melchior und Mendelssohn der Fall, daher erübrige sich die Mitnahme Kreuters.

Für nötig halte er, daß zwei landwirtschaftliche Sachverständige mitgingen.

Exzellenz Havenstein brauche einen Mitarbeiter, gegen den auch das Auswärtige Amt keine Bedenken hätte.

Der Reichskanzler Die Frage der Steuervergleichung würde wohl nicht sofort erörtert werden, also könne seines Erachtens ein Referent des Reichsfinanzministeriums vorläufig zurückgestellt werden.

Reichsminister Dr. Hermes: Das Arbeitsministerium u. Verkehrsministerium könne sich seines Erachtens auf je einen Referenten beschränken.

Ministerialdirektor Heinrici hält es nicht für nötig, daß ein Referent des Ernährungsministeriums sogleich nach Genua ginge. Er würde aber für den Fall, daß er später gebraucht würde, einen Herrn bereitstellen. Auch er bitte dringend, noch einen zweiten Sachverständigen für die Landwirtschaft zu benennen, am besten Herrn Rabethge oder Herrn von Wetzki.

Reichsminister Dr. Köster tritt für die Mitnahme Bernhards ein, der das Kabinett in schwierigen Lagen oft unterstützt habe. Er sei als Sachverständiger in Finanzfragen besonders wertvoll.

Reichsminister Groener bittet, die für Verkehrsfragen genannten Sachverständigen von Grassmann und von der Leyen zu streichen. Er benenne für den Wasserverkehr den Generaldirektor Ott, der sehr objektiv und zuverlässig sei, und bitte ferner, den Staatssekretär Stieler und den Geheimrat Wolff sofort mitzunehmen.

[657] Der Reichskanzler erklärt, daß Staatssekretär Stieler sofort fahren solle, während der Referent bereit zu halten sei.

Reichsminister Dr. Brauns: Der Regierungsrat Berger, der die Denkschrift des Arbeitsministeriums3 gemacht habe, müsse unter allen Umständen nach Genua gehen; es sei dann aber unmöglich, den Ministerialrat Weigert zu übergehen. Er sei bereit, nur Weigert zu benennen und Berger ohne ausdrückliche Benennung nachzuschicken. Anwesend sein aber müßten beide.

Der Reichskanzler empfiehlt aus allgemein politischen Gründen zu erwägen, als Sachverständigen auch Herrn von Raumer zu entsenden.

Er frage ferner, wer als Sachverständiger für das Währungsproblem nach Genua ginge.

Reichsminister Dr. Rathenau: Der beste Sachverständige für das Währungsproblem sei der schwedische Gelehrte Cassel, demnächst wohl Vissering. Von deutschen Gelehrten komme in erster Linie Professor Lotz und mit Abstand Professor Bonn in Frage.

Was die Frage Bernhard anlange, so solle man ihn, wenn der Reichskanzler in seiner Berufung eine politische Bedeutung sehe, vom Reichswirtschaftsrat als Sachverständigen für Journalismus benennen lassen.

Er schlage vor, dem Reichskanzler grundsätzlich Freiheit zu lassen, nach Genua zu rufen, wen er wolle.

Der Reichskanzler stellt hierzu fest, daß, wenn sich in Genua die Notwendigkeit ergebe, noch bestimmte Persönlichkeiten zu berufen, er dies tun und demnächst rechtfertigen werde.

Das Finanzministerium bitte er zu prüfen, wer von den Referenten als Sachverständiger für Währungsfragen mitgehen könne. Hierbei möchte er bemerken, daß seines Wissens Professor Bonn vom Reichsfinanzministerium den Auftrag hatte, eine Denkschrift über Währungsfragen auszuarbeiten4.

Staatssekretär Dr. Schroeder: Sachverständig für Währungsfragen sei Präsident Havenstein.

Reichsminister Giesberts äußert die Befürchtung, daß das deutsche Kabelprogramm hintertrieben werden solle. Nötigenfalls bitte er deshalb, einen Sachverständigen seines Ressorts nach Genua zu berufen.

Staatssekretär von Simson macht darauf aufmerksam, daß einige Herren schon einige Tage früher fahren müßten als die Hauptdelegation.

Der Reichskanzler Der Pressechef der Reichsregierung würde mit seinen Referenten schon einige Tage vorher nach Genua fahren.

Es wird nunmehr folgendes festgestellt: Es gehen sofort nach Genua: die Herren Bergmann, Melchior, Duisberg, Cuno, Lübsen, Kraemer, Bücher, Wissel, Baltrusch, Erkelenz, v. Mendelssohn, Kreuter, Hué.

[658] Die Frage, ob die Herren Hilferding, von Raumer und Bonn sofort nach Genua mitgehen sollen, soll durch den Reichskanzler und Reichsminister des Auswärtigen entschieden werden. Zu der Sachverständigen-Konferenz in Berlin sollen eingeladen werden außer den bereits vorgesehenen Herren die Herren von Raumer, Prof. Bonn, Schumacher, Lotz und Julius Wolf5.

Reichsminister Schmidt äußert Bedenken dagegen, daß die Denkschriften über die Lebenshaltung der Arbeiter und über Wohnungsverhältnisse in das Weißbuch aufgenommen werden6.

Nach längerer Erörterung beschließt das Kabinett hierzu: die genannten Denkschriften sollen entweder aus dem Weißbuch und dann auch aus dem Inhaltsverzeichnis ganz gestrichen werden, oder es sollen, wenn sich das ermöglichen läßt, aus den Denkschriften diejenigen Stellen entfernt werden, die zu politischen Bedenken Anlaß geben könnten.

Fußnoten

1

Fortsetzung der Sitzung vom Vormittag (siehe Dok. Nr. 234).

2

Bernhard, Mendelssohn, Kreuter und Schlesinger waren am Vormittag vom RK benannt worden (Dok. Nr. 234), Melchior vom VRWiR (Dok. Nr. 234, Anm. 2).

3

Siehe Denkschrift des RArbMin. über die Erwerbslosigkeit der Welt, ihre Wirkungen, ihre Ursachen und ihre Bekämpfung mit Anlagen in der Sammlung von Material für die Konferenz in Genua (R 43 I /2451 , S. 285-654, hier: S. 408-416).

4

Die Denkschrift Prof. Bonns „Die Stabilisierung der deutschen Währung“ findet sich in dem gedruckten Weißbuch der Sammlung von Material für die Konferenz in Genua am 10.4.1922 (Ergänzungsband 1).

5

Teilnehmerliste siehe Material über die Konferenz von Genua (RT-Drucks. Nr. 4378 , S. 22, Bd. 373).

6

Gemeint sind die Denkschriften „Die Erwerbslosigkeit der Welt, ihre Wirkungen, ihre Ursachen und ihre Bekämpfung“ und „Die Lage des Wohnungswesens in Deutschland, nebst kurzer Übersicht über die ausländischen Verhältnisse“, die in der Sammlung von Material für die Konferenz in Genua am 10.4.1922 abgedruckt sind (R 43 I /2451 , S. 285-654, hier: S. 408-416, 485-495).

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