1.128.1 (wir2p): Reparation.

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Reparation.

Staatssekretär Dr. von Simson verliest die Aufzeichnung des Legationsrats Martius über sein Gespräch mit Staatssekretär Fischer1.

Minister Dr. Hermes: Er habe inzwischen ein längeres Telefongespräch mit Staatssekretär Bergmann geführt, das sich inhaltlich mit dem Gespräch Fischer-Martius[1076] decke. Bergmann habe ihm mitgeteilt, daß Belgien unter allen Umständen das Reichsbankgiro verlange. Auch an diesen Vorschlag hielten sich die Belgier nur bis spätestens morgen früh gebunden. Bergmann halte die Lage für verzweifelt, es werde morgen voraussichtlich die Ablehnung des Moratoriums mit 3 gegen 1 Stimme erfolgen, oder ein Moratorium mit unerträglichen Bedingungen gegeben werden. Weiter würde am 15. September mit dem gleichen Stimmenverhältnis ein „manquement volontaire“ festgestellt werden, und zwar würde als Grund hierzu unsere ablehnende Haltung in der Reichsbankgirofrage dienen.

Bemelmans habe den Gedanken von Reichswechseln ohne Giro entrüstet zurückgewiesen; unsere 4 Bedingungen für die Abgabe solcher Wechsel hätten unsere Unterhändler nicht einmal nennen können2. Er habe im übrigen nochmals festgestellt, daß von unseren Delegierten keine Schatzwechselangebote gemacht seien. Bergmann halte sich noch in Reserve, um für den Fall einer ungünstigen Entscheidung nach Möglichkeit noch eingreifen zu können. Er habe telefoniert, daß seine Befürchtung sich bestätigt habe, daß nämlich seine Reise zwecklos gewesen sei. Endlich habe er gebeten, ihn noch heute telefonisch zu instruieren.

Präsident Havenstein: Die Gespräche mit Bergmann und Fischer hätten sachlich nichts Neues gebracht. Die Frage sei nur, ob das Kabinett seine bisherige Stellungnahme ändern wolle oder nicht. Die Reichsbank lehne nach wie vor die Girierung der Wechsel ab; freiwillig würde sie ihr Gold nicht hergeben.

Zur Begründung dieses Standpunktes wiederholt Havenstein seine Ausführungen aus der Vormittagssitzung.

Der Reichskanzler Er bäte Exzellenz Havenstein, ihm die soeben gemachten Ausführungen auch noch schriftlich zukommen zu lassen, damit er sie bei unseren auswärtigen Missionen und nötigenfalls bei der Reparationskommission verwenden könne3.

Präsident Havenstein sagt dies zu und erklärt weiter: wenn einmal eine endgültige Regelung der Reparationsfrage in Aussicht stehe, dann wolle er gern überlegen, ob er bei seinem jetzigen „Nein“ bleiben müsse.

Staatssekretär Dr. von Simson: Soeben erhalte er die Nachricht aus Paris, daß die Sitzung der Reparationskommission zu Ende sei, und die Entscheidung in einer Sitzung am 31. August um 10 oder ½ 11 Uhr fallen werde.

Minister Dr. Brauns ist gleichfalls der Ansicht, daß keine Änderung der Lage eingetreten sei.

Minister Dr. Köster: Ihm erscheine sogar fraglich, ob Poincaré auch nur für den belgischen Vorschlag zu haben sein werde.

Der Reichskanzler Es müsse also nochmals nach Paris gegeben werden, daß die Reichsbank nach wie vor die Girierung der Wechsel ablehne, weil sie unmöglich sei4.

Hierauf wurde die Besprechung geschlossen.

Fußnoten

1

Die Aufzeichnung vom 30.8.22 lautet: „Den Beschluß der zweiten Nachmittagssitzung in der Reichskanzlei habe ich weisungsgemäß in der aus der Bestätigung ersichtlichen Form nach Paris übermittelt [siehe Dok. Nr. 362 Anm. 3]. Staatssekretär Fischer war selbst am Apparat. – Er erklärte mir nach Übermittlung des Telegramms, es sei eine wesentliche Verschärfung der Lage seit gestern eingetreten. Für das Moratorium sei nur noch ein Mitglied der Reparationskommission [vgl. Bergmann, Reparationen, S. 182]. Das gleiche Stimmenverhältnis bestehe hinsichtlich der in drei Wochen zu erwartenden Entscheidung über die Feststellung einer deutschen Verfehlung. Das eine Mitglied sei Bradbury. Bradbury und Delacroix hätten nach der Sitzung von heute Vormittag nochmals erklärt, daß die Ausstellung der Wechsel mit Reichsbankgiro die einzige Möglichkeit zu einer Lösung sei. Seine weiteren Informationen über die Verschärfung der Lage beruhten auf einer Beprechung mit Bemelmans. Er halte es für erforderlich, daß das Reichskabinett heute nochmals im Hinblick auf diese Verschärfung der Lage über den Vorschlag wegen Ausstellung der Wechsel mit Reichsbankgiro Beschluß fasse. Auch dieser Vorschlag werde nur heute noch angenommen werden. Die Weigerung der Reichsbank, ihr Giro auf die Wechsel zu setzen, werde von der Gegenseite zum Anlaß genommen werden, das manquement volontaire zu begründen. Es werde, wie sein Gespräch mit Bemelmans ergeben habe, auf der Gegenseite absolut nicht verstanden, daß ein Kollegium wie das Reichsbankdirektorium nicht unter dem Einfluß der Reichsregierung zur Hergabe seiner Unterschrift bereit sein sollte. – Ich habe Herrn Fischer zum Ausdruck gebracht, daß m. E. durch die übermittelten Telegramme die Angelegenheit erledigt sei. Der Ernst der Lage sei hier gut bekannt. – Herr Fischer teilte noch mit, daß in der heutigen Nachmittagssitzung über die Frage der Sicherstellung der Kohlen- und Holzlieferungen gesprochen werden sollte.“ (R 43 I /30 , Bl. 263).

2

Die Bedingungen siehe Dok. Nr. 362, Schluß.

3

In R 43 I nicht ermittelt.

4

Vermutlich das in Dok. Nr. 362 Anm. 3 wiedergegebene 2. Telegramm vom 30.8.22.

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