1.24.4 (wir2p): 4. Beamtenbesoldung.

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4. Beamtenbesoldung.

MinDir. von Schlieben berichtete eingehend über die Lage der Besoldungsfragen5. Die zuletzt gestellte Forderung der Gewerkschaften ginge darauf hinaus, den allgemeinen Teuerungszuschlag in gleicher Weise zu erhöhen wie den sogenannten Kopfzuschlag, und zwar um 35%. Die Regierung sei bereit gewesen, den allgemeinen Teuerungszuschlag um 35%, den Kopfzuschlag jedoch nur um 25% zu erhöhen. Die Differenz betrage also lediglich pro Kopf und Jahr 1000 Mark. Nach seiner Auffasung hätte es sich für die Gewerkschaften weniger um diesen Betrag, als um das Prinzip gehandelt, das dahin ging, daß Kopf- und Teuerungszuschlag stets gleichmäßig erhöht werden müssen. Aus beamtenpolitischen Gründen habe die Regierung diesen Standpunkt ablehnen müssen, da dies zu einer weiteren Nivellierung der Gehälter führen würde. Dieser Weg sei umso weniger gangbar als bereits die früheren Gehaltserhöhungen in Verbindung mit den letzten, durch den Reichstag vorgenommenen Erhöhungen schon eine starke Nivellierung herbeigeführt hätten6. Der Eindruck, den er[746] von den Verhandlungen mit den Gewerkschaften habe und den die anderen Ressortvertreter geteilt hätten, wäre der, daß die Annahme des letzten Regierungsvorschlages wesentlich an der Haltung des Vertreters des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Deutschen Angestelltenbundes, Scheffel, gescheitert sei. Die Christliche Gewerkschaft hätte erklärt, daß sie an sich bereit gewesen wäre, dem Regierungsvorschlage zuzustimmen. Es sei das erste Mal, daß eine Einigung über die Besoldungsfrage der Beamten mit den Gewerkschaften nicht erzielt worden sei. Immerhin müsse jetzt die Regierung schleunigst die Angelegenheit weiter betreiben, und das Reichsfinanzministerium schlage deshalb dem Kabinett vor, entsprechend dem letzten, den Gewerkschaften gemachten Regierungsvorschlag den allgemeinen Teuerungszuschlag um 35%, den Kopfzuschlag um 25% zu erhöhen.

Reichsmin. Giesberts stellte zunächst fest, daß die Regierung vor kurzem der Reparationskommission erklärt habe, sie sei außerstande, 60 Milliarden neuer Steuern in nächster Zeit aufzubringen. Nun stände er vor der Tatsache, daß das Reichsfinanzministerium durch die beiden nach dieser Erklärung vorgenommenen Besoldungserhöhungen nicht weniger als 96 Milliarden für Besoldungszwecke bewillige. Er erkläre jetzt schon, daß es dem Reichspostministerium unmöglich sei, den Etat des Reichspostministeriums unter diesen Umständen zu balancieren. Der infolge der letzten Portoerhöhung eingetretene Rückgang sei im Ortsverkehr derart, daß hier an eine weitere Erhöhung keinesfalls zu denken sei. Im Fernverkehr müsse er notgedrungen eine Erhöhung vornehmen, aber er erkläre jetzt schon mit allem Nachdruck, daß es ganz unmöglich sei, den auf die Post entfallenden Betrag für Besoldungszwecke aus den Tariferhöhungen herauszuholen. Er müsse das Finanzministerium bitten, den bei der Post entstehenden Fehlbetrag aus anderen Mitteln zu decken. Er habe volles Verständnis für die Notlage der Beamten, müsse aber nochmals erklären, daß eine Balancierung des Postetats ein Ding der Unmöglichkeit sei. Das Reichsfinanzministerium hätte nach seiner Ansicht die Pflicht gehabt, bei diesen Besoldungsverhandlungen darauf hinzuwirken, daß das Prinzip der Mehrleistung zur Erörterung komme. Solange so wenig in den Staatsbetrieben geleistet werde, könne eine Rentabilität nicht in Aussicht gestellt werden.

Reichsmin. Hermes erwiderte, daß er dem Herrn Reichspostminister insofern zustimme, als das Prinzip der Mehrleistungen zur gegebenen Zeit zu erörtern sei. Er halte es jedoch für falsch, diese Frage mit der Besoldungsfrage zu verquicken. Es sei Pflicht der Regierung, erst im Innern Ruhe und Zufriedenheit zu schaffen, denn nur dann könne an Reparationsleistungen gedacht werden. Insofern bestehe ein großer Unterschied zwischen der Aufbringung von 60 Milliarden neuer Steuern und der Zurverfügungstellung von Mitteln für die Besoldung der notleidenden Beamten. Diese Mehraufwendungen seien lediglich eine Folge des Sturzes der Mark, die wiederum bedingt sei durch die außenpolitischen Verhältnisse.

[747] Reichsmin. Groener erklärt, daß er hoffe, in wenigen Tagen die Erörterung über das Arbeitszeitgesetz in seinem Ressort zu Ende zu bringen. Auch er warne davor, diese Frage mit der Besoldungsfrage zu vermengen. Die Besoldungserhöhung müsse gemacht werden, sie sei eine Konsequenz der allgemeinen Wirtschaftslage. Es sei feststehend, daß die Regierung stets nachhinke, und daß wir erst dann zu geordneten Verhältnissen kämen, auch in der Besoldung, wenn die Wechselkurse stabilisiert würden. Er stimme dem Vorschlag des Reichsfinanzministeriums zu.

MinDir. von Schlieben fügte noch hinzu, daß das Reichsfinanzministerium beabsichtige, dem Reichsratsausschuß und dem Hauptausschuß eine kleine Vorlage zu machen des Inhalts, daß der § 12 Abs. 1 des Gesetzes betr. Feststellung des Reichshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1922 folgende Fassung erhält:

„Der Teuerungszuschlag zu den Bezügen der planmäßigen und außerplanmäßigen Reichsbeamten gemäß § 17 des Besoldungsgesetzes vom 30. April 1920 (Reichsgesetz S. 805) beträgt:

a)

vom 1. bis 30. April 1922 zu dem Grundgehalte, den Diäten und dem Ortszuschlage, soweit diese Bezüge den Betrag von insgesamt 10 000 Mark nicht übersteigen, 60 v. H., im übrigen 30 v. H.,

zu den Kinderzuschlägen 30 v. H.

b)

vom 1. Mai 1922 ab zu dem Grundgehalte, den Diäten und dem Ortszuschlage, soweit diese Bezüge den Betrag von insgesamt 10 000 Mark nicht übersteigen, 120 v. H., im übrigen 65 v. H.,

zu den Kinderzuschlägen 65 v. H.

VizekanzlerBauer schloß darauf die Debatte und stellte fest, daß das Kabinett dem Vorschlage des Reichsfinanzministeriums betreffend Erhöhung der Besoldung und auch den vom Reichsfinanzministerium in Aussicht genommenen Weg zur Erreichung der gesetzlichen Festlegung zustimmt. Danach bedarf es einer weiteren Vorlage an das Kabinett nicht7.

Fußnoten

5

Die DAZ berichtete am 2.5.1922 wie folgt darüber: „Die Reichsregierung hat diesmal selbst die Initiative ergriffen, um die für die Beamten, Angestellten, und Arbeiter des Reichs, der Länder und der Gemeinden ab 1. Mai notwendig werdende weitere Aufbesserung in die Wege zu leiten. Die Verhandlungen mit den Spitzenorganisationen begannen gestern abend um 6 Uhr im Reichsfinanzministerium unter dem Vorsitz des Ministerialdirektors von Schlieben und in Anwesenheit von Vertretern sämtlicher Reichsressorts, des preußischen Finanzministeriums und zahlreicher Mitglieder des 23. Ausschusses des Reichstages.“ (DAZ Nr. 202). Die Gewerkschaften hatten nicht die Erhöhung der Grundgehälter, sondern die Erhöhung des allgemeinen Teuerungszuschlages und des Kopfzuschlages (siehe dazu Besoldungsgesetz vom 30.4.1920, RGBl. 1920, S. 810 ) gefordert (Zeitungsausschnitte und weiteres Material in R 43 I /2564 , Bl. 182, 171, 177, 188 f., 193).

6

Zur Nivellierung der Gehaltsstufen führt die DAZ in dem in Anm. 5 zitierten Artikel aus: „Regierungsseitig wurde betont, […] die letzten Teuerungsaktionen hätten eine starke Nivellierung gebracht. Der Beamte der Gruppe XIII (Ministerialrat), verheiratet mit 2 Kindern hat heute in Berlin das 2,1fache Einkommen des Beamten der Gruppe III (Postschaffner), wenn letzterer gleichfalls verheiratet ist und 2 Kinder hat. Der Beamte der Gruppe X (Regierungsrat) hat das 1,44fache dieses Einkommens, der Beamte der Gruppe VII (Obersekretär) hat das 1,19fache. Deshalb sei es nicht möglich, eine Aktion zu machen, die eine weitere Nivellierung bringe: die Absichten der Oktoberregelung vom vorigen Jahr, die Gehälter wieder in ein richtiges Verhältnis zueinander zu bringen, seien durch die inzwischen vorgenommene Teuerungsaktion in ihr Gegenteil verkehrt worden. Auch die Finanzminister der Länder hätten sich übereinstimmend gegen eine weitere Nivellierung ausgesprochen.“ (DAZ Nr. 202 vom 2.5.22).

7

Erst mit dem Gesetz, betreffend die Feststellung eines vierten Nachtrages zum Reichshaushaltsplane für das Rechnungsjahr 1922 vom 25. Oktober 1922 werden die Teuerungszuschläge der Beamtengehälter erhöht (RGBl. 1922 II, S. 771 ).

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