1.39.5 (wir2p): 5. Hilfsmaßnahmen für die deutschen Goldhypothekenschuldner.

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5. Hilfsmaßnahmen für die deutschen Goldhypothekenschuldner.

Regierungsrat Dr. Reichardt trug eingehend den Standpunkt des Reichswirtschaftsministeriums vor4. Das Kabinett stimmte dem Vorschlage des Reichswirtschaftsministeriums in der nachstehenden Fassung zu:

[790] „1) Die Reichsregierung erkennt grundsätzlich die Notwendigkeit an, Maßnahmen zu ergreifen, um einerseits den deutschen Schuldnern schweizerischer Goldhypotheken in ihrer bedrängten Lage zu helfen, andererseits die Ursache für die tiefgehende Verstimmung, die in der Schweiz aus Anlaß der Durchführung des Abkommens vom 6. Dezember 1920 eingetreten ist, zu beseitigen.

2) Sie beauftragt das Reichswirtschaftsministerium, im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Reichsfinanzministerium die erforderlichen statistischen Erhebungen anzustellen und alsbald mit der Schweiz in Verhandlungen einzutreten, um zunächst eine vorläufige Regelung zu erzielen, wobei in Aussicht gestellt werden kann, daß die Reichsregierung bei genügendem Entgegenkommen seitens der schweizerischen Gläubiger eine endgültige Regelung evtl. durch Kapitalablösung oder eine in gleicher Weise zum Ziele führenden Maßnahme in Aussicht nimmt.“5

Fußnoten

4

Durch VO des Bundesrates vom 31.7.1914 (RGBl. 1914, S. 417 ) waren „bis auf weiteres“ Vereinbarungen, nach denen eine Zahlung in Gold stattzufinden hat, für nicht verbindlich erklärt worden. Den Zeitpunkt des Außerkrafttretens sollte der Reichskanzler bestimmen. Vor dem Kriege hatten nämlich inländische wie ausländische Institute bei Beleihung deutscher Grundstücke die Goldklausel vereinbart. Durch das deutsch-schweizerische Goldhypothekenabkommen vom 6.12.1920 (RGBl. 1920, S. 2021 ) hatte das Reich die Verbindlichkeiten im Grundsatz wieder anerkannt, die Zahlung jedoch gegen Zinszuschläge ausgesetzt. In seinem Schreiben vom 16.8.21 hatte der RWiM bereits zu der danach eingetretenen Situation ausgeführt: „Von den deutschen Hypothekenschuldnern wird gegen das Abkommen Sturm gelaufen und praktisch Sabotage getrieben durch Zinsverweigerung. Teilweise werden die Zinszuschläge, teilweise auch die einfachen Papiermarkzinsen nicht gezahlt. Antwort von Schweizer Seite: Verweigerung jedes Entgegenkommens über den Buchstaben des Abkommens hinaus, Entrüstung in den Kreisen der Interessenten nicht nur, sondern auch der Regierung und der gesamten Öffentlichkeit über das Treiben der deutschen Schuldner, Vorwürfe gegen die deutsche Regierung insbesondere das Auswärtige Amt, das dem Treiben nicht gehörig entgegengetreten sei, ihm sogar stillschweigend oder durch gewisse Äußerungen Vorschub geleistet habe, also große Illoyalität der Reichsregierung, Unehrlichkeit und rechtswidriges Verhalten der deutschen Schuldner. Zusammen: Starke Erschütterung des deutschen politischen und des geschäftlichen Kredits als Erfolg eines Abkommens, das hauptsächlich aus Gründen des politischen Prestiges und des geschäftlichen Kredits abgeschlossen wurde. Aus dem Abkommen an sich kann nach internationalem Recht eine Verpflichtung Deutschlands, auf die Schuldner einzuwirken, daß sie ihre rein privatrechtlichen Verpflichtungen erfüllen, nicht hergeleitet werden. Aber nachdem das Reich das Abkommen geschlossen hat, muß es davon ausgehen, daß die davon betroffenen Untertanen der loyalen Durchführung des Abkommens keinen Widerstand entgegensetzen, und hat die Pflicht, dort einzugreifen, wo die Schuldner trotz guten Willens wirtschaftlich nicht in der Lage sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Innerstaatliche, gesetzgeberische Maßnahmen gegen deutsche Schuldner kommen daher nicht in Betracht.“ (R 43 I /146 , Bl. 23-28).

5

In seinem Schreiben vom 8.4.22 hatte der RWiM u. a. ausgeführt: „Es bleibt sonach festzustellen, daß es aus volkswirtschaftlichen, wie auch innen- und außenpolitischen Gründen erforderlich erscheint, daß das Reich in einer Unterstützungsmaßnahme eingreift, daß diese Unterstützungsmaßnahme finanziell am vorteilhaftesten in einer Ablösung der Hypotheken-Kapitalien bestehen und daß im Gegensatz dazu die Übernahme der jährlichen Zinszuschläge unwirtschaftlich und letzten Endes nicht zum Erfolg führend sein würde. Da aber eine Kapitalsablösung augenblicklich nicht möglich erscheint, muß ein Mittelweg gesucht werden. Dieser könnte etwa darin bestehen, daß mit der Schweiz auf folgender Basis verhandelt wird: 1. Das Reich ist grundsätzlich bereit zu helfen. Es faßt, falls mit den schweizer Gläubigern ein günstiger Akkord zu erzielen ist und die entgegenstehenden außenpolitischen Schwierigkeiten gegebenenfalls durch Intervention der Schweiz bei der Reparationskommission beseitigt werden können, eine Kapitalsablösung ins Auge. 2. Bis diese aber technisch und finanziell möglich ist, garantiert das Reich den schweizer Gläubigern den Eingang der Zinsen und Zuschläge in Höhe des 4fachen Betrages der Friedenszinsen auf längstens 2 Jahre, unter der Bedingung, daß die schweizer Gläubiger sich für die Dauer dieser Abmachung aller weiteren Zwangsmaßnahmen gegenüber den deutschen Schuldnern enthalten, während der Dauer dieser provisorischen Regierung auf ihre weitergehenden Zinsansprüche verzichten und sich bereit erklären, über eine Kapitalsablösung mit Deutschland in ernsthafte Besprechungen einzutreten.“ (R 43 I /146 , Bl. 46-51, hier: Bl. 50f). Die Verhandlungen führen zu dem Gesetz über das Zusatzabkommen zum Abkommen vom 6. Dezember 1920 zwischen dem deutschen Reich und der schweizerischen Eidgenossenschaft, betreffend schweizerische Goldhypotheken in Deutschland und gewisse Frankenforderungen an deutsche Schuldner vom 23.6.1923 (RGBl. 1923 II, S. 284 ).

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