1.77.4 (wir2p): 4. Zur Frage der Gewährung der Straffreiheit an die aus Anlaß des Eisenbahnerstreiks vom Februar 1922 zur Verantwortung gezogenen Personen.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 1). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Wirth I und II (1921/22). Band 2Bild 146III-105Bild 183-L40010Plak 002-009-026Plak 002-006-067

Extras:

 

Text

RTF

[938]4. Zur Frage der Gewährung der Straffreiheit an die aus Anlaß des Eisenbahnerstreiks vom Februar 1922 zur Verantwortung gezogenen Personen.

Reichsminister Groener trägt vor (siehe Anlage)3.

Reichsminister Dr. Radbruch: Er glaube, daß der Herr Reichsverkehrsminister Groener das Problem lediglich als Spezialproblem der Beamtenpolitik behandle. Zur Zeit sei das Problem jedoch ein Problem der allgemeinen Politik. Im preußischen Landtag sei ein Initiativantrag dahingehend eingebracht worden, den Eisenbahnern eine Amnestie für die Strafverfahren, die gegen sie anhängig seien, durchzuführen. Der Initiativantrag habe jedoch nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Reichsregierung vorher grundsätzlich zu der Frage Stellung genommen habe, ob sie auch für die im Disziplinarverfahren verhängten Strafen Straffreiheit zu gewähren wünsche.

Der Reichskanzler macht auf die großen Bedenken aufmerksam, die darin lägen, für Sabotageakte eine Amnestie zu gewähren. Hierdurch würde zweifellos die Autorität der Regierung geschädigt. Er halte eine erneute Beratung über diesen Gegenstand, der sich zu einer Frage von hoher politischer Bedeutung auswachsen könne, für geboten.

Reichsminister Dr. Radbruch warnt vor dilatorischer Behandlung der Angelegenheit und schlägt vor, daß das Reich in der ganzen Frage die Führung in der Hand behalte dadurch, daß es den Ländern empfehle, nur die Strafsachen aus der Verordnung des Reichspräsidenten zu amnestieren, dagegen nicht die nach dem Strafgesetzbuch zu ahndenden Sabotagefälle.

Reichsminister Schmidt hält eine Fühlungnahme mit den Parteien des Reichstags über die Frage für zweckmäßig.

Staatssekretär Göhre vertritt den preußischen Standpunkt.

Reichsm[inister] Dr. Köster ist der Auffassung, daß diese Amnestie prinzipiell mit dem Schutze der Republik nichts zu tun habe und daß es sich im wesentlichen wohl um eine preußische Angelegenheit handle, die das Reich nicht ohne weiteres zur Stellungnahme verpflichte.

Nach längerer eingehender Aussprache bittet der Reichskanzler den Staatssekretär Göhre, dahin zu wirken, daß die Angelegenheit heute noch nicht im preußischen Landtag behandelt würde.

Staatssekretär Göhre sagt zu, zunächst noch einmal Fühlungnahme mit dem preußischen Ministerpräsidenten aufzunehmen.

Die Angelegenheit soll alsdann in einer erneuten, später anzuberaumenden Sitzung weiter behandelt werden.

Fußnoten

3

In R 43 I nicht ermittelt.

Extras (Fußzeile):