2.113.9 (feh1p): 9. Nationalverband Deutscher Gewerkschaften.

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9. Nationalverband Deutscher Gewerkschaften10.

Der Reichsarbeitsminister teilte mit, daß die sogenannten gelben Gewerkschaften[288] wiederholt den dringenden Wunsch ausgesprochen hätten, als Interessentenverbände gehört und zu Tarif- und sonstigen Verhandlungen hinzugezogen zu werden. Die in der Zentralarbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen gewerkschaftlichen Verbände hätten sich gegen die Zuziehung ausgesprochen und die Verhandlungen in Gegenwart von Vertretern der gelben Gewerkschaften, die in der Zentralarbeitsgemeinschaft nicht zusammengefaßt seien, verweigert11. Er habe infolgedessen die gelben Gewerkschaften zu Verhandlungen in seinem Ministerium nicht zugezogen. In einer kürzlich stattgehabten Versammlung der gelben Gewerkschaften seien deshalb Angriffe gegen ihn erhoben worden, die dadurch verschärft seien, daß der Herr Reichsminister der Justiz, Dr. Heinze, der Versammlung beigewohnt habe. Die Angelegenheit sei in der Presse unter scharfen Angriffen gegen seine Person besonders ausgebeutet worden12. Er halte daher eine grundsätzliche Stellungnahme des Kabinetts für erforderlich, wobei er der Auffassung sei, daß das Kabinett seine bisherige Stellungnahme billigen müsse, solange nicht die „gelben Gewerkschaften“ in der Zentralarbeitsgemeinschaft zusammengefaßt seien. Es fand eine eingehende Erörterung über diese Angelegenheit statt, bei der zunächst die Frage besprochen wurde, ob eine Rechtspflicht der Regierung bestünde, mit den gelben Gewerkschaften zu verhandeln, wobei auf Artikel 159 der Reichsverfassung hingewiesen wurde13. Von der Mehrheit des Kabinetts wurde das Bestehen einer Rechtspflicht verneint, auch auf die politische Unmöglichkeit hingewiesen, die Anerkennung der gelben Gewerkschaften von den anderen erzwingen zu wollen. Der von dem Reichsarbeitsminister bisher eingenommene Standpunkt wurde gebilligt. Danach ist die Regierung nicht gebunden, die gelben Gewerkschaften zu Verhandlungen zuzuziehen. Sie wird wie bisher nur mit den Organisationen arbeiten, die von der Zentralarbeitsgemeinschaft als gewerkschaftliche Organisationen anerkannt sind. Sobald diese Anerkennung den gelben Gewerkschaften gelingt, würden auch Bedenken gegen ihre Zuziehung nicht mehr bestehen14.

Fußnoten

10

Der „Nationalverband Dt. Gewerkschaften“ war die Vereinigung der wirtschaftsfriedlichen Arbeitnehmerverbände. Sie wurden auch „gelbe Gewerkschaften“ genannt.

Am 3.11.1920 hatte der RArbM dem StSRkei zwei Presseausschnitte aus der „Deutschen Tageszeitung“, einem der DNVP nahestehenden Blatt, übersandt, in denen der Nationalverband Dt. Gewerkschaften schwere Angriffe gegen den RArbM gerichtet hatte (s. u. Anm. 12). Der RArbM hatte gebeten, diese Angelegenheit möglichst bald zum Gegenstand einer Aussprache ausschließlich unter den Ministern zu machen (R 43 I /2023 , Bl. 68).

11

Die „Zentralarbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands“ war am 15.11.1918 aus der Übereinkunft zwischen den Gewerkschaften und den Unternehmern entstanden. Schon in dem am 15.11.1918 geschlossenen Abkommen war vereinbart worden, daß die Gewerkschaften als die alleinigen Vertreter der Arbeiterschaft anerkannt werden sollten und die wirtschaftsfriedlichen Verbände ihrem Schicksal überlassen werden sollten (P. 1 u. 3 des Abkommens, Reichsanzeiger v. 18.11.1918, Nr. 273).

Der Rat der Volksbeauftragten hatte dem Abkommen ausdrücklich zugestimmt und ihm damit die verfassungsrechtliche Sanktion gegeben (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 6/I, Die Regierung der Volksbeauftragten 1918/19, Dok Nr. 12).

12

Auf der 1. Tagung des Nationalverbandes vom 31. 10.–2.11.1920 in Berlin hatte dessen Vorsitzender F. Geisler (MdR, DVP) scharfe Angriffe gegen RArbM Brauns gerichtet. Die „Deutsche Tageszeitung“ hatte darüber ausführlich berichtet (DTZ Nr. 511 und 512 v. 1. u. 2.11.1920, R 43 I /2023 , Bl. 69–70).

13

Art. 159 der RV lautete: „Die Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Alle Abreden und Maßnahmen, welche die Freiheit einschränken oder zu behindern suchen, sind rechtswidrig.“

14

Siehe dazu auch die Erklärung des RArbM im Haushaltsausschuß des RT, wie sie am 23.2.1921 von dem sozialdemokratischen Abg. Hoch im RT vorgetragen wurde (RT-Bd. 347, S. 2437 ).

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