1.106 (lut2p): Nr. 275 Das Reichsbank-Direktorium an den Reichskanzler. 28. Januar 1926

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Nr. 275
Das Reichsbank-Direktorium an den Reichskanzler. 28. Januar 1926

R 43 I /654 , Bl. 155-158

[Kreditaktion der Golddiskontbank]

Wie bekannt, hat sich die Reichsbank neben der Schaffung normaler Verhältnisse auf dem Geldmarkt seit längerer Zeit auch für Wiederherstellung eines aufnahmefähigen Realkreditmarktes eingesetzt1. Zunächst gingen wir hauptsächlich darauf aus, ihm Mittel zuzuleiten, um einen stärkeren Absatz der Hypothekenpfandbriefe der Landschaften und Bodenkreditbanken herbeizuführen. Unsere Bemühungen, die wir auch jetzt noch fortsetzen, sind keineswegs ohne Erfolg geblieben, aber die zu Gebote stehenden Mittel reichen bei weitem noch nicht aus, um die großen und in der Hauptsache als berechtigt anzusehenden Ansprüche befriedigen zu können. Die Landwirtschaft leidet schwer und in bedenklichem Maße unter dem Mangel an langfristigem Kredit, durch den sie die bestehenden, für sie ungeeigneten und gefährlichen kurzfristigen Verpflichtungen, namentlich diejenigen in Wechselform, ablösen und sich das dringend nötige Betriebskapital verschaffen könnte2.

Nun ist aber die Frage intensiver landwirtschaftlicher Produktion zum Zweck der Einfuhrersparnis von höchster Wichtigkeit für unsere Handels- und[1069] Zahlungsbilanz und steht an Bedeutung den positiven Bestrebungen auf Steigerung der Ausfuhr kaum nach. Schon seit längerer Zeit haben wir diese letzteren Bestrebungen nachhaltig zu fördern gesucht durch die uns angegliederte Deutsche Golddiskontbank, und wir glauben, daß es deren Zweckbestimmung durchaus entspricht, wenn die Reichsbank, außerstande selbst eine durchgreifende Hilfe zu gewähren, durch die Deutsche Golddiskontbank im Rahmen vorhandener und zu erlangender Mittel den für die Landwirtschaft geeigneten Kredit bereitstellen läßt.

Demgemäß hat, wie bereits die Zeitungen gemeldet haben, die Golddiskontbank der Deutschen Rentenbank-Kreditanstalt eine Vereinbarung angeboten, durch welche die Gewährung eines drei- bis fünfjährigen Zwischenkredits auf hypothekarischer Grundlage für die Landwirtschaft ermöglicht werden soll. Man wird damit rechnen können, daß nach Ablauf dieser Zeit dem Realkreditmarkt aus der Wirtschaft selbst infolge von Kapitalbildung wohl ausreichende Mittel zur Verfügung stehen werden, aus denen dann die Zwischenkredite abgedeckt werden können. Auch hoffen wir, daß die Landwirtschaft infolge intensiverer Tätigkeit und damit gesteigerter Produktion wenigstens einen Teil aus ihren Erträgnissen wird tilgen können. Bei dieser Tendenz ist es aber selbstverständlich, daß nur solche landwirtschaftlichen Betriebe den Zwischenkredit erhalten dürfen, die die Gewähr dafür bieten, daß der Zweck der Produktionssteigerung auch tatsächlich erreicht wird.

Die Golddiskontbank wird fürs erste selbst die notwendigen Mittel bereitstellen und zu diesem Zweck die Vollzahlung ihres Aktienkapitals vornehmen lassen. Damit bekommt sie 3,4 Millionen £ oder etwa 70 Millionen RM neu herein. Es wird aber beabsichtigt, diesen Betrag durch Ausnutzung der der Golddiskontbank schon für ihr bisheriges Geschäft zu Gebote stehenden, zur Zeit nur ganz vorübergehend und nur in ganz mäßigen Beträgen in Anspruch genommenen Rediskontierungsmöglichkeiten ganz erheblich zu erweitern.

Die Zuleitung der Kredite an die Landwirte soll auf dem gleichen Wege geschehen wie bei der Rentenbankanleihe; die Rentenbank-Kreditanstalt soll sich somit der Vermittlung der Realkreditinstitute bedienen, welche den Landwirten Hypothekengelder innerhalb der Grenze von 33⅓% des berichtigten Wehrbeitragswertes3 gewähren sollen. Die Hypotheken brauchen nicht unbedingt an erster Stelle zu stehen, es genügt, wenn sie innerhalb der angegebenen Grenze auslaufen. Hierdurch wird erreicht, daß die Kreditgewährung mit möglichster Beschleunigung vor sich gehen kann, da die etwa notwendige Bereinigung der Grundbuchblätter nicht abgewartet zu werden braucht. Die Rückzahlung soll je zu ⅓ nach 3, 4 und 5 Jahren erfolgen.

Die Realkreditinstitute haben die zu ihren Gunsten auszustellenden Hypotheken an die Rentenbank-Kreditanstalt weiter zu verpfänden. Diese wird dagegen Hypothekarschuldscheine ausstellen und an die Golddiskontbank geben. Bei der Rentenbank-Kreditanstalt werden die obenerwähnten Hypotheken zu einer Sonderdeckungsmasse für die Schuldverschreibungen vereinigt, für welche außerdem die Rentenbank-Kreditanstalt mit ihrem gesamten freien Vermögen[1070] haftet. Die Sicherung für die Schuldverschreibungen ist also eine mehrfache. Es haften dafür

1.

die kreditnehmenden Landwirte dinglich mit den bestellten Hypotheken und außerdem mit ihrem gesamten Vermögen als persönliche Schuldner;

2.

die Realkreditinstitute mit ihrem freien Vermögen bis zur Höhe der von ihnen in Anspruch genommenen Beträge;

3.

die Rentenbank-Kreditanstalt selbst mit ihrem freien Vermögen.

Um dem Landwirt nicht nur schnelle Hilfe zu bringen, sondern vor allem auch seine Zinsbelastung möglichst gering zu halten, soll der Zinsfuß der Schuldverschreibungen auf den niedrigen Satz von 7% bemessen werden. Die laufenden Verwaltungskosten der Realkreditinstitute werden sich voraussichtlich mit einem Zuschlag von etwa ½% für das Jahr decken lassen; außerdem werden diese Institute eine einmalige Abschlußgebühr von ½% erheben. Die Rentenbank-Kreditanstalt selbst wird von der Erzielung jedes Zwischengewinnes absehen und nur den einmaligen Obligationenstempel von ½% sowie zur Abgeltung ihrer Unkosten eine einmalige Pauschale von ¼% erheben. Hiernach wird sich der jährliche Zinssatz, den der Landwirt zu tragen hat, voraussichtlich auf etwa 7½% stellen. Bei der Aufnahme des Kredits hat er außer den oben bereits genannten Kosten etc. (½% + ½% + ¼% = 1¼%) naturgemäß noch die Unkosten für Ausfertigung und Versteuerung der Schuldurkunde, die Taxen und Grundbuchgebühren usw. zu tragen, ebenso fallen ihm später die Löschungsgebühren zur Last. Demnach erfolgt die Auszahlung des Hypothekenkredits ohne wesentlichen Abschlag vom Nominalbetrag der einzugehenden Schuldverpflichtung. Gerade hierin liegt für die Landwirtschaft ein bedeutender Vorteil, der ihr die Übernahme von Kursverlusten und die dadurch bisher meist bedingte erhebliche Verteuerung des Hypothekenkredits erspart.

Der kreditnehmende Landwirt soll ferner berechtigt sein, den aufgenommenen Hypothekenkredit auch vor Ablauf der obengenannten Fälligkeiten jederzeit zurückzuzahlen.

Die Schuldverschreibungen werden auf Reichsmark ausgestellt werden und keine Entwertungs- oder Goldklausel enthalten. Es soll hierin das Vertrauen auf die unbedingte Stabilität der deutschen Währung erneut zum Ausdruck kommen.

Die Zustimmung der Rentenbank-Kreditanstalt zu den Vorschlägen ist bereits ausgesprochen worden.

Wenn nun auch die Golddiskontbank das zunächst erforderliche Geldkapital zur Verfügung stellt, so ist sie doch nicht in der Lage, sämtliche vermutlich eingehenden Ansprüche aus eigenen Mitteln, so ansehnlich sie auch sind, zu befriedigen. Sie muß zudem in Anbetracht ihres ursprünglichen Geschäftszweckes darauf bedacht sein, daß ihre Mittel nicht etwa von der neuen Aufgabe völlig absorbiert werden, auch muß sie darauf halten, daß die jetzt zur Anlage gelangenden Mittel zu rechter Zeit wieder frei werden. Das Maß der Hilfeleistung wird also davon abhängen, ob und inwieweit sich die von der Golddiskontbank übernommenen Schuldverschreibungen der Rentenbank-Kreditanstalt weiter absetzen lassen. Hierfür muß in erster Linie das Inland in Betracht[1071] gezogen werden, um die künftige Belastung der deutschen Zahlungsbilanz durch Zins- und Amortisationsverpflichtung gegenüber dem Ausland möglichst einzuschränken. Selbstverständlich soll aber eine Abgabe der Schuldverschreibungen an das Ausland keineswegs ausgeschlossen sein, doch soll die Aktion zunächst gerade dazu dienen, einer allzu starken und raschen weiteren Kreditaufnahme im Ausland für die deutsche Landwirtschaft entgegenzuwirken und so die Bedingungen für künftige Anleihen in unserem Sinne günstig zu beeinflussen.

Die ganze Aktion wird jedenfalls um so erfolgreicher sein, je mehr es gelingt, schon bald in Deutschland Gelder für sie heranzuziehen, die sonst nicht den landwirtschaftlichen Krediten zu Gebote stehen würden. Auf dem Geld- und Kapitalmarkt scheinen uns die Bedingungen für den Absatz des neuen Papiers zu pari noch nicht gegeben zu sein; wohl aber wird man von gewissen öffentlichen Instituten erwarten dürfen und müssen, daß sie sich in der Form der Übernahme der Schuldverschreibungen von der Deutschen Golddiskontbank zu Parikursen in möglichstem Umfange beteiligen. Wir verkennen nicht, daß sich auch für sie heute vielfach höhere Zinsen erzielen lassen als 7%. Wir dürfen aber auch darauf hinweisen, daß für die Institute, die wir im Auge haben, der Grundsatz, nur immer möglichst den höchsten Zinsertrag sich zu sichern, keine Geltung haben darf und daß vor allen Dingen wir selbst im Zusammenhang mit der Golddiskontbank freiwillig auf die Ausnutzung der bei den Zeitverhältnissen erzielbaren Zinssätze verzichtet haben. Daß es sich bei dem in Rede stehenden Papier um eine Anlage ersten Ranges handelt, wird besonderer Hervorhebung kaum bedürfen.

Wenn auf diese Weise die Reichspostverwaltung, die Reichseisenbahngesellschaft, die Sparkassen, Krankenkassen, die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte und andere Institute veranlaßt würden, einen irgendwie namhaften Teil ihrer Gelder zur Übernahme dieser Papiere zu verwenden, so würde die Aktion der Golddiskontbank mit der Zeit unseres Erachtens unschwer auf einige Hundert Millionen Reichsmark verstärkt werden können, also auf einen Betrag, der bei weiser und vorsichtiger Ausleihung und im Zusammenwirken mit gewissen anderen Aktionen (Erwerb von landwirtschaftlichen Pfandbriefen gewöhnlicher Art durch die Reichsbank zum Zweck der Belegung ihres Pensionsfonds, Erweiterung der Lombardfähigkeit dieser Pfandbriefe) doch hinreichend erscheint, um eine wesentliche Beruhigung und Konsolidierung der landwirtschaftlichen Kredit-, Produktions- und Besitzverhältnisse erwarten zu dürfen.

Wir würden dankbar sein, wenn von der Reichsregierung aus Veranlassung genommen würde, diesen Gedanken an allen in Betracht kommenden Stellen lebhaft und mit Nachdruck weiter zu verfolgen und wenn uns über das Veranlaßte eine gefällige Mitteilung gemacht werden könnte4.

Abschriften dieses Schreibens lassen wir zugehen: Dem Herrn Reichsminister der Finanzen, dem Herrn Reichswirtschaftsminister, dem Herrn Reichsarbeitsminister,[1072] dem Herrn Reichspostminister, dem Herrn Reichsverkehrsminister, der Deutschen Reichsbahngesellschaft, der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte und dem Reichsaufsichtsamt für Privatversicherungen.

Reichsbank-Direktorium

Hjalmar Schacht

Dreyse

Fußnoten

1

Vgl. den Bericht Schachts zur Kredit- und Währungspolitik der Rbk vom 5.12.25 (Dok. Nr. 244).

2

Zur Kreditlage der Landwirtschaft vgl. die Denkschrift des REM vom 17.11.25 (Dok. Nr. 227).

3

Vgl. Anm. 9 zu Dok. Nr. 227.

4

Zur Verwirklichung dieses Vorschlages werden vom RFMin. und REMin. sofort Verhandlungen mit der Rbk und der Rentenbank-Kreditanstalt aufgenommen (Vermerk Grävells vom 2. 2. in R 43 I /654 , Bl. 179 f.). Die entscheidende Besprechung findet am 1. 4. im RFMin. statt. Hierbei erklären sich Vertreter des RPMin., des RVMin., der öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten und der Sparkassenverbände bereit, die von der Rentenbank-Kreditanstalt herauszugebenden Obligationen von der Golddiskontbank zu übernehmen. Die Kreditaktion beginnt bereits im Mai 1926 (Aktenmaterial hierzu in R 43 I /655 ) und führt bis Jahresende zur Gewährung von Hypothekengeldern an die Landwirtschaft in Höhe von 300 Mio RM (Verwaltungsbericht der Reichsbank für das Jahr 1926, S. 9).

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