2.66.1 (sch1p): 1. [Diktatorischer Wirtschaftsausschuß]

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Das Kabinett ScheidemannReichsministerpraesident  Philipp Scheidemann Bild 146-1970-051-17Erste Kabinettssitzung der neuen deutschen Reichsregierung am 13.2.1919 in Weimar Bild 183-R08282Versailles: die deutschen Friedensunterhändler Bild 183-R11112Die Sozialisierung marschiert! Plak 002-005-026

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1. [Diktatorischer Wirtschaftsausschuß]

Auf Antrag des Reichsministers Dernburg beschließt das Kabinett im Anschluß an die vorausgegangene Vorbesprechung der zunächstbeteiligten Ministerien: Zur Prüfung und energischen Durchführung aller notwendigen und möglichen Maßnahmen für Beschaffung von ausländischen Zahlungsmitteln wird ein engerer Ausschuß eingesetzt, bestehend aus 1. dem Reichswirtschaftsminister als Vorsitzenden, 2. dem Reichsschatzminister, 3. dem Reichsernährungsminister. Der Ausschuß beschließt über die zu treffenden Maßnahmen selbständig; seine Anordnungen sind für alle Stellen vorbehaltlich besonderer Kabinettsbeschlüsse in gleicher Weise verbindlich wie die Anordnungen des Kabinetts. Der Ausschuß wird zur Durchführung seiner Anordnungen einen Beauftragten ernennen1.

1

Zum Plan der Errichtung eines diktatorischen Wirtschaftsausschusses schrieb Gothein in seinen unveröffentlichten Aufzeichnungen „Aus meiner politischen Arbeit“, S. 92: „Der Wirtschaftsminister Wissell versuchte, mit seinem staatssozialistischen [U]StS v. Moellendorff seine planwirtschaftlichen Ideen durchzuführen, was die ohnehin in unsagbar schwieriger Lage befindliche Wirtschaft noch weiter stark beunruhigte. Da er auch in Aussprachen nicht davon abzubringen war, so bildeten wir im Einverständnis mit Ebert und Scheidemann aus dem Kabinett einen sogenannten diktatorischen Ausschuß, dem außer Wissell noch die Minister Dernburg, Erzberger, Robert Schmidt und ich angehörten [der RFM war nicht Mitglied des Ausschusses, s. Dok. Nr. 89, Anm. 10]. Geschäftsführer desselben wurde der [U]StS Dr. Toepffer. […] Ihm mußten alle in die Wirtschaft eingreifenden Pläne zur Genehmigung vorgelegt werden. Wissell tobte, drohte wiederholt mit Niederlage seines Amtes, wenn wir ihm einen seiner schönen planwirtschaftlichen Pläne nach dem anderen ablehnten […]“ (Nachl. Gothein , Nr. 12).

Der Text des Kabinettsbeschlusses ist insofern irreführend, als der Aufgabenbereich weitergefaßt war. Der Text der WTB-Meldung vom 10.5.1919 über den kabinettsbeschluß lautet dagegen: „Zur Förderung der Ausfuhr dt. Waren, behufs Beschaffung von Devisen sowie zur Förderung der Einfuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen ist unter dem Vorsitz des RWiM die Errichtung einer Zentralstelle beschlossen worden, die auf Grund der vom RMin. an die RM Gothein, Schmidt und Wissell erteilten Vollmachten berechtigt ist, alle Maßnahmen vorzunehmen, die dem obigen Zwecke dienen. Die kommissarische Leitung dieser Stelle ist dem UStS Dr. Toepffer im AA übertragen worden. Aufgabe dieser Stelle ist ferner, in jeder Weise alle Bestrebungen zu fördern, die auf die Beschaffung von Staats- und Privatkredit im Ausland gerichtet sind, und alle Möglichkeiten zu prüfen und durchzuführen, um eine Wiederbelebung des dt. Handels mit dem Auslande herbeizuführen.“ (Schultheß 1919, I, S. 202). Die erste Sitzung des Diktatorischen Wirtschaftsausschusses fand am 8.5.1919, 18 Uhr im RSchMin. statt. Dem Protokoll der Sitzung zufolge wurde beschlossen, „um den Export zu fördern, jedem Exporteur dt. Waren, der unter Berechnung in ausländischer Währung ins Ausland verkauft, 20% der Devisen […] zur Verfügung zu stellen. […] Um die Kohlenproduktion zu fördern, sollen dem Kohlenexporteur Lebensmittel im Werte von 20% der Ausfuhr vom REAmt zur Verfügung gestellt werden, als Extraration für die im Kohlenbergbau beschäftigten Arbeiter. […] Um die Einfuhr von Rohstoffen zu unterstützen, ist in Aussicht genommen worden, einen von Fall zu Fall festzusetzenden Anteil der eingeführten Rohstoffmengen dem Importeur, der sich Devisen selbst beschafft, sei es auf dem Kreditwege, sei es durch Ausnutzung der vorher erwähnten 20%, zur Verarbeitung außerhalb des Kontingentes, innerhalb der Zwangswirtschaft zur Verfügung zu stellen. Der Veredelungsverkehr soll unterstützt werden, indem Einfuhrbewilligungen für Waren gegeben werden, für die der Nachweis erbracht wird, daß sie ganz oder teilweise im veredelten Zustand wieder ausgeführt werden. […]“ (PA, Handakten Toepffer, Nr. 43).

[265] Der Antrag des Unterstaatssekretärs Toepffer, einen Vertreter des abwesenden Reichsministers des Auswärtigen in den Ausschuß aufzunehmen, wird abgelehnt, weil nur die dem Parlamente und dem Kabinett verantwortlichen Minister selbst mit solch einer Aufgabe betraut werden könnten. Der Ausschuß werde selbstverständlich Kommissare der andern beteiligten Ministerien anhören. Wie weit er im einzelnen Falle ihren etwaigen Widerspruch berücksichtigen wolle, müsse er selbständig entscheiden, unbeschadet der Befugnis des Kabinetts, dem Ausschuß Anweisungen zu geben2.

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Zur weiteren Beratung der den Diktatorischen Wirtschaftsausschuß betreffenden Fragen s. Dok. Nr. 99, P. 9.

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