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Nr. 108
Mitteilungen über die Entwaffnung der „Schwarzen Reichswehr“. 3. Oktober 1923
R 43 I/2371, Bl. 365–367 Durchschrift1
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Reichskommissar Kuenzer sandte diese Mitteilungen am 4.10.23 an StS Zweigert mit dem Bemerken, er habe sich sofort mit dem RWeM in Verbindung gesetzt, um zu erfahren, ob die Nachrichten zutreffend seien. Sollmann sandte diese Berichte mit anderen Mitteilungen über illegale Verbände am 27.10.23 an den StSRkei (R 43 I/2731; Bl. 352–364, 368/369).
Bericht über Döberitz.
Im Übungslager Döberitz wurde vor zwei Tagen ein Truppenteil der schwarzen Reichswehr, das Regiment Löwenfeld, das 2 Bataillone stark war, von dem Potsdamer Reiterregiment (Ulanen) der Reichswehr entwaffnet2.
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Der Bericht eines Vertrauensmannes des RKom. über einen Besuch in Döberitz wurde von RegR Wienstein dahin zusammengefaßt: „Dort sind viele Roßbachleute, Freiwillige des Olympiaverbandes usw. Die Angehörigen dieser Formationen glauben allgemein, daß man sich der Regierung bemächtigen würde, sobald sämtliche vaterländische Verbände mobil gemacht seien und ihren Bestimmungsort erreicht hätten“ (R 43 I/2731, Bl. 368/369, 370).
Die schwarze Reichswehr in Döberitz verfügte auch über eine Batterie von 8 Geschützen, darunter 21 und 15 cm Geschütze. Auch schwere Minenwerfer und Maschinengewehre waren vorhanden.
Die Leute der schwarzen Reichswehr sind außerordentlich erbittert auf ihre Offiziere, von denen sie sich verraten fühlen. Der Führer der schwarzen Reichswehr, ein Oberleutnant Marx3, der jetzt angeblich wieder bei der Reichswehr ist, wird von den Leuten als Verräter bezeichnet. Die Leute beklagen sich darüber, daß an dem Tage, als die Potsdamer Ulanen4 kamen, sich keine Offiziere sehen ließen, so daß sie völlig führerlos waren. Die Leute der schwarzen Reichswehr wurden alle verhaftet5. Sie wurden zum Teil von Döberitz nach Potsdam gebracht.
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In der Rangliste des Reichsheeres von 1924 waren nur ein Oberstleutnant Marx zu ermitteln, der, wie schon 1921 als Major, auf dem Artillerieschießplatz Jüterbog Dienst tat, sowie ein Leutnant Marx beim 17. Infanterieregiment; Hauptmann Marcks vom Truppenamt hatte seit 1921 Dienst im RWeMin. getan (Stellenbesetzung für das Reichsheer, 1921; Rangliste des deutschen Reichsheeres, 1924). In der Ehrenrangliste des ehemaligen deutschen Heeres [1914–1918] (1926) ist ein Oberleutnant a. D. Marx bei dem 6. Infanterie-Regiment Nr. 105 König Wilhelm II. von Württemberg angegeben.
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Es dürfte sich um das 4. (preußische) Reiter-Regiment gehandelt haben, dessen 3. Eskadron in Potsdam lag und als Traditionseinheit die Garde-Ulanen hatte.
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Nach der Angabe der „Zeit“, Nr. 229 v. 4.10.23, wurden in Döberitz 200 Personen festgenommen.
Einem Teil der Döberitzer Leute wurde der Übertritt in die Reichswehr angeboten, wenn sie sich den vorgeschriebenen Bedingungen fügen. Dazu besteht bei den meisten keine Neigung.
[469]Bericht aus Spandau.
In der Spandauer Zitadelle6 ist gestern und heute die Kampfgruppe des Oberleutnant Scheller in der Zitadelle entwaffnet worden7. Die Leute dieser Kampfgruppe waren von der Reichswehr neu eingekleidet worden. Sie erhalten jetzt bei der Auflösung einen Militäranzug, einen Militärmantel und 150 Millionen Mark8. Auch erhält jeder der Entlassenen einen Revolver und Munition. Die Beköstigung der Leute soll von morgen ab aufhören. Die Kampfgruppe Scheller war zuletzt 200 Mann stark. Auch eine Abteilung auf dem Fort Hahneberg sei aufgelöst worden9. 24 Leute dieser Abteilung seien nach Mecklenburg gegangen. Ein Oberleutnant Witt10 bemüht sich weiter um die Unterbringung der Leute auf Gütern. Für Mecklenburg ist in demselben Sinne ein Hauptmann Brencken11 bemüht12. Die Leute gehen auseinander mit der Überzeugung, daß die Sache noch nicht zu Ende sei, sondern daß es doch bald losgehen werde und daß man solange für sie sorgen werde. Ein Teil der Leute hat die Absicht, in die Reichswehr einzutreten, ein anderer will nach Bayern gehen, wo Leute gesucht würden13.
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Zur Beschäftigung der „Schwarzen Reichswehr“ in der Spandauer Zitadelle s. Das Kabinett Luther I/II, Dok. Nr. 303.
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Im Zusammenhang mit dem Küstriner Putsch (Dok. Nr. 97, P. c) war die Spandauer Zitadelle von der „Schwarzen Reichswehr“ zeitweilig besetzt worden. – Ein Oberleutnant Scheller konnte nicht in der Rangliste ermittelt werden, sondern lediglich ein Hauptmann Scheller beim 16. Infanterie-Regiment. Gemeint sein dürfte entweder Oberleutnant Schulz, ein direkter Mitarbeiter Buchruckers, oder der Hauptmann a. D. Stennes.
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In Berlin betrug der Wechselkurs für 1 Dollar am 4.10.23 440 Mill. Papiermark, die Goldmark hatte einen Wert von 117,8 Mill. Papiermark.
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S. dazu H. H. Hofmann, Der Hitlerputsch, S. 103.
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Die Ehrenrangliste (s. o. Anm. 3) weist einen Oberleutnant a. D. Witt aus, der im Krieg dem Infanterie-Regiment Lübeck angehört hat. In der Rangliste der Reichswehr für 1924 ist ein Leutnant Witt angeführt, der dem in Pommern stationierten 5. (Preußischen) Infanterie-Regiment angehört hat.
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Nach der Stellenbesetzung für das Reichsheer 1921 war ein Rittmeister Brenken Eskadronchef im Reiter-Regiment 3; 1924 gehörte er dem Generalstab des Gruppenkommandos 2 als Major an.
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Die Umsiedlungen nach Mecklenburg und Pommern sind auch in der Denkschrift Geßlers von 1926 berichtet worden (Das Kabinett Luther I/II, Dok. Nr. 303). – In einem ausführlichen Bericht über die politische Lage in Norddeutschland, der von RIM Sollmann am 27.10.23 dem StSRkei zugesandt wurde, und eine Vielzahl von Angaben über Mecklenburg, die Provinz Brandenburg, Pommern enthält, wird angeführt, daß in diesen Gebieten der Stahlhelm, der Landbund und die ländlichen Reit- und Fahrvereine sich als Wehrverbände betätigen. „Erst nach Bekanntwerden des Küstriner Putsches brachte man die geheimnisvolle Rührigkeit in Zusammenhang mit irgendwelchen Plänen auf rechtsradikaler Seite. Davon ist man bis weit in die Kreise des Bürgertums hinein überzeugt, daß seitens der Reichswehr von Mecklenburg aus und in der Westpriegnitz von Perleberg aus den Machenschaften von rechtsradikaler Seite Vorschub geleistet wird. Mit staunenswerter Offenheit wird auf dem Lande von der Existenz einer schwarzen Reichswehr berichtet, die bei Dallgow-Döberitz zusammengezogen sein soll und auf die mancherlei Hoffnungen gerichtet werden.“ Gleichgültigkeit habe dazu beigetragen, daß der Abmarsch von Mannschaftsgruppen und andere Beobachtungen nicht gemeldet worden seien (R 43 I/2731, Bl. 361/362).
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In dem Bericht über Norddeutschland (s. o. Anm. 12) heißt es: „In den beiden letzten Tagen der Kabinettskrise wurde die Sprache der Aktivisten wieder freimütiger. Sie reden jetzt mit Detailangaben von den kommenden Dingen und vertrauen auf den Ausbruch der Diktatur Hitler, die noch in diesem Monat bevorstehen soll. Sie berichten, daß Hitler vollkommen die Lage auch in Norddeutschland beherrsche. In Bayern stünden 60 000 voll ausgerüstete und bewaffnete Leute zur Verfügung, die sich auf Infanterie, Reiterei und Artillerie verteilen, dazu Fliegerformationen, Kraftwagenstaffeln und Bagage. Die militärische Leitung der Armee Hitler liege in den Händen des Generals Ludendorff“ (R 43 I/2731, Bl. 362).
[470] Einer der Leute der Abteilung Scheller gab an, Consul-Mann14 zu sein. Die Sache sei schief gegangen, weil von 12 000 Mann, die von der O.C. nach Spandau gerufen worden seien, nur ganz wenige angekommen seien, nur 15 Mann davon seien bei der Abteilung geblieben. Einige größere Gruppen von 30–60 Mann seien angekommen aber wieder umgekehrt, nachdem sie gesehen hätten, wie die Dinge stehen.
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Nach einem Bericht „Die Todfeinde der Republik“ der 1922 von der bayerischen SPD zusammengestellt worden zu sein scheint, wurde über die von Kapitänleutnant Ehrhardt nach dem Kapp-Putsch gegründete Organisation berichtet: „Organisation C bedeutet Organisation ‚Consul‘.“ Mit Consul sei Erhardt als „militärischer Diktator“ gemeint worden. „Die geistigen Ziele der Organisation C waren angeblich die Pflege des nationalen Gedankens, Bekämpfung des Judentums und des Sozialismus, Bekämpfung der Weimarer Verfassung. Als materielle Ziele erscheinen in der Satzung die Verhinderung der vollständigen Revolutionierung Deutschlands, Niederzwingung innerer Unruhen, Einsetzung einer nationalen Regierung durch den Geheimbund, Übertretung der gesetzlichen Bestimmungen über die Entwaffnung. Die Mitglieder sind zur Geheimhaltung des Bundes, unbedingtem Gehorsam, Anwendung ungesetzlicher Machtmittel verpflichtet. Es besteht eine ‚Feme‘“ (R 43 I/2731, Bl. 249). Von der O. C. wurden die Morde an Erzberger und Rathenau durchgeführt. S. auch die Kabinette Wirth I/II, Dok. Nr. 151.
Ein Oberleutnant von Bargen15 hat erklärt, die Sache werde in den nächsten Tagen in Bayern losgehen16. Die Leute, die zusammen bleiben würden, würden freies Geleit bis zur Bayerischen Grenze haben17. Bargen ist gestern nach Bayern gefahren, um die Verbindung aufzunehmen und wird in den nächsten Tagen zurückerwartet.
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Ein Offizier dieses Namens konnte nicht ermittelt werden. In der „Ehrenrangliste“ (s. o. Anm. 3) ist ein Hauptmann a. D. Bergen genannt, der bei Kriegsbeginn mit Röhm beim 10. Infanterie-Regiment König in Ingolstadt stand. Der Reichswehr gehörte ein Leutnant von Bercken an bei der MG-Kompanie des 8. (preußischen) Infanterie-Regiments in Liegnitz.
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S. o. Anm. 13.
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Vgl. R. Scheringer, Das große Los, S. 139.
Ein Major von Bock, aktiv beim 9. Reichswehr-Rgt. in Spandau18, hat zu den Leuten der schwarzen Reichswehr gesagt: „Na, wenn die Sache so ungeschickt anfängt, können wir euch auch nicht helfen.“ Dieser Major von Bock hat nach Küstrin geschickt, um von dort Handfeuerwaffen für die entlassenen Leute zu besorgen.
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Es handelt sich um Oberstleutnant Fedor von Bock, der zunächst Stabschef der 3. Division gewesen war und 1924 das II. Bataillon des 4. (Preußischen) Infanterie-Regiments in Kolberg befehligte. S. zu seiner Rolle in Spandau H. H. Hofmann, Der Hitlerputsch, S. 103; E. Deuerlein, Der Hitlerputsch, Dok. Nr. 79.
Die schwarze Reichswehr sitzt seit über einem Jahre in Döberitz. Ein Teil ihrer Leute blieb dauernd als fester Stamm, ein anderer Teil wechselte. Die schwarze Reichswehr wurde von der aktiven Reichswehr in jeder Weise unterstützt. z. B. hat die Lagerkommandantur für den Transport der Geschütze der schwarzen Reichswehr von neuen nach dem alten Lager die Pferde zur Verfügung gestellt.