2.36 (ma11p): Nr. 36 Der Reichskanzler an den Geheimen Kommerzienrat Louis Hagen in Köln. 22. Dezember 1923

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[151] Nr. 36
Der Reichskanzler an den Geheimen Kommerzienrat Louis Hagen in Köln. 22. Dezember 1923

R 43 I /2424 , gefunden in R 43 I /2442 , Bl. 44-48 Abschrift1

[Bedingungen der Reichsregierung für die Genehmigung der Rheinisch-Westfälischen Bank]

Sehr geehrter Herr Geheimrat!

Auf Grund der Verhandlungen, die hier am 17. d. M. über die Gründung einer Rheinisch-Westfälischen Notenbank stattgefunden haben2 und die alsdann in Sonderbesprechungen zwischen Herrn Pferdmenges, Herrn Baron von Schröder und Herrn Hammerschmidt fortgeführt wurden, hat die Reichsregierung nach Benehmen mit den beteiligten Ländern zu Ihren Vorschlägen folgende Stellung eingenommen:

Im Grundgedanken kommt, wie ich zu meiner Freude mitteilen kann, der vorläufige Beschluß Ihren Wünschen weit entgegen, wobei ich nicht verhehlen will, und dafür bei ihnen volles Verständnis erwarte, daß schwerwiegende währungspolitische und politische Bedenken zu überwinden waren. Die nachfolgenden Bedingungen hält jedoch die Reichsregierung für unumgänglich erforderlich, um einerseits eine Möglichkeit für die weitere Arbeit der Reichsbank im besetzten Gebiet und damit eine einheitliche Währung innerhalb des gesamten deutschen Reiches zu erhalten und andererseits eine schließliche Überleitung der Rheinisch-Westfälischen Bank in ein Zentralgoldnoten-Institut des Deutschen Reichs zu gewährleisten. Sämtliche Bedingungen sind auch mit den Herren, die an den Sonderberatungen teilgenommen haben, durchgesprochen und wurden von diesen für tragbar und bei den ausländischen Konsorten für erreichbar angesehen. Im nachstehenden führe ich die Bedingungen unter dem Gesichtspunkt auf, ob sie der Rheinisch-Westfälischen Bank selbst aufzuerlegen oder mit den deutschen Teilhabern der Bank zu vereinbaren sind. Voraussetzen möchte ich, daß die auch von den dortigen Herren für wünschenswert gehaltene Bezeichnung der Bank als Rheinisch-Westfälische Bank auf keinen Widerspruch stößt und daß auch bei den auszugebenden Scheinen die Bezeichnung als Note vermieden wird sowie daß die deutsche Papiermark oder ein anderes vom Deutschen Reiche als gesetzliches Zahlungsmittel ausgegebenes Geld auch im Währungsbereich der Rheinisch-Westfälischen Bank Zahlungsmittel bleibt und wird. Weitere Voraussetzung ist völlige Gewähr dafür, daß mindestens Zug um Zug eine Zulassung der Rentenbankverordnung im besetzten Gebiet erfolgt und zwar in dem Sinne, daß die zur Sicherung der Bank vorhandenen Fundierungsmöglichkeiten geschaffen werden und daß der Umlauf der Rentenmark gesichert ist. Zur Sicherung des Umlaufs der Rentenmark gehört[152] es auch, daß Beschlagnahmen von Rentenmarkmengen bei den mit ihrer Ausgabe oder mit der Zahlung in Rentenmark befaßten Stellen ausgeschlossen sind. Eine weitere Voraussetzung für die Genehmigung der Rheinisch-Westfälischen Bank ist, daß Ausgabe und Umlauf des von der Landesbank Düsseldorf auszugebenden wertbeständigen Notgeldes gleichfalls zugelassen werden und daß weder gegen die Art der in Aussicht genommenen Deckung noch gegen die in Aussicht genommene Abstellung auf Mark und die Beaufsichtigung der Ausgabe durch einen Beauftragten der Deutschen Regierung seitens der Besatzungsmächte Einwendungen erhoben werden.

Dies vorausgeschickt, sind die Bedingungen im einzelnen:

A. Niederlassungen und Zweigniederlassungen der Bank werden nur im (zur Zeit) besetzten Gebiet errichtet.

B. Der Höchstbetrag der von der Bank auszugebenden Scheine wird auf den Gegenwert von 75 Millionen Dollar der Vereinigten Staaten begrenzt.

C. Die Einheit, auf welche der von der Rheinisch-Westfälischen Bank auszugebende Schein gestellt ist, muß so bemessen sein, daß sie einer einheitlichen Währungspolitik des Deutschen Reiches nicht im Wege steht. Zu diesem Zweck ist es notwendig, diejenige Einheit zu wählen, die im Deutschen Reiche für die Dauer gelten wird. Ob dies eine Einheit in Höhe der alten Goldmark oder eines Bruchteils von ihr oder einer Einheit in Anlehnung an den Dollar sein wird, bildet noch den Gegenstand von Beratungen und wird erst in 1–2 Wochen entschieden werden. Aufzustellen ist hier nur der Grundsatz, daß der Rheinisch-Westfälische Goldschein sich der hier gewählten Einheit anpaßt.

D. Eine Ausgabe von Münzen durch die Rheinisch-Westfälische Bank sowie eine Ausgabe von Noten in geringerer Höhe als dem Werte von 2 Dollar ist ausgeschlossen.

E. Als Entgelt für die Verleihung des Rechts zur Ausgabe der Geldscheine leistet die Bank eine Abgabe von 1/52% des durch Gold oder Devisen gedeckten Umlaufs, der sich aus den jeweils wöchentlich zu veröffentlichenden Ausweisen ergibt, sowie von 6/52% des nicht durch Gold oder Devisen gedeckten Betrages. (Für die Feststellung und Entrichtung kommen die Bestimmungen des § 10 des Bankgesetzes3 in Frage).

Die hieraus sowie aus den sonstigen Besteuerungen der Bank fließenden Beträge werden an das Reich in einer Form abgeführt, die sie einer Beschlagnahme durch die Besatzungsmächte nicht aussetzt.

F. Die Rheinisch-Westfälische Bank wird in ihrer Diskont- und Lombardpolitik unter die Sätze der Reichsbank nicht heruntergehen und in dieser Hinsicht den gleichen Beschränkungen wie die bereits bestehenden Privatnotenbanken unterliegen. (Vgl. Gesetz vom 7. VI. 1899, Reichsgesetzbl. S. 311). Die in Vergleich zu ziehenden Sätze der Reichsbank sind die Sätze für voll-wertbeständige Kredite.

G. Die Reichsregierung kann jederzeit die erteilte Genehmigung zurückziehen mit der Wirkung, daß innerhalb eines Jahres nach Zustellung dieser Entschließung[153] die ausgegebenen Scheine aus dem Verkehr gezogen sein müssen. Im Falle der Zurückziehung der Genehmigung werden handelsübliche Unkosten vom letzten Halbjahr der Konzession, soweit sie nicht aus den laufenden Einkünften oder dem 110% des Gesellschaftskapitals übersteigenden Vermögen der Bank gedeckt werden können, vom Reiche übernommen.

II. Die mit dem deutschen Konsortium zu vereinbarenden Bedingungen.

A. Die deutschen Konsorten werden zur Sicherung ihres Einflusses vereinbaren, daß eine Übertragung eines Anteils nur dann vorgenommen und von der deutschen Gruppe im Aufsichtsrat nur dann genehmigt werden darf, wenn sämtliche Mitglieder der deutschen Gruppe der Übertragung zustimmen.

Neue Konsortialmitglieder dürfen nur dann aufgenommen werden, wenn sie sich auf die Bedingungen des deutschen Konsortialvertrages verpflichtet haben. Unterbleibt eine solche Verpflichtungserklärung, so haben die übrigen deutschen Konsorten den Anteil zu übernehmen.

B. Die deutsche Gruppe verpflichtet sich, die ihr zustehenden Rechte in dem Sinne geltend zu machen, daß von der Rheinisch-Westfälischen Bank keine gegen die Reichswährung, gegen die Reichsbank und deren Noten sowie gegen die Rentenmark und das kommunale wertbeständige Notgeld und eine nur vorübergehende allgemeine deutsche Goldnote gerichtete Politik getrieben wird, sie wird vielmehr bestrebt sein, den Umlauf der genannten Zahlungsmittel nach Möglichkeit zu fördern. Die deutsche Gruppe verpflichtet sich, ihre Konsortialvereinbarungen sowie jede Veränderung von ihnen der deutschen Regierung unverzüglich anzuzeigen.

Sollte die Reichsregierung den Wunsch aussprechen, so wird die deutsche Gruppe einem Beauftragten der Deutschen Regierung Gelegenheit geben, an den Verhandlungen der deutschen Gruppen teilzunehmen.

C. Die deutsche Gruppe räumt einer von der Reichsregierung später zu benennenden Stelle das Optionsrecht auf ihre Aktien für den Zeitpunkt ein, in dem seitens eines Zentralnoteninstituts für Deutschland eine entweder jederzeit in Gold oder Devisen einlösbare oder zum mindestens 50% mit Gold oder Devisen gedeckte Note ausgegeben wird. Der zu zahlende Preis ist unter Berücksichtigung der geleisteten Einzahlungen und der vorhandenen realen Werte unter dem Gesichtspunkt festzusetzen, daß die deutsche Gruppe aus ihrer Beteiligung an der Bank einen Gewinn nicht zu ziehen beabsichtigt.

Ist eine Einigung nicht zu erzielen, so wird der Preis von einem Schiedsgericht festgesetzt, dessen Beisitzer von jeder der Parteien und dessen Obmann, falls die Parteien sich über ihn nicht einigen, vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Köln bestimmt wird.

Die deutsche Gruppe führt die alsbaldige Genehmigung dieses Optionsrechts durch die ausländische Gruppe herbei.

Sie werden, sehr verehrter Herr Geheimrat, aus dem vorstehenden ersehen, daß die Reichsregierung alle schwerwiegenden Bedenken gegen das Projekt als solches zurückgestellt und sich auch hinsichtlich der Bedingungen für die Genehmigung die größte Zurückhaltung auferlegt hat.

Ich bin überzeugt, daß es Ihnen gelingen wird, auf dieser Grundlage die[154] Verhandlungen zu einem guten Ergebnis zu führen. Dabei bitte ich, von einer Übermittlung dieses Briefes im ganzen an die Gegenseite abzusehen, wohl aber die hier erörterten Voraussetzungen und Bedingungen zum Gegenstand von Verhandlungen zu machen.

Ihren Mitteilungen sehe ich entgegen. Es werden alsdann hier die gesetzgeberischen Arbeiten mit Beschleunigung durchgeführt werden4.

In vorzüglicher Hochachtung

Ihr ergebenster

gez. Marx

Fußnoten

1

Hschr. Kopfvermerk „Streng geheim“.

2

S. Dok. Nr. 29.

3

S. RGBl. 1875, S. 179 .

4

Mit Schreiben vom 28. 12. an den RK teilt das AA (i. V. Schubert) mit: Bei seiner letzten Unterredung mit Poincaré (am 24. 12.) habe der dt. Geschäftsträger in Paris (v. Hoesch) auch die Frage der Rhein.-Westfäl. Notenbank zur Sprache gebracht und weisungsgemäß ausgeführt, daß die RReg. trotz erheblicher Bedenken die Verleihung des Notenprivilegs an die Bank unter gewissen Bedingungen ins Auge gefaßt habe. Nach Maßgabe der Reichsgesetzgebung könne die Verleihung nur in Form eines Gesetzes oder einer Notverordnung erfolgen. Da die Bank ihren Sitz in Koblenz habe, könne die Verleihungsverordnung nur wirksam werden, wenn die Irko sie im besetzten Gebiet durchführen lasse. Hierüber müsse die RReg. im voraus Gewißheit haben. Es handle sich dabei nicht um eine privatgeschäftliche, sondern um eine staatshoheitliche Angelegenheit, die nur von Regierung zu Regierung erörtert werden könne. Poincaré habe daraufhin erklärt, „die Dt. Reg. sei nicht zuständig für die Verleihung des Notenprivilegs, und er sei nicht bereit, in der vorgeschlagenen Form zur Anerkennung derartiger dt. Rechtsansprüche beizutragen“. Diese Stellungnahme Poincarés, so fährt das Schreiben des AA fort, sei rechtlich unhaltbar, auch enthülle P. damit seine eigentlichen Absichten. „Offensichtlich will er die Notenbank zum Ausgangspunkt für die wirtschaftliche Absonderung des Rheinlands vom übrigen Deutschland machen. Unter diesen Umständen scheint es geboten, den Mitgliedern des dt. Gründungskonsortiums die bestimmte Erwartung der Dt. Reg. zum Ausdruck zu bringen, daß sie ihre Mitwirkung bei der geplanten Gründung unbedingt davon abhängig machen, daß die aus der dt. Reichsgesetzgebung entspringenden dt. Hoheitsrechte zur Konzessionierung der neuen Bank anerkannt werden, daß sie sich also auf keinen Fall mit einer Konzessionierung durch die Rheinlandkommission abfinden würden.“ Das AA schlägt vor, Louis Hagen in einem Nachtrag zum obigen Schreiben des RK vom 22. 12. entsprechend zu verständigen (R 43 I /2442 , Bl. 67 f.).

Das geschieht durch Schreiben des RK an Hagen vom 30. 12. Es heißt darin: Wenn die RReg. sich dazu entschließe, die Rhein.-Westf. Bank zu genehmigen, so nicht zuletzt deshalb, „weil durch diesen Akt der dt. Gesetzgebung in einer auch nach außen erkennbaren Weise das Bestehen der dt. Staatsgewalt für das besetzte Gebiet zum Ausdruck kommt“. Das dt. Gründungskonsortium dürfe sich daher „auf keinen Fall mit einer Form der Anerkennung seitens der Besatzungsmächte abfinden, welche die Zuständigkeit der Dt. Reg. verneint oder auch nur im Zweifel läßt“ (R 43 I /2442 , Bl. 79 f.).

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