1.173.2 (mu22p): 2. Vorlage von zwei Erklärungen auf Grund des Ergebnisses einer Chefbesprechung vom 1. Februar zwischen Reich und Preußen.

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2. Vorlage von zwei Erklärungen auf Grund des Ergebnisses einer Chefbesprechung vom 1. Februar zwischen Reich und Preußen6.

Der Reichsminister der Finanzen trug vor, daß der Vertreter Preußens im Reichsrat (Ministerialdirektor Nobis) bei der Beratung der Gesetzentwürfe zur Durchführung des Ergebnisses der Haager Konferenz namens seiner Regierung in ultimativer Form die Erklärung abgegeben habe, daß Preußen dem deutsch-polnischen Abkommen nicht zustimmen werde, wenn nicht die Reichsregierung vorher in rechtsverbindlicher Form die Erklärung abgebe, Preußen für die durch den Versailler Vertrag erlittenen Verluste an preußischem Staatseigentum entschädigen und fernerhin Preußen auch von Rechtsansprüchen Dritter, die im Zusammenhange mit den Auseinandersetzungen mit Polen erhoben werden könnten, freistellen zu wollen. Was Preußen im einzelnen wolle, ergebe sich aus dem den Reichsministern mit Rundschreiben des Preußischen Ministerpräsidenten vom Januar d. Js. abschriftlich mitgeteilten Schreiben des Preußischen Finanzministers an das Auswärtige Amt und den Herrn Reichsminister der Finanzen vom 21. Januar 1930. Dieses Schreiben vom 21. Januar habe am 1. Februar den Gegenstand einer Chefbesprechung zwischen dem Reichskanzler, dem Reichsminister der Finanzen einerseits und dem Preußischen Ministerpräsidenten und Preußischen Finanzminister andererseits gebildet.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete in großen Zügen über den Verlauf und das Ergebnis dieser Chefbesprechung. Die Preußische Staatsregierung bestehe danach darauf, von der Reichsregierung zwei Erklärungen zu erhalten betreffend

[1415] 1. die Verluste an preußischem Staatseigentum,

2. die Freistellung Preußens von Rechtsansprüchen Dritter.

Der Reichsminister der Finanzen trug sodann den Inhalt der den Wünschen Preußens entsprechenden Erklärungen vor und empfahl ihre Billigung durch das Kabinett.

Staatssekretär Dr. Weismann erklärte, die Preußische Regierung sei inzwischen zu der Einsicht gelangt, daß es verfehlt gewesen sei, ihren Vorstoß in der Sitzung des Reichsratsausschusses gemacht zu haben. Wenn die Reichsregierung die gewünschten Erklärungen der Preußischen Staatsregierung schriftlich zukommen lassen wolle, werde die Preußische Regierung auf die Angelegenheit im Reichsrat nicht mehr zurückkommen und im Reichsrat für den Polenvertrag stimmen.

Ministerialdirektor Nobis, der ihn in der Reichsratssitzung vertreten habe, habe sich zum Vorbringen der Wünsche Preußens im Reichsrat nur deshalb für verpflichtet gehalten, weil unmittelbar vor der Reichsratssitzung im Preußischen Landtag eine Entschließung angenommen worden sei, die von der Preußischen Staatsregierung die Ablehnung des Polenvertrags gefordert habe7.

Nach kurzer Aussprache stellte der Reichskanzler die Zustimmung des Reichskabinetts dazu fest, daß er ermächtigt wird, dem Preußischen Ministerpräsidenten namens der Reichsregierung die beiden vom Reichsminister der Finanzen vorgetragenen Erklärungen der Reichsregierung, betreffend 1. die Verluste an preußischem Staatseigentum, und 2. die Freistellung Preußens von Rechtsansprüchen Dritter zu übersenden. Die Erklärungen haben in der endgültigen Formulierung folgenden Wortlaut:

Erklärung der Reichsregierung betreffend die Verluste an preußischem Staatseigentum.

Die Reichsregierung erklärt der Preußischen Regierung unter Bezugnahme auf das Schreiben der Reichsregierung vom 26. September 1919 […], daß sie beabsichtigt, die Auseinandersetzung zwischen Reich und Preußen über die Preußen durch den Versailler Vertrag erwachsenen Verluste an nutzbarem Staatseigentum und die damit zusammenhängenden Fragen durch ein besonderes Reichsgesetz (Abrechnungsgesetz) zu regeln. Reichsregierung und Preußische Staatsregierung sind darüber einig, daß das Gesetz auf dem Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Länder aufgebaut sein soll.“

Erklärung der Reichsregierung betreffend die Freistellung Preußens von Rechtsansprüchen Dritter.

Die Reichsregierung erklärt:

1. Preußen von allen Rechtsansprüchen finanzieller Art befreien zu wollen, die auf Grund des deutsch-polnischen Abkommens vom 31. Oktober 1929 gegen den preußischen Staat geltend gemacht werden können;

2. Preußen von allen sonstigen mit dem Kriege oder dem Versailler Vertrag[1416] im Zusammenhang stehenden Rechtsansprüchen finanzieller Art befreien zu wollen, die etwa zustehen sollten:

a) den Domänenpächtern oder Ansiedlern für Vermögensnachteile, die durch die Annullation oder Liquidation ihres Eigentums oder Besitzes in den an Polen abgetretenen Gebieten oder durch die zwangsweise Wiedereintragung von Renten oder sonstigen grundbuchlich gesicherten Rechten entstanden sind;

b) der Deutschen Bauernbank. Hierbei besteht Übereinstimmung darüber, daß die Schäden, die Preußen selbst durch die Annullation der Bauernbankverträge erleidet, zu den durch den Versailler Vertrag eingetretenen Verlusten an nutzbarem Staatseigentum gehören, deren Regelung einem besonderen Reichsgesetz vorbehalten bleibt;

c) den beteiligten preußischen Rentenbanken oder Rentenbriefgläubigern, soweit Preußen rechtlich verpflichtet sein sollte, deren Entschädigungsansprüche zu befriedigen.“8

Fußnoten

6

Siehe Dok. Nr. 428.

7

Der pr. LT hatte am 30. 1. einem Antrag der DNVP mit den Stimmen der Parteien von der DNVP bis zum Zentrum zugestimmt, die Regierung solle das poln.-dt. Liquidationsabkommen ablehnen.

8

Die Erklärungen wurden dem PrStMin. am 4. 2. zugesandt (R 43 I /124 , Bl. 72-74, hier: Bl. 72-74).

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